- Große US-amerikanische Sender wie CBS und ABC kapitulieren vorauseilend vor Klagen.
- Die Nachrichtenagentur AP wurde aus dem Pressepool des Weißen Hauses ausgeschlossen, weil sie sich weigerte, den "Golf von Mexiko" als "Golf von Amerika" zu bezeichnen.
- Wissenschaftliche Fachjournale werden mit Klage-Drohungen eingeschüchtert.
- Besonders der Lokaljournalismus leidet unter der Streichung von finanziellen Mitteln aus Washington.
- Der öffentliche Raum wird nach dem Masterplan des Papiers "Project 2025" Stück für Stück unter Kontrolle gebracht.
Vor dem Hotel Hay-Adams in Washington D.C. steht ein Mann im Smoking und liest auf seinem Mobiltelefon, was beim Sender CBS und in der berühmten Redaktion von "60 Minutes" gerade geschieht. Der Mann tippt eine Nachricht, dann steckt er das Telefon ein und geht wieder hinein. Drinnen klirren Gläser.
Es ist das Wochenende der White House Correspondents' Association, es ist die Gala der politischen Medien; einst war es ein Schaulaufen von Stars, heute ist es eher ein Überbleibsel. Denn im Ballsaal ist es leise geworden, weil die Weltstars aus Kino- und Streaming-Welt fehlen. Der US-Präsident kommt sowieso nicht mehr.
Die Komikerin, die auftreten sollte, wurde ausgeladen; zu heikel in diesen Zeiten. Und der Fernsehmoderator Bill Nye, genannt "The Science Guy", trägt seine Presidential Medal of Freedom wie eine Botschaft an eine untergehende Klasse: Glaubt an die Wissenschaft, glaubt an die Presse, bitte.
Trump will, dass die Presse sich fürchtet
Am Rande des Festes allerdings, bei Bier und Rosé, diskutieren die Journalistinnen und Journalisten der nordamerikanischen Hauptstadt vier, fünf große Geschichten aus der Medienwelt – und stets ein und dasselbe Thema: Wie Präsident Donald Trump das Land umbaut, Institution für Institution, Norm für Norm. Und dass die Presse eines seiner liebsten Opfer ist.
Niemand im Saal muss mehr raunen, was Trump wohl wollen könnte. Alles liegt offen da, in Papieren, Tweets, Verordnungen, auch durch Einsparungen längst belegt, durch Personalien, durch Fakten also.
Trump will, dass CBS sich selbst "reinigend reformiert", wie er es nennt. Dass die Rundfunk-Netzwerk NPR und PBS kein Geld mehr bekommen. Dass die Nachrichtenagentur AP aus dem Weißen Haus fliegt. Dass medizinische Fachjournale, die seine Politik kritisieren, Fördermittel verlieren und dahinsterben. Dass Reporter mit Klagen überzogen werden und für Kritik an ihm, Donald J. Trump, büßen müssen – persönlich, finanziell, existenziell. Er will, dass die Presse sich fürchtet.
Der Fall CBS – nur noch ein Skandälchen
Der Fall CBS zeigt, wie das funktioniert. Im Zentrum steht "60 Minutes", Leuchtturm des amerikanischen Fernsehens, bekannt für seine Reportagen und seine Interviews, seine Beharrlichkeit und seine Intelligenz, seinen Ton. Donald Trump hasst diese Sendung. Schon 2020 brach er ein Interview mit der Moderatorin Lesley Stahl ab. Nun klagt er auf zehn Milliarden Dollar, wegen Eingriffs in den Wahlkampf, konkret wegen angeblich manipulierter Aussagen von Kamala Harris in einem Wahlkampfinterview.
Der Vorwurf ist juristisch absurd, denn es gab nur Schnitte, wie es sie beim Fernsehmachen eben gibt, reines Handwerk, keine Manipulation. Doch der Vorwurf ist politisch brisant, weil die Eigentümerin der CBS-Mutter Paramount, Shari Redstone, gerade einen milliardenschweren Deal mit dem Studio Skydance plant. Und weil die Regierung Trump die Übernahme von Paramount durch Skydance, also die Milliardeneinnahme für Frau Redstone, genehmigen muss.
Was passiert in solchen Fällen in autokratischen Gesellschaften? Shari Redstone beugte sich. Signalisierte Verhandlungsbereitschaft. Vier Tage später kündigte Bill Owens, der Produzent von "60 Minutes", seinen Rücktritt an – mit einem Brief, der in jedem anderen demokratischen Land ein Manifest wäre. Er könne die Sendung nicht mehr so führen, wie sie es verdiene, schrieb er, die redaktionelle Unabhängigkeit sei nicht mehr gewährleistet. Seine eigene Firma sei leider "fertig mit ihm". Moderatorin Lesley Stahl weinte. Scott Pelley sagte in der Livesendung, dass Owens gegangen sei, weil ehrlicher Journalismus bei CBS nicht mehr geschützt werde.
Das System hat gelernt: Wer still ist, kann überleben; wer überlebt, ist still.
Ein Skandal? Früher wäre es einer gewesen, damals, als Amerikas Medien Vorbilder für den Rest der Welt waren, diese Watergate-Enthüller, diese Furchtlosen. Heute wird über das Skandälchen immer noch geschrieben, aber dann ist es sofort wieder still. Denn das System hat gelernt: Wer still ist, kann überleben; wer überlebt, ist still.
Auch bei ABC wurde vor Monaten ein Trump-Prozess beigelegt, für 16 Millionen Dollar, obwohl Experten auch jene Klage für haltlos hielten. Überall in den USA gibt es diese vorauseilenden Kapitulationen.
Nachrichtenagenur AP aus Pressepool ausgeschlossen
Der nächste Angriff traf die Associated Press (AP) – eine nüchterne Agentur, den neutralsten, sachlichsten Teil des Mediensystems. AP hatte sich geweigert, den Golf von Mexiko als "Gulf of America" zu bezeichnen – eine sprachpolitische Volte Trumps, die er per Dekret verfügt hatte. Darum wurde die Agentur aus dem Pressepool ausgeschlossen. Kein Zugang mehr zur Air Force One. Keine Termine im Oval Office. Keine Fragen an den Präsidenten mehr.
Ein Bundesrichter in Washington erklärte das für verfassungswidrig; es sei eine Verletzung des First Amendment, jenes ersten Verfassungszusatzes, der die Presse- und Meinungsfreiheit garantieren soll. Doch das Weiße Haus ignoriert das Urteil. Stattdessen schaffte es kurzerhand den ständigen Platz für Agenturen im Pool ab. Die neue Regelung erlaubt Trumps Sprecherin Karoline Leavitt, nach "tagesaktueller Einschätzung" zu entscheiden, wer in der Air Force One mitfliegen darf. Seither ist leider nie Platz für AP.
AP klagt erneut. Der Fall ist inzwischen ein Test, eine echte Prüfung für die amerikanische Verfassungsordnung. Es geht nicht mehr um ein Interview oder einen Platz im Raum. Es geht um das Prinzip: Ob ein Präsident darüber bestimmen darf, welche Worte Journalisten benutzen, um die Welt zu beschreiben.
Quellenschutz aufgehoben
Trump will noch mehr, viel mehr. Justizministerin Pam Bondi hebt die Regeln zum Quellenschutz auf. Journalisten können nun wieder vorgeladen, ihre Telefondaten beschlagnahmt, ihre Notizen eingesehen werden. Die neue Regelung ist bewusst vage formuliert: Es gehe nicht nur um nationale Sicherheit, sondern um alle "schädlichen Veröffentlichungen", die "Regierungsinteressen unterminieren". Das ist so etwas wie ein Blankoscheck für die Verfolgung von Whistleblowern und von denen, die ihnen zuhören.
Drohungen gegen Fachzeitschriften
Parallel dazu beginnt ein gleichfalls beispielloser Angriff auf die wissenschaftliche Presse. Vier medizinische Fachjournale, darunter das weltberühmte New England Journal of Medicine (NEJM), erhielten Briefe von Edward Martin Jr., einem rechten Aktivisten, der von Trump zum Interims-Staatsanwalt in Washington gemacht wurde. Die Briefe klingen wie Verhöre.
Ob die Fachblätter "abweichende Meinungen" veröffentlichen? Ob sie anrüchige Gelder bekommen? Ob sie von Pharmaunternehmen abhängig sind?
Stück für Stück wird der öffentliche Raum gesäubert, geleert, angepasst.
Es ist, natürlich, keine direkte Zensur. Es ist das Andeuten denkbarer Konsequenzen. Die Androhung juristischer Schritte. Autokratien leben von Einschüchterung, von Furcht.
Eric Rubin vom NEJM spricht von einem "vage bedrohlichen" Ton. Andere Redaktionen sagen lieber nichts mehr. Denn die Botschaft wird verstärkt durch Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., der erklärt, er werde "Journalisten wegen Korruption verklagen", wenn sie weiterhin "Fake Science" verbreiten.
Wichtig ist an dieser Stelle, wie immer, ist Genauigkeit und Differenzierung: In der real existierenden Wirklichkeit der USA von 2025 ist es exakt umgekehrt – die Fachblätter arbeiten mit Studien, mit Belegen, während Kennedy Impf-Geschwurbel und andere Verschwörungstheorien verbreitet.
Noch ergibt all das keine Diktatur. Freie Medien wie der New Yorker oder die New York Times, PBS und NPR arbeiten weiter und wirken so gelassen, so ernsthaft wie immer. Aber Stück für Stück wird der öffentliche Raum gesäubert, geleert, angepasst.
Lokaljournalismus leidet am meisten unter gestrichenen Finanzierungen
NPR und PBS, das Hörfunk- und das Fernsehnetzwerk, sind so etwas wie eine öffentlich-rechtliche Säule der freien Vereinigten Staaten. Beide leben von Spenden, aber auch von Geld aus Washington. Beide sind schwächer ausgestattet als der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland.
Für Trump oder gegen Trump, das ist den USA eine Geschäftsentscheidung, weil Emotionen, Wut ebenso wie Angst, höhere Quoten bringen.
Beide sind wichtig, weil sie neutral in der Mitte der Gesellschaft verblieben sind, während sich die meisten privaten Medien auf eine Seite des polarisierten Landes geschlagen haben. Für Trump oder gegen Trump, das ist den USA eine Geschäftsentscheidung, weil Emotionen, Wut ebenso wie Angst, höhere Quoten bringen.
Nun sollen NPR und PBS keine Bundesmittel mehr erhalten. 1,1 Milliarden Dollar will das Weiße Haus ihnen streichen – zwei Jahre Vorfinanzierung. Wen trifft das? Nicht so sehr die Studios in New York oder Washington, vermutlich auch nicht die legendäre "News Hour" von PBS, 18 Uhr Ostküstenzeit, purer, kluger Journalismus. Sondern die kleinen Stationen in Kansas, Utah, Alaska. Den Lokaljournalismus also.
Attacken gegen die Presse sind systematisch
Dann ist da noch der Supreme Court. Zwei Richter, Clarence Thomas und Neil Gorsuch, haben bereits signalisiert, dass sie bereit seien, das Urteil New York Times v. Sullivan zu kippen. Dieses Urteil von 1964 schützt Journalisten davor, von Politikern verklagt zu werden, solange sie keine vorsätzlich falschen Behauptungen verbreiten.
Ohne dieses Urteil könnte jede investigative Recherche, jede Enthüllung über Korruption, Machtmissbrauch, politische Intrige zur Klage führen; mit der Aussicht auf den in den USA durchaus üblichen Schadenersatz in Millionenhöhe. Für einen Mann wie Trump wäre das ein Geschenk.
Und das all das nicht zufällig ist, sondern Strategie, macht ein Blick auf das Papier "Project 2025" klar, ein Masterplan für Trumps zweite Amtszeit. Dort steht, dass die Medienlandschaft "entpolitisiert" werden müsse, dass der Zugang zum Weißen Haus kein Recht sei, sondern ein "privilegiertes Angebot". Die Regierung dürfe "definieren, wer legitimer Journalismus ist".
Am Rande des Korrespondentendinners, bei einem Empfang der Agentur CAA, sagte Jake Tapper von CNN: "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was es hier noch zu feiern gibt." Jen Psaki, einst Joe Bidens Sprecherin, sagte: "Ein Präsident, der keine Witze über sich selbst erträgt, ist gefährlicher als einer, der sich verspricht." Und draußen vor dem Hotel stand ein Mann mit einem Plakat: "Lügenpresse raus aus dem Oval Office."
Es geht um die Frage, ob eine Demokratie eigentlich überleben kann, wenn sie ihre eigenen Wächterinnen und Wächter nicht mehr schützen will.
Ziel der Angriffe auf Medien: Kontrolle über die Wahrheit
Am 3. Mai 2025, dem internationalen Tag der Pressefreiheit, ist die Pressefreiheit in den USA nicht tot. Die Attacken sind nicht immer laut, selten blutig, sie kommen auch nicht plötzlich. Aber sie sind systematisch und sie folgen einem Ziel: Kontrolle. Kontrolle über Begriffe, Bilder, Narrative – über die Wahrheit.
Denn wer heute in den USA über Journalismus spricht, spricht längst nicht mehr über Redaktionen oder Haltungen, über Texte, Beiträge, Recherchen, Meinungen. Nein, in den USA von 2025 geht es um Macht. Und um Ohnmacht, um Angst. Es geht um die Frage, ob eine Demokratie eigentlich überleben kann, wenn sie ihre eigenen Wächterinnen und Wächter nicht mehr schützen will.
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