Insgesamt 251 Geiseln verschleppten die Hamas, der Islamische Dschihad und andere Gruppen am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen. Davon kamen bis jetzt knapp 150 frei. Am Sonntag hat Israels Premier Benjamin Netanjahu das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) um Hilfe bei der Versorgung der Geiseln gebeten. Die Hamas bekundet, sie wolle einen Einsatz erlauben – unter weitreichenden Bedingungen. SRF-Auslandredaktorin Susanne Brunner über die neuste Entwicklung.

Welche Bedingungen stellt die Hamas an das IKRK?

Die Hamas verlangt von Israel die dauerhafte und umfassende Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen – und, dass Israel während der Verteilung von Hilfsgütern seine Bombardierungen einstellt. Nur dann wolle sie mit dem IKRK kooperieren. Man muss dazu sagen: Die Hamas hat dem IKRK von Anfang an den Zugang zu den über 250 Geiseln verwehrt. Die Hamas erlaubte dem IKRK nur Zugang zu denjenigen Geiseln, die sie im Rahmen von Waffenruhen mit Israel freiliess. Da brachte das IKRK-Personal die Geiseln nach Israel.

Wie reagiert das IKRK?

Premier Netanjahu hat – laut Angaben seines Büros – den Leiter des regionalen IKRK-Büros gebeten, die Geiseln unverzüglich mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen. Das ist die Aufgabe des IKRK, und das IKRK wird das tun, was die Kriegsparteien es unter Wahrung seiner Neutralität als NGO tun lassen. Das IKRK hat sein Entsetzen über den Zustand der in den Hamas-Videos gezeigten Geiseln geäussert und erneut darum gebeten, Zugang zu den Geiseln zu erhalten.

Israel hat dem IKRK vorgeworfen, seiner Pflicht bei der Versorgung der Geiseln nicht nachgekommen zu sein. Stimmt das?

In den Augen der israelischen Öffentlichkeit kam das IKRK seiner Pflicht nicht nach, die Geiseln in Gaza zu versorgen. Das IKRK hat jedoch immer betont, dass ihm die Hamas den Zugang zu den Geiseln verwehre. Gleichzeitig hat das IKRK Israel dafür kritisiert, dass ihm die Regierung den Zugang zu palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen verweigert. Das hat Israel dem IKRK übel genommen. Das IKRK hat zudem die katastrophale humanitäre Situation im Gazastreifen kritisiert, und die Organisation hat mehrere Mitarbeitende im Krieg verloren. Israel kritisierte das IKRK weiter dafür, dass es nichts gegen die chaotischen Übergaben der Geiseln während der Waffenruhe unternehme – aber das IKRK kann ja nicht bestimmen, wie sich die Hamas verhält. Kurz: Das Verhältnis zwischen Israel und dem IKRK war in den letzten 22 Monaten immer wieder sehr belastet.

Was kann das IKRK tun, wenn der Zugang zu den Geiseln an politische Bedingungen geknüpft wird?

Das IKRK kann nur so viel machen, wie ihm die politischen Parteien erlauben. Für die Politik ist das IKRK nicht zuständig. Israel hegt zu Recht Misstrauen gegenüber der Hamas, auch Angehörige der Geiseln trauen der Hamas nicht. Und die Hamas hat Angst, IKRK-Leute könnten mit Sendern ausgerüstet sein, welche Hamas-Stellungen verraten. Es wäre erstaunlich, wenn das IKRK tatsächlich Zugang zu Geiseln bekäme.

Wie stehen die Überlebenschancen der 20 noch lebenden Geiseln?

Sie stehen schlecht, nach so vielen Monaten in Geiselhaft in einem Kriegsgebiet. Viele Angehörige der Geiseln verlangen deshalb seit Monaten eine Waffenruhe: Die meisten Geiseln kamen während einer Waffenruhe frei. Immer mehr Menschen in Israel fordern ein Ende des Krieges im Gazastreifen. Militärisch gesehen habe dieser keinen Sinn mehr, und je länger der Krieg dauere, desto kleiner die Überlebenschancen der Geiseln.

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