Seit Monaten arbeitet die EU an einer Lösung im Zollstreit mit den USA. Am Sonntag trifft Kommissionspräsidentin von der Leyen US-Präsident Trump in Schottland. Ist ein "Deal" dort wahrscheinlich? Und was passiert, wenn er nicht kommt?

Was ist die Ausgangslage?

Im Zollstreit der USA mit der Europäischen Union trifft sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diesen Sonntag mit Donald Trump in Schottland. Der US-Präsident hatte Anfang April einen Zollkonflikt mit Handelspartnern in aller Welt entfacht.

Er kündigte hohe Importaufschläge für die EU und zahlreiche Länder an - senkte diese später aber auf zehn Prozent, um Verhandlungen zu führen. Seitdem verhandelt die EU mit den USA über ein Handelsabkommen.

Warum kommt es jetzt zu einem Treffen?

Trump ist seit Freitagabend für einen mehrtägigen Besuch in Schottland, wo er zwei Golf-Resorts seiner Immobilienfirma besuchen und einen neuen Golf-Parcours einweihen will. Am Montag will er auch den britischen Premier Keir Starmer treffen, zudem ist ein Treffen mit dem schottischen Regierungschef John Swinney geplant.

Kurz vor Trumps Landung erklärte von der Leyen dann, dass auch sie den US-Präsidenten treffen werde. Trump bestätigte das ein paar Stunden später: "Ursula wird hier sein - eine hochangesehene Frau." Er freue sich auf das Treffen. "Das wird gut werden", betonte er. 

Wie stehen die Chancen auf einen "Deal"?

"Wir werden sehen, ob wir einen Deal machen", sagte Trump. Bei "vielleicht 20 verschiedenen Angelegenheiten" gebe es noch Streitpunkte. Die Chancen auf eine Einigung bezifferte er auf eine "gute 50:50-Chance". Falls das gelinge, wäre es "der größte Deal von allen". Vor seinem Aufbruch hatte er sich bereits ähnlich geäußert. "Ich denke, die EU hat ziemlich gute Chancen, eine Einigung zu erzielen", sagte er noch in den USA. 

Dem Treffen am Sonntag waren nach Angaben einer Kommissionssprecherin intensive Verhandlungen "auf technischer und politischer Ebene" vorangegangen. "Die Chefs werden nun Bilanz ziehen und prüfen, inwieweit ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden kann, das für Unternehmen und Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks Stabilität und Vorhersehbarkeit bietet", so die Sprecherin.

Zuletzt hatte es offenbar Fortschritte bei den Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington gegeben. Am Mittwoch hatte Trump die Senkung von angedrohten Zöllen auf die Einfuhr europäischer Produkte in Aussicht gestellt - wenn die EU ihren Markt stärker für die USA öffnet. Bei einem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte Bundeskanzler Friedrich Merz, dass er kurz zuvor über "mögliche Entscheidungen" im Handelskonflikt mit den USA informiert worden sei.

Wie könnte eine Einigung aussehen?

Nach Angaben mehrerer Diplomaten könnten US-Einfuhrzölle in Höhe von 15 Prozent sowie zahlreiche Ausnahmen das Ergebnis der Verhandlungen sein. Wie auf der anderen Seite das EU-Zollniveau aussehen würde, ist bislang unklar.

In deutschen Regierungskreisen hieß es, die EU sitze nicht am längeren Hebel und werde deswegen Zugeständnisse machen müssen. Auch Merz hatte diese Woche bereits eingeräumt, sich auf einen Deal einzustellen, der den USA mehr nützt als Europa. "Zu einem symmetrischen Zollabkommen sind die Amerikaner ganz offensichtlich nicht bereit."

Zuletzt hatte sich Japan diese Woche mit den USA auf Zölle in Höhe von 15 Prozent geeinigt. Allerdings hat Japan auch weitere Zugeständnisse gemacht - und will 550 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten investieren, 100 Flugzeuge von Boeing kaufen und die Rüstungsgeschäfte mit US-Firmen aufstocken.

Unklar ist noch, was die EU den USA zusätzlich anbieten könnte. Ein Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es laufe nicht auf ein Versprechen mit Investitionen in den USA hinaus. An anderer Stelle hieß es, die EU könnte ihre eigenen Zölle reduzieren. Auf amerikanische Autos werden beispielsweise derzeit zehn Prozent erhoben.

Was passiert, wenn die Gespräche scheitern?

Ohne ein Abkommen würden ab dem 1. August Basiszölle in Höhe von 30 Prozent auf EU-Einfuhren in die USA gelten. Das hatte Trump vor rund zwei Wochen angekündigt.

Seit dem 9. April erheben die USA bereits einen Basiszollsatz von zehn Prozent auf EU-Importe, daneben gibt es seit mehreren Monaten Branchenzölle von 25 Prozent auf Autos und Autoteile und seit dem 4. Juni Zölle von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium.

Zum Vergleich: Vor dem Handelskonflikt hatten die USA und EU nach Angaben der Commerzbank gegenseitige Zölle von rund zwei Prozent erhoben. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer schätzt, dass der gewichtete Zollsatz der USA auf die Waren aus der EU inzwischen bei etwa elf Prozent liegt.

Das dürfte massive Auswirkungen auf den transatlantischen Handel haben. Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Volker Treier, sagte: "Ein No-Deal-Szenario, also der vollständige Verzicht auf eine Einigung, wäre für unsere Wirtschaft hochproblematisch." Für deutsche Industrieprodukte wäre die Wettbewerbsfähigkeit im US-Markt kaum zu halten. "In vielen Unternehmen wären dann extreme Umsatzrückgänge oder sogar der Abbau von Arbeitsplätzen kaum vermeidbar."

Wie würde die EU dann antworten?

Die EU rüstet sich für das Szenario einer solchen Eskalation im Handelsstreit mit den USA. Die Kommission bestätigte am Donnerstag, dass die Mitgliedstaaten grünes Licht für die Pläne gegeben haben, im Notfall Gegenzölle auf US-Produkte im Wert von 93 Milliarden Euro erheben zu können. EU-Insider sagten Reuters, bei den angedachten Gegenmaßnahmen würden Zölle von bis zu 30 Prozent greifen - spiegelbildlich zu den angedrohten US-Zöllen.

Ein erstes Paket an Gegenmaßnahmen würde einem EU-Vertreter zufolge ab dem 7. August in Kraft treten - mit Ausnahme von Zöllen auf Sojabohnen und Mandeln, die erst ab dem 1. Dezember erhoben würden. Ein zweites Paket würde in zwei Stufen zünden und zwar zum 7. September und dann 7. Februar. Bisher hat die EU zwar viel über Gegenmaßnahmen gesprochen, aber nichts in Kraft gesetzt.

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