Während Marokko immer mehr Touristen anzieht und sich mit internationalen Sportveranstaltungen profiliert, protestieren junge Menschen gegen die Regierung. Sie fordern eine bessere öffentliche Versorgung - und soziale Gerechtigkeit.
Marokko ist derzeit das meistbesuchte Land Afrikas und hat damit Ägypten abgelöst. Im Dezember beginnt hier der Afrika-Cup. Und vielerorts weisen Plakate auch schon auf die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2030 hin. Doch in diesen Tagen fliegen in Marokkos Städten Steine, jeden Abend gehen im ganzen Land Hunderte junger Menschen auf die Straße.
Im September waren in Agadir acht Frauen an Kaiserschnitt-Eingriffen gestorben. Es war der Auslöser für eine Protestwelle, die mittlerweile das gesamte Land erfasst hat. An manchen Orten im Land eskaliert die Gewalt, drei Demonstrierende wurden von der Polizei erschossen. Doch die Proteste gehen weiter.
"Vertrauen in die Regierung verloren"
Bereits seit neun Tagen geht die Generation Z in Marokko auf die Straße, fordert eine bessere Gesundheitsversorgung und ein besseres Bildungssystem. Eine der Protestierenden vor dem Parlament in der Hauptstadt Rabat ist die Studentin Aziza. Sie ist 22 Jahre alt, wurde bei einer der ersten Demonstrationen festgenommen und nach sechs Stunden Verhör wieder freigelassen.
Sie will, so wie viele der jungen Menschen im Land, ganz grundsätzlich mehr soziale Gerechtigkeit - und vor allem eine Perspektive im eigenen Land. Die Jugend habe das Vertrauen in die Regierung verloren, so die Studentin.
Fußballstadien oder Krankenhäuser?
Marokko bereitet sich derzeit für die Fußball-WM 2030 vor. Überall entstehen neue Stadien, es werden Milliarden in die Infrastruktur investiert. Viele der Jugendlichen empfinden diese Priorisierung der Ausgaben als ungerecht - während es in manchen Regionen Marokkos nicht einmal Krankenhäuser gibt.
Auch das öffentliche Bildungssystem ist marode. Wer Geld hat, schickt seine Kinder in Marokko auf private Schulen. Das kann sich die Mehrheit aber nicht leisten, und so lernen viele Schüler und Schülerinnen in überfüllten Klassen und maroden Schulgebäuden.
Bildungsexperten wie Azeddine Akesbi von der Universität Rabat warnen schon seit Jahren vor einem Bildungsnotstand. Denn die Zahl der Schulabbrecher und Analphabeten sei unter jungen Menschen sehr hoch. Betroffen seien in ländlichen Gebieten oft vor allem Mädchen.
Wohin führen die Proteste?
Die Bilder von brennenden Autos und geplünderten Geschäften in der vergangenen Woche gingen um die Welt. Der Staat reagierte mit großer Polizeipräsenz auf die Ausschreitungen. Seitdem ist es ruhiger geworden. Aber noch ist nicht absehbar, wohin sich die Proteste entwickeln und wie lange sie andauern werden.
Klar sei, wenn die jungen Menschen ihre Rechte erhielten, dann würden die meisten auch nicht darüber nachdenken, Marokko zu verlassen, meint Souad Brahma, Anwältin und Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation AMDH. Sie ist überzeugt, dass die Proteste weitergehen werden.
Auch Aziza will weiterhin protestieren. Es sei, sagt sie, ihre Pflicht, für ihre Rechte zu kämpfen.
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