Die Lage von queeren Menschen verschlechtert sich weltweit. In Spanien ist das anders, deshalb suchen Menschen aus der ganzen Welt hier Zuflucht - neuerdings auch vermehrt aus Italien.

Die Plaza de Chueca im Zentrum Madrids: Vor dem Gemüseladen und dem Spätkauf hängen Regenbogenfahnen, die Parkbank trägt bunt und sogar das Schild der U-Bahn-Station ist rot-orange-gelb-grün-blau-lila gestreift. Kein Platz stehe so sehr für Madrids Offenheit, sagt Eric Zanon.

"Dieser Platz ist einfach ein Symbol für die LGBT-Community. Es ist ein Ort, an dem wir uns sicher fühlen: Weil wir hier tun können, was Heterosexuelle ganz selbstverständlich tun - Händchen halten, uns küssen." Aber es sei auch ein Platz, an dem Menschen, die nicht zu der Community gehörten, sie kennenlernen können. "Der Platz hat eine Brückenfunktion."

Italien unter Druck der katholischen Kirche

Seit 2018 lebt der Italiener in Madrid. Kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung: In Spanien gebe es im Gegensatz zu seinem Heimatland keine schrägen Blicke, keine Tuscheleien, wenn er seinen Freund küsse. Und fremd habe er sich nie gefühlt.

"Für uns Italiener ist Spanien ein Land, dem wir uns sehr verbunden fühlen - wegen der Sprache, des Klimas, des gesellschaftlichen Miteinanders. Aber es war immer offener und freier."

Italien leide sehr unter dem Druck des Vatikans, sagt Zanon. Die katholische Kirche habe sehr großen Einfluss auf die Politik und die Gesellschaft. "Italien war eines der letzten Länder, das eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft anerkannt hat. Das ist sehr bezeichnend."

2016 war das. In Spanien dagegen ist die gleichgeschlechtliche Ehe schon seit 2005 anerkannt. Transpersonen können ihr Geschlecht in einem unbürokratischen Verfahren anpassen lassen. Es gibt umfassende Gesetze zum Schutz vor Diskriminierung, getragen von einem breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens.

Todesdrohungen aufgrund der Sexualität

Kein Vergleich zu Italien, sagt Zanon. Dort habe sich das Klima für queere Menschen seit dem Regierungsantritt von Giorgia Meloni extrem verschlechtert. Immer mehr Italienerinnen und Italiener zöge es deshalb auf die andere Seite des Mittelmeers - Dale Zaccharia zum Beispiel.

Die Künstlerin hat 2023 ihr Heimatland verlassen und arbeitet in Madrid bei einer Bank. "Ich habe als lesbische Frau Todesdrohungen bekommen."

Aufgrund ihrer künstlerischen Tätigkeit oder wenn sie mit ihrer Partnerin in Rom unterwegs war, sei ihr gesagt worden, sie sollte das Land verlassen. "Auf der Arbeit wurde ich wegen meiner sexuellen Orientierung gemobbt. Hier fühle ich mich frei, akzeptiert." In der Bank, wo sie jetzt arbeitet, gebe es sogar eine LGBTQ-Gruppe.

Immer mehr Asylanträge wegen sexueller Orientierung

Zahlen darüber, wie viele Italienerinnen und Italiener nach Spanien gezogen sind, gibt es nicht. Aber jeder ihrer Landsleute kenne jemanden, der in Spanien die Freiheit suche, erzählen Zanon und Zaccharia.

Messbar gestiegen ist aber die Zahl der Menschen, die in Spanien wegen ihrer sexuellen Orientierung einen offiziellen Schutzstatus beantragen. Sie machen inzwischen 11,5 Prozent aller Asylberechtigten aus. Das sind 2,5 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren.

Anstieg von Gesuchen aus Afrika und Südamerika

Israel Pedrazo arbeitet bei der NGO Rescate. Die Organisation kümmert sich um die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. In den letzten Jahren sei vor allem die Zahl der Gesuche aus lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern gestiegen, so Pedrazo.

"LGBTQIA+-Personen entscheiden sich für Spanien als Zielland, weil sie hier Menschen finden, die sie unterstützen." Allein in Madrid gebe es zwölf bis 14 auf sie spezialisierte Organisationen. "Selbst in den abgelegensten Dörfern gibt es LGBTQIA+-Gruppen. Sie wählen Spanien, weil sie sich hier sicher fühlen - und weil das Land tatsächlich sicher ist."

Etwas mehr Hassdelikte

Zwar hat sich auch in Spanien der Diskurs durch die ultrarechte Partei Vox - drittstärkste Kraft im spanischen Parlament - leicht verschoben, Hassdelikte gegen queere Menschen verzeichnen einen leichten Zuwachs. Aber am gesamtgesellschaftlichen Klima ändere das nichts und der gesetzliche Rahmen sei stabil genug, dem standzuhalten, so Pedrazo.

Davon ist auch Dale Zaccharia überzeugt. Nach Italien zurückkehren? Das kann sie sich nicht vorstellen. Zaccharia bleibt lieber im - so sagt sie - spanischen Exil.

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