Frankreichs Premier Bayrou hat die Vertrauensfrage in der Nationalversammlung krachend verloren. Präsident Macron bleiben nun zwei Optionen.
Am Morgen nach dem Sturz der Regierung Bayrou steht Frankreich vor einem politischen Trümmerhaufen. Stabil bleibt nur die dramatische Finanzlage: mehr als drei Billionen Euro Schulden, also rund 114 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Das Land steuert auf ein Haushaltsdefizit von sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu.
Eigentlich müsste es mit einem ambitionierten Sparplan die Märkte und die EU beruhigen, doch es gibt vorerst keine handlungsfähige Regierung, die einen neuen Sparhaushalt vorlegen könnte. Unternehmen halten Investitionen zurück, Firmen stellen nicht ein, und der Schuldenberg wächst weiter. Soweit, so bekannt.

Claire Demesmay, Politiwissenschaftlerin, zur Krise in Frankreich
tagesschau24, 09.09.2025 11:00 UhrMacron will schnell einen neuen Premier ernennen
Nun ist der Präsident am Zug. Bereits am Montagabend hat er angekündigt, "in den nächsten Tagen" einen neuen Premier benennen zu wollen. Es soll also schnell gehen. Nicht ausgeschlossen, dass es schon heute passiert.
Die rasche Neubesetzung des Premierministeramtes hätte den Vorteil, dass Macron beim für Mittwoch angesetzten Protesttag "#bloquonstout" nicht alleine da stünde. Möglich auch, dass er sich noch ein paar Tage mehr Zeit gibt - aber eine Hängepartie wie beim letzten Mal soll vermieden werden. Die Suche nach dem idealen Kandidaten oder der idealen Kandidatin dürfte allerdings genauso schwierig werden wie beim letzten Mal, vielleicht noch schwieriger.
Welche Optionen hat Macron?
Die stabilste Lösung wäre ein Regierungsbündnis, das von den konservativen Republikanern über die Zentrumsparteien und Macrons Partei Renaissance bis hin zu den Grünen und den Sozialisten reichte. So ließe sich sogar eine absolute Mehrheit schaffen, die nicht mehr von den Launen des Rassemblement National auf der extrem rechten Seite oder denen der Linkspartei LFI auf der extrem linken Seite abhängig wäre.
Es stellt sich allerdings die Frage, von wem solch ein Bündnis geführt werden könnte. Die Sozialisten haben mehrfach angeboten, Verantwortung zu übernehmen. Ihr Oppositionsführer Boris Vallaud sagte gestern in der Nationalversammlung: "Wir sind bereit, sollen sie uns holen kommen".
Doch Macrons Verhältnis zu den Sozialisten ist gelinde gesagt angespannt. Seit der Präsident dem Linksbündnis, das bei den Neuwahlen im Sommer 2024 die meisten Sitze errungen hatte, den Auftrag, eine Regierung zu bilden, verweigert hat, ist das Tischtuch zerschnitten.
Berater warnen vor den immer selben Fehlern
Und es gibt ein weiteres Problem: Die konservativen Republikaner, die bisher an der Regierung beteiligt waren, haben ausgeschlossen, sich einer von den Sozialisten geführten Regierung anzuschließen. Bliebe also allenfalls, einen Kandidaten zu finden, der zwar zum linken Lager gehört, über politische Erfahrung verfügt, aber kein Parteibuch hat. Jemand wie der scheidende Wirtschaftsminister Eric Lombard.
Die Alternative für Macron wäre, erneut einen engen Vertrauten zu benennen. Doch selbst in seinem Umfeld warnt manch ein Berater, dass es zu nichts führt, denselben Fehler wieder und wieder zu begehen. Mit dieser Lösung hätte Macron, der in Frankreich als "Hyper-Präsident" bezeichnet wird, zwar mehr Einfluss auf die zukünftige Regierung. Doch in solch einer Mitte-rechts-Regierung müsste der neue Premier einmal mehr ohne eigene Mehrheit regieren, wäre vom Wohl und Wehe der politischen Konkurrenz abhängig und müsste für jedes Projekt wechselnde Mehrheiten finden.
Minderheitsregierung ist Gift für die Wirtschaft
Die Gefahr bestünde weiterhin, dass auch diese Regierung binnen weniger Monate stürzt. Für Frankreichs Wirtschaft wäre solch eine wackelige Konstellation Gift. Mit einer weiteren Minderheitsregierung lassen sich weder die Unternehmer und Unternehmerinnen noch die Finanzmärkte beruhigen. Und auch der dringend benötigte Sparhaushalt käme vielleicht gar nicht zustande.
Präsident Macron steht unter Druck. Für Frankreich wird es gerade immer teurer, sich Geld an den Finanzmärkten zu leihen und schon am Freitag wird die Ratingagentur Fitch einmal mehr ihr Votum über Frankreichs Kreditwürdigkeit abgeben. "La vie en rose" sieht anders aus.
Julia Borutta, ARD Paris, tagesschau, 08.09.2025 08:12 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke