• Die Regeln des EU-Lieferkettengesetzes gelten künftig nur für sehr große Unternehmen
  • Die Pflichten wurden insgesamt abgeschwächt
  • Kritik an rechter Mehrheit im Parlament durch Sozialdemokraten und Grüne

Die EU will das europäische Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschenrechten abschwächen, noch bevor es angewendet wird. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich in Brüssel darauf, dass die Vorgaben nur noch für wenige große Unternehmen gelten sollen, wie beide Seiten mitteilten. Die Regeln werden zudem um ein weiteres Jahr nach hinten verschoben, auf Juli 2029.

Lieferkettengesetz nur für große Unternehmen

Die Vorgaben beziehen sich demnach künftig nur noch auf Großunternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro. Ursprünglich waren als Grenze 1.000 Mitarbeitende und eine Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro vorgesehen. Zudem sollen Firmen, die gegen die Regeln verstoßen, auf EU-Ebene keiner zivilrechtlichen Haftung mehr unterliegen – wodurch für Opfer von Menschenrechtsverstößen eine Klagemöglichkeit entfällt.

Wenn sich Unternehmen nicht an die Vorgaben halten, soll eine Strafe von maximal drei Prozent ihres weltweiten Nettoumsatzes verhängt werden können. Zudem soll es nach Angaben aus dem Parlament und der EU-Staaten künftig keine Pflicht mehr geben, Handlungspläne für Klimaziele auszuarbeiten.

Die betroffenen Unternehmen sollen zudem nicht mehr ihre gesamte Lieferkette überwachen müssen. Firmen sollen vor allem dort nachforschen, wo sie selbst ein hohes Risiko für Verstöße vermuten. Außerdem sollen sie sich auf Informationen verlassen, die bei ihren Lieferanten "annehmbarerweise verfügbar" sind, also keine tiefere Recherche verlangen.

Merz für komplette Abschaffung

Den Änderungen war ein politischer Schlagabtausch vorausgegangen. Die konservative Europaparlamentsfraktion um CDU und CSU hatte vor knapp einem Monat mit der Unterstützung rechter und rechtsextremer Parteien den Weg für eine Abschwächung des Gesetztes freigemacht. Zuvor hatten sich auch die EU-Staaten für weniger strenge Vorschriften ausgesprochen.

Bundeskanzler Friedrich Merz hatte bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel sogar eine komplette Abschaffung der Richtlinie gefordert. Als ein erster Kompromiss zur Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes im Europaparlament scheiterte, nannte der CDU-Politiker das inakzeptabel" und forderte eine Korrektur.

Rechte Mehrheit im Parlament

Die rechte Mehrheit zugunsten der Abschwächung des Lieferkettengesetzes im Parlament wurde von Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen heftig kritisiert. Die konservative EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, hatte die Mehrheit abseits der üblichen Bündnisse gesucht und gefunden.

Eigentlich arbeiten EVP, Sozialdemokraten und Liberale in einer Art informeller Koalition zusammen. Sie haben eine knappe Mehrheit im Parlament. Das Lieferkettengesetz dürfte nun aber das erste große Gesetzesprojekt werden, das auch final mit einer klar rechten Mehrheit durchs Parlament geht.

Kritik von SPD und Grünen

Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken sprach von einem schwarzen Tag für Europa, da Menschenrechte und Klimaschutz offenkundig nur noch billige Verhandlungsmasse seien. "Ein Kompromiss mit den demokratischen Kräften des Parlaments wäre möglich gewesen, scheiterte aber an der Erpressungstaktik der Konservativen", sagte Wölken.

Die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini sagte: "Die Konservativen im Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten haben heute Nacht den letzten Nagel in den Sarg des EU-Lieferkettengesetzes geschlagen."

Das Parlament und die EU-Mitgliedsländer müssen die Änderung noch genehmigen, normalerweise ist das aber reine Formsache.

dpa/AFP (ala)

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