Inhalt des Artikels:
- Ganz anders als die Alpen
- Bergwacht muss häufiger ausrücken
- Gefahren im bosnischen Hochgebirge
- Gute Vorbereitung im Gebirge unerlässlich
- Bergwandern jenseits des Massentourismus
Ganz anders als die Alpen
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Wanderung in Bosnien und Herzegowina. Aufgewachsen in Bayern, verbrachte ich meine Sommerferien immer bei Verwandten in Sarajevo. Mein Onkel Muhammed war Direktor des Alpenvereins und nahm mich jedes Wochenende mit in die Berge. Und die waren anders als in Bayern oder Österreich – das ist mir schon als Kind aufgefallen. Hier erlebte ich die Natur in einem Zustand, wie wir ihn in Mitteleuropa kaum noch kennen: ursprünglich, rau, unverfälscht und auf eine andere Art schön.

Doch genau darin liegt auch das Risiko. Denn in den Bergen Bosnien-Herzegowinas kann die Schönheit der Natur tödlich sein. Die Wege waren schon in meiner Kindheit teils unmarkiert, von Gestrüpp oder Wurzeln überwuchert. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Nur das dumpfe Rauschen des Windes in den Bäumen und das Knacken unter meinen Wanderschuhen waren zu hören. So war ich nicht nur euphorisch, sondern manchmal auch beunruhigt: Was passiert, wenn ich hier verloren ginge? Brav folgte ich meinem großen, schlanken Onkel, der mit seinem Hut wie Indiana Jones aussah.
"Unsere Berge sind nicht gefährlicher als andere, aber sie verzeihen weniger Fehler", sagt Emil Balavac, Minister für Handel, Tourismus und Umweltschutz des Kantons Herzegowina-Neretva. Er ist nicht nur Politiker, sondern auch freiwilliges Mitglied des Bergrettungsdienstes in seiner Region, den er momentan leitet und den vor allem Ehrenamtler wie er am Laufen halten. Die GSS ("Gorska Služba Spašavanja", zu Deutsch "Bergrettungsdienst") zählt mehrere tausend Mitglieder landesweit. Und die haben immer mehr zu tun.
Bergwacht muss häufiger ausrücken
"Leider zeigen die Erfahrungen des letzten Jahres, dass immer häufiger Touristen gesucht und gerettet werden müssen, oft aufgrund von Unwissenheit oder fehlender Vorbereitung", sagt Balavac. Zwar sind die Wanderwege heute größtenteils gut markiert und begehbar. Es gibt jedoch auch viele Wege, die im Unterholz verschwinden, wodurch die Markierungen mit der Zeit verblassen. Durch Erdrutsche oder Sturzfluten können Pfade zudem unpassierbar werden.

"Manche denken, Bergwandern in Bosnien funktioniere wie in den Alpen – mit Hütten, Wegweisern und einem Notrufsystem. Aber das ist bei uns nicht die Realität. Die Touristen unterschätzen die Bedingungen", sagt Balavac. Viele Wanderer seien ohne angemessene Ausrüstung unterwegs. "Kein GPS, keine Papierkarte, keine Notfallausrüstung. Das ist fahrlässig. Und was wir nie müde werden zu sagen: Niemals allein losgehen! Wer allein unterwegs ist, den finden wir oft zu spät", betont Balavac.
Besonders tragisch war der Fall des deutschen Arztes Wolfram Mißler, der im September 2024 verschwand. Balavac hat die Suchaktion selbst geleitet. Acht Monate lang suchten die Retter. Vergeblich. Erst im Juni 2025 konnte sein Leichnam geborgen werden. Auch die Französin Lola Mathelet wird seit dem 30. März 2025 vermisst. Sie war im anspruchsvollen Gebiet des Berges Čvrsnica unterwegs. Trotz einer großangelegten Suche durch die bosnische Bergwacht GSS mit Drohnen, Hunden und internationaler Unterstützung fehlt von ihr bis heute jede Spur.

Gefahren im bosnischen Hochgebirge
Was Wanderer oft nicht bedenken: In den Hochlagen fehlen natürliche Wasserquellen. Besonders im Prenj-Gebirge, das auch als der "Himalaya des Balkans" bekannt ist, kann das lebensgefährlich werden. Der Prenj ist vielleicht der einzige Berg in Bosnien und Herzegowina, bei dem man beim Betreten der inneren Gebiete jeglichen Kontakt zur Zivilisation verliert. Man sieht keine Städte, kein künstliches Licht und keine Spuren menschlicher Aktivität. Es eröffnet sich eine völlig neue, magische Welt. Doch genau diese magische Welt kann dem Wanderer zum Verhängnis werden. Man sollte mindestens drei Liter Wasser mitnehmen, besser mehr", rät Balavac. "Ohne Wasser wird es kritisch."
Hinzu kommen unerwartete Wetterumschwünge, wildlebende Bären und Schlangen sowie die nach wie vor bestehende Minengefahr abseits der bekannten Routen. "Die markierten Wege sind sicher. Aber nur, wenn man auch wirklich auf ihnen bleibt", so Balavac.

Die Bergretter arbeiten größtenteils ehrenamtlich und oft an der Belastungsgrenze. "Wir hatten in den letzten Jahren viele Einsätze, bei denen unsere Teams unter extremen Bedingungen unterwegs waren: Sturm, Nacht, steile Geröllfelder", berichtet Balavac. "Es ist wichtig zu verstehen: Wenn Wanderer schlecht vorbereitet losziehen, bringen sie nicht nur sich, sondern auch uns in Gefahr. Und das alles wegen jemandem, der ohne Wasser und Jacke losmarschiert ist."
Gute Vorbereitung im Gebirge unerlässlich
Wie man sich auf eine Bergwanderung vorbereiten sollte, weiß Zehrudin Isaković. Er kennt Bosniens Berge wie kaum ein anderer. Der 1966 geborene Journalist und Abenteurer wurde durch seine Reisedokumentarserie "Vrhovi Balkana" ("Die Gipfel des Balkans"), die auf Al Jazeera Balkans ausgestrahlt wurde, einem breiten Publikum bekannt. Er produzierte rund 70 Filme über Berge und Gebirge auf der ganzen Welt – vom Aconcagua in den Anden bis zum Mount Everest.

Eine Stirnlampe, eine Karte, warme Kleidung, ein Erste-Hilfe-Set, eine Feuerquelle, Wasser und Nahrung – all das sollte laut Isaković unbedingt im Rucksack sein. Ebenso wichtig sei es, jemandem mitzuteilen, wo man sich aufhalte, wenn man allein losziehe. Eine kurze Information an Hüttenwirte, lokale Bergvereine oder den Bergrettungsdienst könne Leben retten.
Bergwandern jenseits des Massentourismus
Wer gut vorbereitet sei, könne unvergleichliche Augenblicke erleben. "In den Alpen ist das Wandern perfekt organisiert, sagt Isaković. Aber auf den Routen seien viele Menschen unterwegs. "Hier ist es anders: In Bosnien kann man stundenlang gehen, ohne jemandem zu begegnen. Und das ist etwas ganz Besonderes, wenn man in einer intimen Atmosphäre mit der Natur sein möchte. Die bosnischen Berge sind ideal für all jene, die gerne wandern, aber den Massentourismus meiden wollen, sowie Tiefe, Stille und Unerreichbarkeit suchen. Die Natur gibt uns hier alles, aber sie stellt auch Bedingungen. Wer sie kennt, kann ihre Schönheit in vollen Zügen genießen. Wer sie ignoriert, bezahlt mitunter einen hohen Preis."

Weniger erfahrenen Wanderern und Neulingen in den bosnischen Gebirgen legt Isaković professionelle Hilfe ans Herz: "Ein erfahrener Führer bringt einen sicher bis zum Gipfel des Berges. Darüber hinaus erzählen sie uralte Legenden aus der Region, bringen die Gäste mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt und führen sie zu den Berghütten mit dem besten kulinarischen Angebot, wo man lokale Spezialitäten genießen kann", sagt Isaković.
Wandern in Bosnien und Herzegowina ist definitiv kein Freizeitspaß. Es ist ein Abenteuer mit Tiefe – manchmal auch mit Abgrund. Die Landschaft ist atemberaubend, die Begegnungen intensiv und die Natur unvergesslich. Doch die Regeln hier draußen sind andere. Die wichtigste ist bedingungsloser Respekt gegenüber der Natur.
MDR (baz)
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