Wasser wird im russisch besetzten Donbass immer mehr zum Luxusgut. Viele Menschen begegnen dem Wassermangel mit Humor, machen in sozialen Medien Witze darüber. Doch die Lage ist dramatisch - und könnte sich weiter verschärfen.
"Wasser ist das schönste Geschenk!" - so kommentieren junge Menschen aus dem von Russland besetzten Donezk zahlreiche Videos in sozialen Netzwerken, in denen sie in Selfies lachend Wasserflaschen und Kanister umarmen.
Auch lokale Geschäfte reagieren auf die enorme Wasserknappheit im Donbass im Osten der Ukraine: Sie kündigen "Wassertage" an, spenden Flaschen oder werben mit Sonderaktionen, etwa einem kostenlosen Fünf-Liter-Kanister beim Kauf eines teuren Blumenstraußes: "Damit die Blumen trotz der schwierigen Wasserversorgung nicht verwelken."
Und selbst auf einer Hochzeit in Donezk träumt ein Brautpaar öffentlich von "Frieden - und von Wasser". Einerseits sind diese Videos bewusst lustig inszeniert. Aber dass im laufenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine "Wasser" und "Frieden" in einem Atemzug genannt werden, offenbart ein ernstes Problem: Wasser wird in Donezk und weiteren Teilen der okkupierten Ostukraine immer knapper.
Russische Wasserleitung reicht nicht aus
Seit 2014 ist die Stadt Donezk in russischer Hand. Seitdem gab es Scheinreferenden, Pseudowahlen, Verteilung von russischen Pässen, fehlende Grundrechte - und immer weniger Wasser.
2023 ließ die russische Besatzungsmacht in Rekordzeit, innerhalb von nur vier Monaten, eine Wasserleitung bauen, um Wasser aus dem Fluss Don nach Donezk zu leiten. Der Don entspringt in Russland und mündet ins Asowsche Meer. Denis Puschilin, ein ukrainischer Kollaborateur und Vertreter der Besatzungsverwaltung, lobte im Juli 2025 bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin den Bau der neuen Leitung.
Doch die schnell errichtete Wasserleitung ist ineffizient. Lokale Behörden sprechen von Wasserverlusten von bis zu 60 Prozent. Der Grund ist das veraltete Rohrnetz im Donbass. Täglich versickern riesige Mengen Wasser, und die Leitung kann den Bedarf nicht decken.

Rund 800.000 Menschen sollen im von Russland besetzten Osten der Ukraine unter mangelnder Wasserversorgung leiden.
800.000 Menschen mit Wasserproblemen
Für die russisch besetzten Gebiete sind formell weiterhin Vertreter der ukrainischen Regierung zuständig. Für das Gebiet Donezk ist dies Wadym Filaschkin, Leiter der Militärverwaltung der Region Donezk. Er kritisiert den Wassermangel im ukrainischen Fernsehsender ICTV: "In Donezk hat die Besatzungsmacht in elf Jahren fast nichts getan. In kleinen Städten wie Tschystjakowo, Schdaniwka und Amwrosijiwka bekommen die Bewohner überhaupt kein Leitungswasser."
Vor der russischen Invasion 2014 lebten fast eine Million Menschen in Donezk. Heute sollen es nach ukrainischen Schätzungen noch rund 400.000 sein. Insgesamt sind etwa 800.000 Menschen in den besetzten Gebieten von akuten Wasserproblemen betroffen.
Zisternen und Vorratstanks statt Versorgung
Wie es sich anfühlt, wenn Wasser nur alle drei Tage für ein paar Stunden fließt, beschreibt für die ARD die 80-jährige Natalja aus Donezk. Ihren Nachnamen will sie aus Sicherheitsgründen nicht nennen. "Im Zentrum von Donezk steht eine Wasserzisterne, aber nicht mit Trinkwasser, sondern mit Brauchwasser, also für die Toilette, zum Baden, zum Putzen. Das ist einfach bedrückend, quälend", sagt sie.
Die russische Regierung schickt zwar Wassertanks aus Moskau, Krasnodar und anderen Städten in das besetzte Gebiet. Im Netz kursieren Videos, in denen Menschen die Ankunft der Tankwagen mit Applaus und Freude begrüßen. Doch der Vorrat in den Zisternen ist schnell erschöpft, und die Wassernot bleibt groß.
Für die alleinstehende Rentnerin Natalja wird die Körperpflege zum Kraftakt. "Der Warmwasserboiler springt nicht jedes Mal an, weil der Druck nicht ausreicht, und ich wohne im zweiten Stock. Man muss das Wasser auf dem Herd erhitzen und kann sich dann erst waschen. Das ist mühsam", erzählt sie.
Wer höher wohnt, hat es noch schwerer: Dort reicht der Druck oft gar nicht aus, und die Menschen müssen Kanister in ihre Wohnungen schleppen. Viele legen sich deshalb Vorräte an. Auch Natalja hat in ihrer Wohnung immer einen Vorrat von 200 Litern Wasser. "Das ist natürlich alles andere als zivilisiert", findet sie.
Viktor aus Donezk - seinen echten Namen will er lieber nicht nennen - hilft sich mit Erfindergeist. In seinem Treppenhaus hat er einen großen blauen Wassertank eingebaut, den er mit einer Pumpe und mehreren Ventilen an die Leitungen seines Badezimmers angeschlossen hat. "So überleben wir in Donezk", kommentiert Viktor.
Gefährliche Pläne
Vor dem großangelegten russischen Angriffskrieg 2022 wurde die Region Donezk vor allem über den Kanal Siwerskyj Donez-Donbas und mehrere Stauseen mit Wasser versorgt. Der Kanal, gebaut in den 1950er-Jahren, beginnt in der Stadt Slowjansk, die bis heute unter ukrainischer Kontrolle steht.
2022 wurde der Kanal im Krieg mehrfach beschädigt, Reparaturarbeiten sind wegen der laufenden Kampfhandlungen kaum möglich. Stauseen in den besetzten Gebieten trockneten teilweise aus.
Pawlo Lysjanskyj vom Ukrainischen Institut für Strategische Forschungen und Sicherheit erklärt im Gespräch mit der ARD: "Die Besatzer fördern Bodenschätze wie Kohle oder Erz, ohne sich um Abbauregeln zu kümmern. Dadurch entstehen im Boden Risse, was dazu führt, dass das Wasser einfach abläuft."
Um die Wasserknappheit zu lindern, präsentierte der von Russland eingesetzte Donezk-Verwalter Denis Puschilin 2025 im lokalen Fernsehen die Idee, Wasser aus stillgelegten Kohlegruben zu gewinnen.
Doch Experten wie Lysjanskyj schlagen Alarm und warnen vor schweren Folgen für Umwelt und Gesundheit. "Das ist Selbstmord. Das Wasser enthält Metalle und radioaktive Partikel", sagt er und fügt hinzu: "In den 1970er-Jahren gab es hier einen unterirdischen Nukleartest. Außerdem lagern dort Abfälle, die eigentlich trocken bleiben müssen. Seit 2017 wird kein Wasser mehr abgepumpt - und es hat sich längst mit den radioaktiven Abfällen vermischt. Bald wird es an die Oberfläche gelangen."
Keine Lösung in Sicht
Diese verseuchten Wassermassen könnten ganze Landstriche überfluten - fruchtbare Schwarzerde und Steppen im Donbass wären verloren, ergänzt Petro Andrjuschtschenko, Direktor des Zentrums für Besatzungsstudien. Er war früher in der Stadtverwaltung von Mariupol tätig.
Obwohl Russland Großprojekte wie die Kertsch-Brücke oder Eisenbahnlinien in kurzer Zeit umsetzt, werde die Wasserversorgung im besetzten Donbass vernachlässigt, kritisiert Andrjuschtschenko.
Seiner Ansicht nach fehlt es weder an Technik noch an Geld. "Die Ukrainer sind für Moskau keine Menschen. Und wenn es keine Ukrainer mehr gibt, dann ist das für sie gut so. Der Besitz eines russischen Passes macht einen Ukrainer in den Augen der russischen Behörden noch lange nicht zu einem Russen", fasst Andrjuschtschenko zusammen.
Klar ist: Die Wasserversorgung bleibt für Hunderttausende Menschen unter russischer Besatzung unsicher. Und eine Wasserkrise wie in Donezk droht laut Experten auch anderen von Russland besetzten Städten.
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