"Wet Wipe Island" gilt als Schandfleck der Themse. Massen von Feuchttüchern, die Londoner über die Toilette entsorgt haben, hatten sich wie eine Insel am Flussufer aufgetürmt. Jetzt wird sie aufwändig abgetragen.
Sogar einen eigenen Eintrag auf Google Maps hat Londons berüchtigte Feuchttücher-Insel über die Jahre bekommen: "Wet Wipe Island" ganz in der Nähe der Hammersmith-Brücke im Südwesten Londons sei ein "kulturelles Wahrzeichen", steht dort. Darunter zahlreiche ironische Bewertungen, was für eine wunderbare Sehenswürdigkeit die Insel doch sei, gepaart mit Kommentaren wie "eklig", "einfach nur schockierend" oder "da muss doch mal aufgeräumt werden".
Genau das passiert jetzt - und zwar im Auftrag der London Port Authority, der Hafen- und Wasserstraßenbehörde der britischen Hauptstadt. Seit Mitte August ist täglich ein Bagger an diesem Abschnitt des Themse-Ufers im Einsatz. Wann immer es die Gezeiten erlauben, tastet er sich langsam vorwärts auf den Abschnitt zwischen Ufer und Flussbett und lässt dann seinen gitterartigen Baggerlöffel herunter in die schwarze, weiche Masse.

Die Insel aus Toilettenabfällen veränderte sogar den Verlauf der Themse in London.
Fläche zweier Tennisplätze
Auf den ersten Blick sieht sie aus wie schwarz-brauner Schlamm. Doch bei einem genaueren Blick erkennt man, wie tuchartige Fasern - die Rückstände der Feuchttücher - aus dem Flussbett gekämmt werden. Dann rüttelt der Fahrer so lange mit dem Greifer, bis der übrige Matsch wieder auf den Boden fällt.
"Das Rütteln ist der wichtigste Schritt, damit wir nur die Überreste der Feuchttücher entfernen und nichts vom Flussbett oder gar Lebewesen", sagt Emily McLean, die das Projekt vor Ort für die London Port Authority überwacht. "Wir sind froh, die Reinigung hier endlich anzugehen."
Die Insel aus den Toilettenabfällen hatte sich zu einer Fläche von der Größe zweier Tennisplätze angesammelt, stellenweise bis zu einem Meter hoch. Die Insel veränderte sogar den Flussverlauf und belastet durch Mikroplastik die Tier- und Pflanzenwelt. Nun werde sich die Wasserqualität wieder verbessern, meint McLean.

Emily McLean von der London Port Authority überwacht das Abtragen der Feuchttücher-Insel.
Ungefiltertes Abwasser in die Themse
Der Grund, dass die Überreste der Feuchttücher überhaupt hier sind: Die Bewohner Londons haben sie in der Toilette heruntergespült, statt die Tücher über den Restmüll zu entsorgen.
Außerdem gibt es in vielen britischen Städten ein veraltetes Kanalisationssystem, bei dem Regenwasser und Abwasser im selben Kanal laufen. Wenn etwa bei starkem Regen die viktorianische Kanalisation überläuft, leitet der umstrittene Wasserversorger Thames Water einen Teil des Mischwassers ungefiltert in die Themse - und damit auch die heruntergespülten Feuchttücher.
Nun sollen im Laufe mehrerer Wochen schätzungsweise 180.000 Tonnen der Feuchttücher-Masse abgetragen und entsorgt werden. Der Zeitpunkt dafür sei auch deshalb ideal, weil ein neuer, rund 25 Kilometer langer Abwassertunnel seit Anfang des Jahres dazu beitragen soll, dass die Feuchttücher sich in dieser Form nicht noch einmal ansammeln, so McLean. Denn durch den Tunnel, der weitgehend unter der Themse entlang führt, werden die Mischwasser-Überläufe aufgefangen und in eine Kläranlage geleitet.

Felicity Rhodes von der Umweltschutzorganisation Thames 21 fordert eine bessere Abwasserinfrastruktur in London.
Hersteller müssen plastikfreie Alternativen entwickeln
Die Umweltschützerin Felicity Rhodes von der Organisation Thames 21 steht am Ufer und beobachtet die Baggerarbeiten. Thames 21 hat sich auf den Schutz der Themse spezialisiert, und die Feuchttücher-Insel ist den Aktivistinnen und Aktivisten schon seit Jahren ein Dorn im Auge. "Hier in dieser Flussbiegung fließt das Wasser etwas langsamer, und die schweren Feuchttücher häufen sich und türmen sich auf zu kleinen Bergen oder wickeln sich um Zweige und Pflanzen." Dort sammelten sich dann immer mehr der "wet wipes" an.
Regelmäßig haben Aktivistinnen und Aktivsten von Thames 21 in mühsamer Handarbeit gezählt, wie viele Feuchttücher sich exemplarisch pro Quadratmeter angesammelt haben und sie dann entfernt. "Es war immer klar, dass hier ein Bagger ran muss, und es ist großartig, dass das jetzt passiert", sagt Rhodes.
Die Aktivistin fordert: "Jetzt müssen die Menschen aber auch aufhören, Feuchttücher einfach in die Toilette zu werfen." Aber auch das reiche nicht. "Feuchttuch-Hersteller müssen plastikfreie Alternativen entwickeln. Und Abwasserfirmen müssen in bessere Infrastruktur investieren, damit Feuchttücher gar nicht erst in unsere Flüsse gelangen."

180.000 Tonnen Feuchttücher-Masse sollen aus der Themse geborgen und entsorgt werden.
Ekelvideos sorgen für Aufmerksamkeit
Bereits im April 2024 kündigte die britische Regierung, damals noch unter Führung der Konservativen, ein Gesetz zum landesweiten Verkauf- und Lieferverbot von Feuchttüchern mit Plastik-Anteil an. Es soll Hersteller ermutigen, plastikfreie Alternativen anzubieten. Das Gesetz ist aber noch nicht verabschiedet. "Auch gesetzlich muss es endlich Fortschritt geben", sagt die Umweltaktivistin.
Die London Port Authority hofft ebenso wie Thames 21, dass die viele Aufmerksamkeit, die die Feuchttücher-Insel durch die Aufräumaktion in diesen Tagen im ganzen Land bekommt - insbesondere auch durch Ekelvideos in den Sozialen Medien -, mehr Menschen motiviert, Feuchttücher künftig über den Müll zu entsorgen.
Noch bis Anfang September werden die Arbeiten laufen. Aufschub ist schwierig, denn das betroffene Gebiet reicht bis auf das Gelände einer Londoner Privatschule, und dort beginnt dann wieder der Unterricht. Auf Google Maps jedenfalls ist "Wet Wipe Island" bereits kurz nach Beginn der Arbeiten verschwunden - wer die Änderung vorgeschlagen oder veranlasst hat, ist nicht bekannt.
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