Journalisten haben den flüchtigen Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek in Moskau aufgespürt. Er soll dort für den russischen Geheimdienst arbeiten. Wie Marsalek gefunden wurde, berichtet Investigativ-Reporter Christo Grozev in den tagesthemen.
Jahrelang war er auf der Flucht - dann spürte ein Team internationaler Journalisten den früheren Wirecard-Manager Jan Marsalek in Moskau auf und beschattete ihn mehr als ein Jahr lang. Die Journalisten von Spiegel, ZDF, dem österreichischen Standard, des US-Senders PBS und der russischen Investigativplattform The Insider fanden nach eigenen Angaben heraus, dass der 45-Jährige dort für den russischen Geheimdienst arbeitet.
Im Interview mit den tagesthemen hat der an der Recherche beteiligte Investigativ-Reporter Christo Grozev auch den deutschen Behörden Versäumnisse vorgeworfen. "Ich denke, Deutschland hätte sehr viel aktiver sein können. Man muss nicht darauf warten, dass er sich stellt", sagte er. "Wenn ich das kann (Marsalek finden, Anmerkung der Redaktion) mit meinen limitierten Ressourcen, mit einem vierköpfigen Team, mit einem Bruchteil der Kosten und Investitionen, dann sollten Regierungen und Ermittlungsbehörden, die Zugang zu vielen Daten haben, zu Metadaten haben, das doch legal hinbekommen ohne Zugang zum Schwarzmarkt."

Enthüllungsjournalist Christo Grozev zum Fall von Ex-Wirecard-Manager Marsalek
tagesthemen, 17.09.2025 22:15 Uhr"Die Menschen werden fragen: Warum tun die Regierungen nichts?"
Er habe im Laufe der letzten zwei Jahre aber gesehen, dass keine Regierung ein ernsthaftes Interesse gehabt habe, Marsalek festzunehmen. "Meine Recherche wird hoffentlich zu einer Veränderung beitragen, denn die Menschen werden fragen: Warum tun die Regierungen nichts?"
Die Medien veröffentlichten auch zahlreiche Fotos des gebürtigen Österreichers - etwa in Schlips und Anzug auf dem Weg von der U-Bahn in die Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau. Zwischen Januar und November 2024 sei sein Handy 304-mal in der Nähe der FSB-Zentrale in Moskau Lubjanka erfasst worden, berichtete das ZDF. Quellen in der russischen Hauptstadt hätten bestätigt, dass er für den russischen Dienst tätig sei.
Den Recherchen zufolge nutzt Marsalek mehrere Schein-Identitäten, darunter auch einen russischen Pass. Sein Name darauf lautet Alexander Michajlowitsch Nelidov. Datenanalysen belegten Reisen von Marsalek ins Kriegsgebiet in der Ostukraine und ins russisch besetze Mariupol.
"Immer war es eine Frau, die uns zu ihm führte"
Bei Jan Marsalek sei es so gewesen, dass es immer einen Schlüssel zu ihm gegeben habe: die Frauen um ihn herum. "Immer war es eine Frau, die uns zu ihm führte", erzählte Grozev. So brachten die Freundinnen Marsaleks das Team demnach mehrfach auf seine Spur. Auch Künstliche Intelligenz habe demnach in der Recherche eine Rolle gespielt.
"Sie würden sich wundern, wie viele Datenfragmente in den Sozialen Medien zu finden sind", sagte Journalist Grozev in den tagesthemen. "Denn vor allem Mitarbeiter in Bereichen wie Spionagebekämpfung und Regierungsstellen sehen sich als Jäger und nicht als Gejagte. Dort passieren Fehler, die man den Mitarbeitern nicht nachsehen würde."
Auch Familienmitglieder hinterließen Hinweise in sozialen Medien. Dazu gebe es in Russland Datenhändler, bei denen man beispielsweise Mobilfunkdaten bekommen könne.
Journalist geriet selbst in Gefahr
Marsalek tauchte nach der Insolvenz des Zahlungsunternehmens Wirecard im Juni 2020 unter und wird international gesucht. Die Insolvenz des ehemaligen DAX-Konzerns gilt als einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik. Marsalek arbeitete seit Januar 2000 bei Wirecard und war seit 2010 Mitglied des Vorstands. Dabei war er vor allem für das Asien-Geschäft verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt unter anderem wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, des besonders schweren Falls der Untreue sowie weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte gegen ihn.
Investigativjournalist Grozev sprach auch darüber, wie er durch die Recherche selbst in Gefahr geriet - und seine Heimat sogar aufgeben musste. "Wenn du zurück nach Österreich gehst, dann könnten sie dich entführen oder dir etwas antun. Dort warten Leute auf dich", habe man ihn gewarnt. "Von diesem Moment an hat sich das Leben von mir und meiner Familie komplett geändert."
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