In der kambodschanisch-thailändischen Grenzregion sind Zehntausende Menschen auf der Flucht. Beide Staaten appellieren an die nationale Einheit. Wird aus den Kämpfen ein Krieg?

Schwere Waffen, Artillerie, eingesetzt offenbar von beiden Seiten: Seit Donnerstagmorgen wird im Grenzgebiet zwischen Kambodscha und Thailand gekämpft - auch heute wieder. Ein Ende des Konfliktes ist nicht absehbar.

Kambodscha fordert eine sofortige Feuerpause und hat dies während einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York bekräftigt. Kambodscha wolle eine friedliche Lösung des Konfliktes, so der kambodschanische UN-Botschafter. Thailand lehnt dies zu diesem Zeitpunkt jedoch ab, mit Verweis vor allem darauf, dass Kambodscha immer wieder Wohngebiete in der thailändischen Provinz Surin angreife.

130.000 Menschen wurden inzwischen von dort evakuiert. Laut Nikorndej Balankura, Sprecher des thailändischen Außenministeriums, ist es zu früh, zu sagen, wann der Konflikt endet. "Wir wollen das unbedingt, eine Waffenruhe ist der Wunsch der thailändischen Regierung. Aber es ist jetzt Sache der Kambodschaner", sagt Balankura. "Die inhumanen Angriffe auf Zivilisten bedeuten einen Bruch mit allen internationalen Prinzipien."

Alter Streit um den Grenzverlauf

Der 63-jährige Kummoon Sriprahom lebt in der Provinz Surin. Er sitzt im Gespräch mit einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters nachdenklich vor seinem Haus. "Ich möchte diesen Krieg nicht. Ich möchte keine Kämpfe, aber das entscheiden die Regierungen. Und deren Interessen haben diesen Konflikt ausgelöst", sagt er. Die Interessen seien "wohl berechtigt" - und es gehe nicht nur um die Grenze.

Also rufen beide Seiten zur Geschlossenheit auf. Das nationale Interesse habe Vorrang, meint etwa Thailands geschäftsführender Premier Phumtham Wechayachai: "Wir brauchen zu diesem Zeitpunkt die nationale Einheit. Was gerade passiert, ist eine Art Invasion, die das Leben unserer Menschen gefährdet. Dieser Konflikt kann weiter eskalieren und sich zu einem richtigen Krieg ausweiten. Wir werden unsere Souveränität verteidigen."

In der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh wird währenddessen Blut gespendet. Zu Gast ist auch der kambodschanische Vizepremier Hun Many. Die Bereitschaft, Blut zu spenden zeige, wie entschlossen die Menschen in Kambodscha seien, sagt der Politiker. "Es zeigt unsere Stärke auf der Basis nationaler Einheit. Unsere Armee steht jetzt an vorderster Front." Appelle an das Nationalbewusstsein auf beiden Seiten zeigen: Es geht vor allem um Nationalismen.

"2011 war es nicht so schlimm"

Der Streit um den Grenzverlauf, der sich an einer Karte von 1907 orientiert - aus der Kolonialzeit -, hat hohen Symbolcharakter. Es ist ein Streit, der gerade deswegen gelöst werden muss, sagt Politik-Experte Thanapat Chatinakrob von der Thammasat-Universität in Bangkok. "Das ist ein langes Spiel, das nicht heute oder morgen endet." Der Grenzkonflikt könne nur in Ruhe und mit viel Zeit gelöst werden.

"Wir müssen zu einer politischen Lösung kommen, zurückkehren zu der Grenzkommission, die im Jahr 2000 gegründet wurde", sagt der Politik-Experte. Die war bisher allerdings erfolglos. Gekämpft wurde an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha bereits häufiger, etwa 2011. Es ging damals um den zum Weltkulturerbe erklärten Prear-Vihear-Tempel.

Lukkana Namprakhon ist zuletzt mit ihrer Tochter aus der Provinz Surin geflüchtet und kann sich auch an damals erinnern. "Es ist diesmal anders als beim letzten Mal. 2011 war es nicht so schlimm. Dieses Jahr ist es sehr, sehr heftig. Die Explosionen nehmen kein Ende. Man hört sie laufend." Lukkana lebt mit ihrer Tochter derzeit in einem kleinen Camouflage-Zelt in einem Flüchtlingslager. In ihren Heimatort, nur vier Kilometer von der Grenze zu Kambodscha entfernt, will sie möglichst schnell zurückkehren.

Udo Schmidt, ARD Singapur, tagesschau, 26.07.2025 10:51 Uhr

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