Weil man das Bevölkerungswachstum in Grönland verlangsamen wollte, hat Dänemark seit den 1960er-Jahren vielen Frauen ohne ihre Zustimmung Spiralen zur Verhütung eingesetzt. Nun entschuldigte sich die Regierungschefin dafür.
Elisa Christiansens Stimme stockt auch heute noch, wenn die 63-Jährige über das spricht, was ihr als 13-jähriges Mädchen angetan wurde. "Wir kamen zum Arzt. Ich musste mich ausziehen und mich auf diesen riesigen, gynäkologischen Stuhl setzen", erinnert sie sich. "Und dann steckte er etwas sehr, sehr kaltes in mich hinein. Mit einem Instrument setzte er mir eine Spirale für Erwachsene ein - dabei war ich erst 13. Es tat furchtbar weh." Ihre Geschichte hat Christiansen im dänischen Sender TV2 Anfang des Jahres erzählt.
Noch nicht lange sprechen Grönländerinnen über ihr kollektives Trauma. Mindestens 4.500 Mädchen und Frauen wurde vor allem in den 1960er- und 70er-Jahren ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung eine Spirale eingesetzt. Durch diese Zwangsverhütung wollte der dänische Staat verhindern, dass die grönländische Bevölkerung zu schnell wächst. Denn zu viele Menschen bedeuten zu viele Kosten - so einfach war die Rechnung damals.
Viele der Frauen wurden unfruchtbar, bekamen gesundheitliche Probleme und litten unter schweren psychischen Folgen. Jetzt entschuldigt sich die dänische Ministerpräsidentin Mette Fredriksen dafür:
Medienrecherche deckt Skandal auf
Grönland war bis 1953 dänische Kolonie und erreichte erst 2009 eine weitreichende politische Autonomie. Bis heute ist Grönland finanziell von Dänemark abhängig.
Erst 2022 rückte der Spiralen-Skandal durch eine Recherche des dänischen Radios ins Rampenlicht, immer mehr Frauen traten in die Öffentlichkeit und erzählten ihre Geschichte. Und nicht nur das, 143 haben sich zusammengetan und verklagen den dänischen Staat auf Schmerzengeld.
Mads Pramming ist ihr Anwalt. Er sagte nach der Entschuldigung im Dänischen Rundfunk: "Jedes Mal, wenn wir in diesem Fall einen Stein umdrehen, kommt eine neue, schreckliche Straftat ans Licht". Es sei gut, dass jetzt Verantwortung übernommen werde. "Es wäre nicht gut, hätten wir das vor Gericht verhandeln müssen. Vielleicht können wir eine außergerichtliche Lösung finden."
Zusammen gegen Trump
Man könne nicht ändern, was passiert ist. Aber man könne Verantwortung übernehmen - so formulierte es die dänische Ministerpräsidentin in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem grönländischen Regierungschef Jens-Frederik Nielsen. Denn auch nachdem Grönland selbst die Verantwortung für das Gesundheitssystem übernommen hatte, bekamen Frauen in einigen Fällen Spiralen zwangsweise eingesetzt. Ein offizieller Untersuchungsbericht dazu soll im September veröffentlicht werden.
Der Spiralen-Skandal wirkt nach - in einer Zeit, in der Dänemark und Grönland noch ein ganz anderes Thema miteinander haben: Seit der US-amerikanische Präsident Donald Trump angekündigt hat, Grönland übernehmen zu wollen, sind die Rufe nach Unabhängigkeit dort laut geworden. Nicht, weil man zu den USA gehören möchte. Sondern weil man noch mehr Autonomie von Dänemark erreichen will und die Gunst der Stunde nutzt.
Der Spiralen-Skandal ist in dieser Gemengelage nicht nur ein krasser Akt kolonialer Gewalt - sondern auch eine brisante Zutat in einer explosiven politischen Gemengelage.
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