In Polen hat Innenminister Dobrindt den Grenzzaun nach Belarus bestaunt. Doch auch 11.000 Soldaten und Komplett-Überwachung können ihn nicht umstimmen: Die deutschen Grenzkontrollen bleiben - zum Missmut von Polen.
Zwei Pickups des polnischen Grenzschutzes stehen quer auf dem Kolonnenweg. Schwerbewaffnete Soldaten stehen daneben und beobachten die belarusische Seite durch den Grenzzaun. Gut fünf Meter hoch, stacheldrahtbewehrt und mit Kameras gesichert zieht er sich fast 190 Kilometer entlang der polnischen Grenze zu Belarus.
In der Ferne gestikuliert Tomasz Siemoniak, der polnische Innenminister. Er zeigt seinem deutschen Amtskollegen Alexander Dobrindt, was Polen hier gebaut hat. "Wir sind da, wo die Europäische Union beginnt", sagt Siemoniak anschließend auf der Pressekonferenz.
Das habe er seinem deutschen Kollegen vor Augen führen wollen, "in der Überzeugung, dass der Kampf gegen illegale Migration an den Außengrenzen der Europäischen Union stattfinden muss. Genau hier."
An der Außengrenze gilt kein Asylrecht mehr
Polen hat das Asylrecht an der Ostgrenze ausgesetzt. Gerade sei die elektronische Überwachung der kompletten Grenze fertiggestellt worden - am Zaun und auch dort, wo Flüsse und Sümpfe als natürliche Hindernisse Menschen aufhalten, berichtet Siemoniak. 11.000 Soldaten und Grenzschützer seien im Einsatz. Polen habe umgerechnet knapp 612 Millionen Euro investiert.
Denn Belarus schickt weiter Menschen an die Grenze. Hilfsorganisationen berichten, die Geflüchteten würden auch gedrängt, den Grenzzaun und polnische Beamte anzugreifen.
Erst vor wenigen Tagen entgingen Grenzschützer nur knapp einem Molotow-Cocktail. Allein im Juli wurden etwa 1.500 versuchte Grenzübertritte registriert. Sehr beeindruckend findet das alles Alexander Dobrindt. Wiederholt spricht der Bundesinnenminister "ein herzliches Dankeschön" aus für die "enormen Leistungen Polens zum Schutz der Außengrenze der Europäischen Union."
EU soll Polen unterstützen
Deshalb müsse Polen auch Unterstützung bekommen. Am vergangenen Freitag beim Ministertreffen auf der Zugspitze hatte Dobrindt aber noch recht konkret von Geld, Personal und Drohnen auch aus Deutschland gesprochen.
Jetzt ist nur noch die Rede von finanzieller und logistischer Unterstützung durch die EU. Die will auch Tomasz Siemoniak. Seine Einladung an die polnische Ostgrenze hat aber eigentlich ein anderes Ziel: Seit fast zwei Jahren kontrolliert Deutschland die Grenze zu Polen, seit Mai nochmal verschärft. Wirtschaftsvertreter klagen über Gewinneinbußen, Pendler stundenlang im Stau.
Kein Land, so Siemoniak, könne die Migrationskrise auf Kosten eines anderen lösen. Reisefreiheit, die Schengen-Zone, die seit 40 Jahren existiert, sei "einer der größten Werte der Europäischen Union". Sollte Deutschland die Grenzkontrollen innerhalb der EU einstellen und sich stattdessen am Schutz der Außengrenzen beteiligen, dann werde auch Polen nicht mehr kontrollieren.
Deutschland wird weiter kontrollieren
Auch Polens Premierminister Donald Tusk hatte dieses Angebot schon gemacht, als er vor zwei Wochen Kontrollen des Einreiseverkehrs aus Deutschland eingeführt hatte. Aber Dobrindt ist vor allem angereist, um zu loben und zu danken, nicht um die Grenzkontrollen zu Polen zu beenden. An den deutschen Grenzkontrollen will er nichts ändern.
Zwar sei auch sein Ziel ein Schengen-Raum ohne Kontrollen, aber jetzt brauche man "beide Elemente", nationale und europäische Kontrollen. Polen zeige, wie guter Schutz der Außengrenzen aussehen könne. Wenn auch alle anderen Grenzen so geschützt seien, so Dobrindt, dann könne man auch wieder auf Binnengrenzen verzichten.
Rechte Gruppen profitieren von Grenzkontrollen
Derweil nutzt die polnische Rechte die deutschen Grenzkontrollen als Vorlage, um Stimmung zu machen gegen die eigene Regierung, gegen Deutschland und auch die EU. Die oppositionelle PiS-Partei und rechte Gruppen verbreiten Fake-Geschichten von angeblich Tausenden Geflüchteten, die Deutschland gezielt nach Polen bringe. Es ist also die politische Kettenreaktion eingetreten, vor der der polnische Premier Tusk Friedrich Merz bei dessen Antrittsbesuch in Warschau gewarnt hatte.
Das sei "bösartig und schlicht unverantwortlich", sagt Dobrindt in Polen. An den Kontrollen will er trotzdem weiter festhalten.
Martin Adam, Martin Adam, ARD Warschau, tagesschau, 21.07.2025 16:30 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke