Die Suche nach der verunglückten Ex-Biathletin Laura Dahlmeier läuft unter schwierigen Umständen. Der Laila Peak ist extrem steil, berichtet der erfahrene Bergsteiger Stefan Nestler. Aber auch ein politischer Konflikt beeinträchtige Rettungsaktionen.
tagesschau24: Mit welchen Gefühlen schauen Sie auf das Geschehen am Laila Peak - auf das Unglück und auf die Bergungsversuche?
Stefan Nestler: Mit sehr gemischten und besorgten Gefühlen, denn die Gegend ist sehr anspruchsvoll. Der Berg ist extrem steil. Dementsprechend gestaltet sich auch eine Rettungsaktion sehr schwierig. Und man darf nicht vergessen: Das Management von Laura Dahlmeier hat gesagt, sie sei mindestens schwerstverletzt. Sie musste inzwischen zwei Nächte bei Temperaturen unter null Grad in einer Höhe von 5.700 Metern überstehen. Das sind alles keine guten Voraussetzungen, und deshalb kann man nur die Daumen drücken, beten, dass sie noch lebt.
Berg "von allen Seiten extrem steil"
tagesschau24: Sie kennen solche Bergregionen. Können Sie beschreiben, wie steil die Region ist, wie man die überhaupt erklettern kann? Mit welchem Equipment war Dahlmeier höchstwahrscheinlich unterwegs?
Nestler: Laura Dahlmeier war im alpinen Stil unterwegs, das heißt, sie war mit einer Seilpartnerin an diesem Berg. Sie haben nur Seile und Haken und Rucksack mitgehabt und wollten keine festen Hochlager oder eine organisierte Expedition haben. Sondern sie wollten in einem Zug, mit einer Übernachtung, vielleicht mit einem Biwak in der Wand, auf diesen rund 6.000 Meter hohen Gipfel steigen.
Man muss sich diesen Berg wie einen Haifischzahn vorstellen. Er ist an allen Seiten extrem steil, mit einer Neigung von mindestens 45 bis 55 Prozent. Insofern ist es schwierig, jemanden von dieser Wand zu retten, und ich gehe davon aus, dass sie dort noch ist.

"Die Berge verändern sich radikal"
tagesschau24: Welchen Umfang kann denn ein Steinschlag, von dem offenbar auch Laura Dahlmeier betroffen war, in dieser Region haben - und wie gefährlich sind sie?
Nestler: Wenn man von einem faustgroßen Stein am Kopf getroffen wird, ist man in der Regel tot. Und in diesem Jahr gab es sehr viele Berichte von Expeditionen, die in der pakistanischen Region mit ihren fünf Achttausendern unterwegs waren, die von extrem trockenen Verhältnissen gesprochen haben, von ungewöhnlich hohen Temperaturen und damit auch von einer erhöhten Steinschlaggefahr. Das hat man so in den früheren Jahren nicht erlebt.
Aber durch den Klimawandel entstehen solche Situationen immer häufiger, und die Berge verändern sich radikal. Ich bin vor 20 Jahren am Laila Peak vorbei getreckt, und da war er auf der einen Seite schneebedeckt. Damals fuhren dort sogar noch Extrem-Skifahrer. Ich habe jetzt ein Foto eines deutschen Bergsteigers von vor einer Woche gesehen. Es zeigt, dass diese Schneedecke mittlerweile fast komplett weg ist und es nur noch leichte Firnreste gibt. Und durch die mangelnde Schneeauflage werden die Berge gefährlicher.
Was die Rettungsaktion erschwert
tagesschau24: Wie muss man sich eine Bergung von einer Person, die offensichtlich nicht mehr bei Bewusstsein ist, vorstellen?
Nestler: Eine schwerstverletzte Laura Dahlmeier auf 5.700 Metern, sollte sie noch in der Wand sein, könnte theoretisch mit einem Hubschrauber an der langen Leine aus dieser Wand herausgeholt werden. Aber das ist in Pakistan schlichtweg nicht möglich, weil aufgrund des Konflikts mit Indien nur das pakistanische Militär mit dem Hubschrauber fliegen darf. Wenn in den vergangenen Jahren Bergunfälle passierten, hat das pakistanische Militär immer gesagt, bringt den oder die Verunglückte erst einmal ins Basislager runter und von dort können wir sie oder ihn dann mit dem Hubschrauber ausfliegen.
Es müsste also jemand jetzt bis auf 5.700 Meter aufsteigen, Laura Dahlmeier dann talwärts bringen bis auf eine Höhe, wo dann auch der Hubschrauber landen kann. Die politische Situation im Norden Pakistans macht die Bergungsaktion extrem kompliziert.
tagesschau24: Laura Dahlmeier liegt seit inzwischen zwei Tagen schwerstverletzt an diesem entlegenen Ort, an dem nachts Minusgrade herrschen. Worauf müssen wir uns einstellen?
Nestler: Ich beteilige mich ungern an Spekulationen und sage, dass man immer Hoffnung haben muss. Und solange es nur noch einen Funken Hoffnung gibt, sollte man den aufrechterhalten. Laura Dahlmeier ist eine exzellente Bergsteigerin geworden. Sie ist eine ausgebildete Bergführerin. Das heißt, sie ist auch geschult, mit solchen Notsituationen umzugehen. Und deshalb habe ich immer noch zumindest einen Restfunken Hoffnung. Aber es ist natürlich ganz klar: Je mehr Zeit verstreicht, desto geringer wird die Chance, sie lebend von diesem Berg herunterzuholen.
Das Gespräch führte Ralph Baudach, tagesschau24. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung angepasst.
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