Für die italienische Regierung ist das EuGH-Urteil zu den sicheren Herkunftsstaaten eine herbe Enttäuschung. Ministerpräsidentin Meloni ging nach dem Urteil in die Offensive und attackierte das Gericht.
Die Opposition in Italien kann sich freuen: Das Urteil aus Luxemburg macht es der italienischen Regierung schwerer, weiter Schutzsuchende auf dem Meer abzufangen und nach Albanien zu bringen.
Fiorella Zabatta von der Grün-linken Allianz erklärte, ihre Partei sei "absolut zufrieden" mit dem Urteil und erhob gleich eine Forderung an die Regierung von Giorgia Meloni: Sie solle jetzt vor dem Gerichtshof "Rechenschaft über die ausgegebenen Gelder" ablegen, die, so Zabatta, keinen Zweck erfüllten.
Albanien-Projekt: Teuer und leer
Über die Kosten beschwert sich die Opposition schon lange: Hunderte Millionen Euro soll das Albanien-Projekt in den ersten Jahren kosten. Und das für Lager, die seit ihrer Eröffnung weitgehend leer stehen.
Die Vorsitzende der sozialdemokratischen PD, Elly Schlein, hatte Meloni schon vor dem EuGH-Urteil zur Entschuldigung aufgefordert.
Menschenrechtsorganisationen begrüßten den Richterspruch: Schließlich hatten sie immer wieder kritisiert, dass Geflüchtete in Albanien in ein abgeriegeltes Lager kommen, ohne angemessene Kommunikationsmöglichkeiten.
Diese mögliche Einschränkung von Rechten beklagte auch Valeria Carlini vom italienischen Flüchtlingsrat. Sie wies darauf hin, dass Albanien nicht zur EU gehört und deshalb " in keiner Weise die auf europäischer Ebene geltenden Rechtsstandards einhalten" könne. Wenn Italien aber Personen dort in Gewahrsam nehme und so tue, als würde dieses Gebiet zu Italien gehören, "dann tun wir etwas, das nicht so einfach gemacht werden darf".
Meloni greift das Gericht an
Von der italienischen Regierung, die sich das Albanien-Projekt ausgedacht hatte, kamen nach dem Urteil nur schriftliche Statements. Regierungschefin Meloni, die immer betont hatte, dass die Lager in Albanien funktionieren werden, zeigte sich überrascht.
Die Ministerpräsidentin sprach dem EuGH gleich die Kompetenz ab: Die Justiz beanspruche "erneut" Zuständigkeiten, "die ihr nicht zustehen, während die Verantwortung eigentlich bei der Politik liegt".
Meloni kündigte an, sie werde weiter nach Lösungen suchen, und verwies auf das Migrations- und Asylpaket der Europäischen Kommission. Das könnte schon nächstes Jahr neue Regeln bringen und einen Teil des heutigen Urteils irrelevant machen.
Ein Signal auch an andere EU-Staaten
Bis dahin sind die Hürden, ein Land zu einem sicheren Herkunftsstaat zu erklären, allerdings auf jeden Fall gestiegen. Das Modell mit den albanischen Lagern funktioniert also nicht wie geplant. Dabei hatten viele Politikerinnen und Politiker in Europa wohlwollend verfolgt, was Italien versuchte.
Erst im Mai sprach Bundeskanzler Friedrich Merz von einer guten Initiative, "die wir auch aus Deutschland unterstützen".
Dafür hat Politikerin Zabatta von der Grün-linken Allianz angesichts der hohen Kosten des Projekts kaum Verständnis. Sie wunderte sich, dass man bereit sein könnte, für solche Vorhaben Geld auszugeben, anstatt es in "wichtigere Dinge für die Bevölkerung" zu stecken - etwa das Gesundheitswesen, Schulen oder Forschung. Das sei für ihre Partei "absolut nicht interessant".
Ob Italien die Lager weiter nutzen will, das blieb an diesem Tag noch offen.
Andreas Strobel, ARD Rom, tagesschau, 01.08.2025 17:44 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke