Polen versammelt die internationale Gemeinschaft: Nach Beratungen der NATO-Partner soll nun der UN-Sicherheitsrat zusammenkommen, um über das Eindringen russischer Drohnen zu beraten. An ein Versehen glaubt derweil kaum jemand mehr.
Nach dem Abschuss russischer Drohnen im polnischen Luftraum hat Polen eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen beantragt. Die südkoreanische UN-Mission, die im September den Vorsitz im Rat innehat, teilte mit, ein Termin für das Treffen werde derzeit abgestimmt.
Zuvor hatten auch Slowenien, Dänemark, Griechenland, Frankreich und Großbritannien bereits um ein Treffen des Sicherheitsrates am Freitag gebeten, wie es aus Diplomatenkreisen hieß.
Polen hatte am Mittwochmorgen gemeldet, dass mehrere russische Drohnen über mehrere Stunden hinweg in den polnischen Luftraum eingedrungen seien. Dieser "Akt der Aggression" sei mit Unterstützung von NATO-Verbündeten abgewehrt worden, hieß es aus Warschau.
Trümmer von 16 Drohnen gefunden
Inzwischen sind nach Angaben des polnischen Innenministeriums die Trümmer von 16 unbemannten Flugobjekten gefunden worden.
Dazu zählte ein Fund bei Korytnica östlich der Hauptstadt, wie die Nachrichtenagentur PAP meldete. In Nowe Miasto an der Pilica südwestlich von Warschau sei eine Drohne dicht an einer Kaserne der polnischen Territorialverteidigung abgestürzt, berichtete der Radiosender RMF24. Später kamen zwei weitere Fundstellen in der zentralpolnischen Woiwodschaft Heiligkreuz dazu. Andere Funde hatte es zuvor in der Woiwodschaft Lublin im Osten sowie in den Woiwodschaften Lodz und Ermland-Masuren gegeben.
Merz: "Nicht aus Versehen eingedrungen"
Regierungschef Donald Tusk sprach von 19 Verletzungen des Luftraums durch russische Drohnen. Viele der unbemannten Flugobjekte kamen demnach direkt aus dem Nachbarland Belarus. Nach EU-Angaben wurden mehrere Flugobjekte als Drohnen vom iranischen Bautyp Shahed identifiziert, wie sie von der russischen Armee eingesetzt werden.
Tusk telefonierte inzwischen auch mit Friedrich Merz, wie der Bundeskanzler selbst angab. Er teile die Einschätzung von Tusk, dass die russischen Drohnen nicht aus Versehen in den polnischen Luftraum eingedrungen sind. Er sehe in dem Vorfall wie Tusk auch "eine ganz ernsthafte Gefährdung des Friedens in ganz Europa". "Wir sind und bleiben verteidigungsbereit", sagte Merz.
Auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte bereits betont, es gebe keinen Anlass zu vermuten, dass es sich um Kurskorrekturfehler handele. "Um in die Ukraine zu fliegen, hätten sie diesen Weg nicht fliegen müssen", sagte Pistorius.
Polens Präsident spricht mit Trump
Polens Präsident Karol Nawrocki wiederum sprach mit US-Präsident Donald Trump: Dies sei Teil der Konsultationen, die er mit den Verbündeten geführt habe, schrieb Nawrocki auf dem Portal X. "Die heutigen Gespräche haben die Einigkeit der Bündnispartner bestätigt."
Trump hatte sich zuvor bereits auf seinem Onlinedienst Truth Social geäußert: "Was ist mit Russland, das den polnischen Luftraum mit Drohnen verletzt?" schrieb Trump. Er fügte hinzu: "Los geht's!" Was Trump damit genau meinte, blieb unklar.
Rutte nennt Russlands Vorgehen "rücksichtslos"
Vertreter der NATO-Staaten hatten bereits am Mittwoch auf Antrag Polens im Hauptquartier des Verteidigungsbündnisses in Brüssel über die Ereignisse beraten. Die Sitzung lief unter Artikel 4 des NATO-Vertrags. Dieser sieht Beratungen mit den Verbündeten vor, wenn sich ein NATO-Staat von außen bedroht sieht.
Artikel 4 des NATO-Vertrags Nach der Verletzung seines Luftraums durch russische Drohnen hat Polen bei der NATO Konsultationen gemäß Artikel 4 des Nordatlantikvertrags beantragt. Gemäß Artikel 4 kann jeder Mitgliedsstaat im Fall einer Bedrohung seiner "territorialen Integrität, politischen Unabhängigkeit oder Sicherheit" die Einberufung einer Sitzung des Nordatlantikrates in Brüssel verlangen. Auf der Sitzung des NATO-Rats muss das Thema besprochen werden - das kann zu gemeinsamen Beschlüssen oder Maßnahmen führen, muss aber nicht.Der Artikel wurde seit Gründung des Bündnisses 1949 sieben Mal in Anspruch genommen - zuletzt am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine.
Der mögliche Anwendungsbereich von Artikel 4 ist weniger klar als das in Artikel 5 des Bündnisvertrags fixierte Beistandsversprechen für den Fall eines "bewaffneten Angriffs" auf ein oder mehrere NATO-Länder.
Ein abschließendes Urteil wollte das westliche Verteidigungsbündnis im Anschluss allerdings noch nicht abgeben. Die Prüfung sei noch im Gange, sagte Generalsekretär Mark Rutte in Brüssel. Er nannte das Vorgehen Russlands allerdings absolut rücksichtslos - ganz gleich, ob die Luftraumverletzung absichtlich erfolgt sei oder nicht.
Russland bestreitet Vorwürfe
Das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe zurück. "Es waren keine Objekte zur Zerstörung auf dem Territorium Polens eingeplant", teilte das Ministerium bei Telegram mit. "Die maximale Flugreichweite der bei dem Angriff eingesetzten russischen Drohnen, die angeblich die Grenze zu Polen überquert haben sollen, beträgt nicht mehr als 700 Kilometer", hieß es weiter. Dennoch sei man bereit, zu diesem Thema mit dem polnischen Verteidigungsministerium Beratungen zu führen.
Srdjan Govedarica, ARD Warschau, tagesschau, 11.09.2025 05:32 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke