In Georgien triumphiert die Regierungspartei "Georgischer Traum" nach der Kommunalwahl und einem im Ansatz gescheiterten Versuch, einen Machtwechsel herbeizuführen. Für Regierungsgegner wird es nun sehr schwer.
Der 4. Oktober hätte der Tag des Machtwechsels in Georgien werden sollen. Die Regierungspartei "Georgischer Traum" hielt Kommunalwahlen ab, die ein Großteil der Oppositionsparteien blockierte. Stattdessen riefen diese zu einem Massenprotest auf, der in der Absetzung des "Georgischen Traums" hätte münden sollen.
Im Vorfeld hatten Politiker aus dem Umfeld der einstigen Regierungspartei "Vereinte Nationale Bewegung" (UNM) von Ex-Präsident Michail Saakaschwili jedem Polizisten 200.000 Dollar versprochen, der sich den Einsatzbefehlen der Regierung verweigern würde.
Gescheiterter Palaststurm
Als am Abend die Stimmenauszählung begonnen hatte, versammelten sich Tausende auf dem Freiheitsplatz im Zentrum von Tiflis. Der Opernsänger Paata Burchuladse, der zum Umfeld der UNM zählt, präsentierte sich als Anführer einer "Volksversammlung". Die amtierende Regierung besitze keine Legitimität und müsse augenblicklich zurücktreten. Die fünf mächtigsten Personen im Land, darunter Premierminister Irakli Kobachidse und Geschäftsmann Bidsina Iwanischwili, sollten sofort festgenommen werden.
UNM-Politiker Murtaz Zodelava rief starke Männer zum Sturm des nahe gelegenen Präsidentenpalastes auf. Als die ersten Demonstranten den Zaun am Präsidentenpalast einrissen, wurden sie sogleich von einem massiven Polizeiaufgebot zurückgedrängt. Eine Wasserkanone und offenbar besonders scharfes Tränengas zwangen die Demonstranten zum Rückzug. Einige errichteten eine Straße weiter aus Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen Barrikaden und zündeten sie an. Die fünf Organisatoren wurden noch am Abend festgenommen, unter anderem wegen Aufrufs zum gewaltsamen Umsturz.
Friedlicher Protest diskreditiert
Im Nachhinein wirkt dies wie ein schlecht geplanter und fataler Versuch der Auflehnung, vor dem andere Oppositionelle immer wieder gewarnt hatten. Viele Demonstranten waren dem Aufruf zum Palaststurm gar nicht gefolgt und blieben vor dem Parlament, wo sich seit bald einem Jahr abendlich Regierungsgegner zum Protest versammeln.
Ex-Präsidentin Salome Surabischwili schrieb von dort auf der Plattform X: Beim Palaststurm handele sich um eine inszenierte Farce des Regimes, um den friedlichen Protest zu diskreditieren. Im vergangenen Jahr hatte Surabischwili die Opposition für eine Weile zusammenhalten können. Doch Reaktionen auch auf diesen Tweet zeigen, dass es keine Einigkeit darüber gibt, wie die seit Jahren immer autoritärer handelnde Regierungspartei von der Macht abgelöst werden könnte.
Verbot der Opposition steht bevor
Die derzeit inhaftierte Oppositionelle Helen Koschtaria, die sich wie viele mit einer eigenen Partei von der UNM abgespalten hatte, erklärte schon vor Jahren, dass sie keinen Sinn in einer Oppositionsarbeit unter der Regierung des "Georgischen Traums" sehe. Andere Oppositionsabgeordnete wie Teona Akubardia oder der Bildungsexperte Simon Janaschia bestätigten, dass die Regierungspartei jede sinnvolle Oppositionspolitik unterdrücke.
Vor der Parlamentswahl im Oktober 2024 verkündete Iwanischwili, der Mann hinter dem "Georgischen Traum", gar einen Plan zur Abschaffung der UNM und ihrer Ableger, mithin der gesamten liberalen Opposition und Zivilgesellschaft. Inzwischen steht nur noch ein entscheidender Schritt aus, den Premier Kobachidse bereits für die Zeit nach den Kommunalwahlen angekündigt hat: Das Oberste Gericht soll die Oppositionsparteien für nicht verfassungsgemäß erklären und verbieten. Nun erklärte er, die Opposition dürfe nicht länger in der georgischen Politik aktiv sein, sie bestehe aus einem "Netzwerk ausländischer Agenten".
Schon jetzt sind Dutzende Politiker, Journalisten und Aktivisten in Haft. Der "Georgische Traum" schuf innerhalb kürzester Zeit ein Instrumentarium an Gesetzen, um jegliche Opposition abzuschaffen und setzt dies nun nach und nach ein.
Wahlbetrug aufdecken
Dennoch hätte es nach Einschätzung von Experten bei diesen Kommunalwahlen noch eine Chance gegeben, zumindest in der Hauptstadt Tiflis und großen Städten wie Batumi, Gegenkandidaten der gesamten Opposition aufzustellen. Wenigstens in einigen Wahlbezirken hätte sich zum Beispiel durch paralleles Nachzählen nachweisen lassen können, wie Wähler durch Betrug um ihre Stimmen gebracht würden.
Zwei Oppositionsparteien, die sich als neutral zwischen der aktuellen Regierungspartei und der ehemaligen Regierungspartei UNM verstehen, unternahmen diesen Versuch und stellten gemeinsame Kandidaten auf. In Tbilisi erhielt ihr Bürgermeisterkandidat den offiziellen Zahlen zufolge zwölf Prozent. Die Wahlbeteiligung im ganzen Land betrug 41 Prozent, der Zeitung Batumelebi zufolge war es die geringste seit der Unabhängigkeit 1991.
Im Exil oder in Haft
Aber auch diese beiden Oppositionsparteien, Lelo und "Für Georgien" von Ex-Premierminister Giorgi Gacharia, stehen unter massivem Druck. Gacharia droht wegen eines mutmaßlich konstruierten Falls um die nationale Sicherheit aus dem Jahr 2019 eine langjährige Haftstrafe. Er ging inzwischen ins Exil. Andere Politiker der beiden Parteien saßen bereits in Haft oder sagten sich im Streit und unter Druck auf ihre Familien los.
Offen ist nun, ob und wie die Proteste gegen die Regierung weitergehen und wie sich die Opposition künftig noch aufstellen will. Journalisten berichteten, dass die Stimmung unter den friedlichen Demonstranten vor dem Parlament am Abend frustriert war. Viele hätten sich irritiert über das Vorgehen der Organisatoren dieses Protesttages gezeigt. Das Innenministerium erklärte nun, jede Protestkundgebung heute oder in den kommenden Tagen werde als Fortsetzung des "Putsches" betrachtet. Man werde entsprechend vorgehen.
Risse im Machtapparat
Doch auch innerhalb der Regierungspartei gibt es offensichtlich Zerwürfnisse. Mehrere Politiker wie der ehemalige Premier Irakli Garibaschwili wurden abgesetzt, mehrere werden unter dem Vorwurf der Korruption verfolgt. Auch im Milieu der Organisierten Kriminalität, die mit dem Staat in Verbindung steht, gab es Festnahmen und Razzien. Diese weisen auf Machtkämpfe um Ressourcen hin.
Aussetzung der Visa-Liberalisierung droht
International steht Georgien durch eine desaströse Außenpolitik isoliert da, bedingt auch durch eine verschwörungstheoretische Propaganda. Die EU erwägt seit längerem Sanktionen. Strafmaßnahmen gegen einzelne Personen erfordern allerdings Einstimmigkeit, die mit Ländern wie Ungarn und der Slowakei nicht umzusetzen sind. In der Folge erließen EU-Staaten nationale Einreisesperren gegen Verantwortliche aus dem georgischen Machtapparat. Die Bundesregierung ergriff diese Maßnahme bislang gegen zwölf Personen.
Keine Einstimmigkeit erfordert die Aussetzung der seit 2017 geltenden Visaliberalisierung für alle georgischen Staatsangehörigen. In Deutschland ist das Bundesinnenministerium federführend zuständig. Das von der Union geführte Ministerium könnte eine solche Entscheidung auch als Teil einer rigorosen Immigrationspolitik rechtfertigen wollen. Für viele liberale und regierungskritische Georgier würde dies aber eine Flucht vor politischer Verfolgung weiter erschweren.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke