Die Ermittlungen nach dem tödlichen Schuss auf den Trump-Unterstützer Kirk führen auch in die Welt der Gaming- und Meme-Kultur. Doch was haben Videospiele und ironische Netzfloskeln mit dem Attentat zu tun?

Bei der Suche nach einem Motiv für das Attentat auf den rechtsnationalen US-Aktivisten Charlie Kirk richtet sich der Blick auch auf die digitale Welt, in der sich der mutmaßliche Täter Tyler R. bewegte. Auf Plattformen wie 4chan, Reddit oder TikTok sowie in einschlägigen Memes war Kirk schon seit Langem Ziel von Spott, Ironie - und Gewalt.

FBI-Direktor Kash Patel und Utahs Gouverneur Spencer Cox hatten auf einer Pressekonferenz gesagt, die Kugeln seien mit mehreren, teils kryptischen Sätzen beschriftet gewesen. Die Patrone, die Kirk tödlich traf, habe den Satz "Notices bulge OwO whats this?" getragen. Es ist ein Verweis auf einen seit Jahren kursierenden Internetwitz, der ursprünglich aus einem "Furry"-Rollenspiel stammt - bei dem sich Menschen in Kostümen flauschig kleiden und in die Rolle vermenschlichter Tiere schlüpfen. Frei übersetzt heißt der Satz: "Bemerkt eine Beule im Schritt", wobei "OwO" für ein Emoticon steht, das niedliche Überraschung ausdrücken soll. 

Dies ist jedoch kein Beweis dafür, dass der Täter ein "Furry" war, denn das Meme ist längst Teil des allgemeinen Online-Sprechs. Oft wird es genutzt, um andere Nutzer zu trollen, also zu provozieren. "Memes sind kulturelle Codes, Symbolbaukästen, derer man sich einfachst bedienen kann. Sie sind eine der wichtigen Kommunikationsweisen einer vernetzten Digitalkultur - nicht mehr und nicht weniger", erklärt Medienwissenschaftler Jan Claas van Treeck. Memes ließen sich daher für harmlose Scherze ebenso nutzen wie für politische Kommentare oder Hassbotschaften.

Zahlreiche Referenzen in die digitale Welt

Auf einer weiteren Hülse soll unter anderem "Hey Faschist! Fang! ↑ → ↓↓↓" gestanden haben. Die Pfeile sind eine Anspielung auf das Videospiel "Helldivers 2", in dem eine solche Tastenkombination den stärksten Bombenangriff auslöst. "O bella ciao, bella ciao, ciao, ciao" stand demnach auf einer anderen Hülse, eine Anspielung auf ein italienisches antifaschistisches Volkslied, das nach seiner Verwendung in der Netflix-Serie "Haus des Geldes" neue Popularität fand.

Und schließlich die umstrittene Netzfloskel "Wenn du das liest, bist du schwul, lmao" - "lmao" steht dabei für soviel wie "Ich lach mich kaputt". Auch dies ist ein Satz, der auf einer Patronenhülse gefunden worden sein soll und der in Foren häufig ironisch eingesetzt wird, um zu provozieren oder zu trollen.

Dass sich solche Referenzen finden, überrascht van Treeck nicht, Video- und Computerspiele seien seit Jahrzehnten Teil der Kultur. "Deshalb verwundert es nicht, wenn der Kirk-Attentäter wie selbstverständlich angeblich Computerspiel-Zitate aus 'Helldivers 2' verwendet." Er greife Fragmente der Kultur auf, die ihn umgibt.

Umfeld, in dem Gewalt und Popkultur verflochten sind

Ob der Täter ideologisch motiviert handelte und somit gezielt diese spezifischen Referenzen aus der Online-Community aufgriff, ist bislang unklar. Sicher ist aber, dass er sich in einem Umfeld bewegte, in dem Gewalt, Popkultur und Ironie eng miteinander verflochten sind.

Das sei typisch für digitale Räume, sagt van Treeck: Das Netz belohne Äußerungen, die schnell, pointiert und wirkungsvoll seien. "Reale Ereignisse konkurrieren am Ende mit fiktiven um Aufmerksamkeit. Wenn jetzt also die Videoaufnahmen von Kirks Ermordung tausendfach im Netz zirkulieren, bieten sie sich geradezu an, aufgegriffen, de- und re-kontextualisiert, gesampelt, geremixt, ge-memet zu werden."

Kurz nach dem Attentat war Tyler R. selbst noch in Chatgruppen aufgetaucht, wie die New York Times berichtete. Darin reagierte er ironisch auf die laufende Fahndung, sprach von einem "Doppelgänger", der versuche, ihn "in Schwierigkeiten zu bringen". Ein Nutzer schlug vor, ihn für die 100.000 US-Dollar Belohnung an das FBI auszuliefern. "Nur, wenn ich einen Anteil bekomme", antwortete R.

Kein Beleg für "Radikalisierung durch Spiele"

Schon vor dem Attentat war Kirk regelmäßig Ziel von unterschiedlichen spöttischen bis aggressiven Inhalten. Seine umstrittenen Aussagen machten ihn zur öffentlichen Reizfigur - und führten online zu Kritik, Ironie, Aggression und verbaler Gewalt. Im Netz kursierten zahlreiche Memes, die sein Auftreten oder seine politischen Positionen ironisierten.

Besonders verbreitet war unter anderem ein Clip aus einer Abtreibungsdebatte, in der Kirk ein Bild eines Delfin-Fötus für einen menschlichen Embryo hielt. Auch Screenshots seines Gesichtsausdrucks in Talkrunden wurden vielfach geteilt und verspottet.

Memes sind aus Online-Communities nicht mehr wegzudenken. Sie können humorvoll, provokant oder auch gesellschaftskritisch sein und geben Einblicke in die Stimmung digitaler Räume. Manche sehen darin ein Ventil, andere warnen vor einer Verharmlosung von Gewalt. Van Treeck betont, man dürfe den Fall nicht vorschnell als Beleg für eine direkte "Radikalisierung durch Spiele" deuten.

"Die Frage, ob Tyler R. vielleicht durch Computerspiele radikalisiert oder gewalttätiger wurde, erinnert an die unsägliche und oft auch unsachliche Killerspiel-Debatte." Studien zeigten, dass zu Gewalt neigende Menschen zwar gerne gewalthaltige Spiele spielten, doch die Annahme, dass Spiele an sich Menschen gewalttätig machten, müsse klar verneint werden.

Auch wenn die Gründe für das Attentat auf Kirk weiter unklar sind: Der Fall macht deutlich, wie eng reale Gewalt und die Mechanismen der Meme- und Gaming-Kultur miteinander verwoben sind.

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