Das Haus, in dem wir den 51-jährigen Mohammed im Frühjahr im Westjordanland treffen, ist nicht sein Haus. Damals, erst vor wenigen Tagen aus israelischer Haft entlassen, will er keine Aufmerksamkeit erregen mit dem Besuch einer ausländischen Journalistin. Er schlägt als Treffpunkt deshalb ein etwas abgelegenes Haus vor, in dem Bekannte wohnen.

Mohammed ist ein ehemaliger Parteifunktionär in der Verwaltung des Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas und sass 22 Jahre im Gefängnis. Mit der Hamas hat Mohammed nichts zu tun. Aber dank dem letzten Gaza-Waffenruhe-Abkommen zwischen der Hamas und Israel Anfang Jahr kam er frei, knapp drei Jahre vor Ablauf seiner Strafe.

Frustration über den Westen

Die Frage, warum ihn die Israeli zu 25 Jahren Haft verurteilten, nervt die Männer im Raum sichtlich. Sie geben der westlichen Journalistin zu verstehen, dass sie nichts verstanden hat. «Die Besatzung prägt dein ganzes Wesen, dein Verhalten, deine Weltanschauung.»

Ein Mensch, der unter Besatzung aufwachse, reagiere ganz anders als einer, der in Freiheit lebe, so Mohammed.

Seine Frustration über den Westen, die vermeintlich freie Welt, wie er sagt, kann Mohammed kaum verbergen. In diesem Moment steht die westliche Journalistin für alles, was sein Leben zerstört hat. «Ihr redet ständig von Freiheit, Moral und Demokratie: Es ist Zeit, dass ihr diese Werte auch anderen Völkern zugesteht. Wir Palästinenser sind wie jedes andere Volk. Wir wollen ein Land und dieselben Rechte wie ihr. Aber ihr verbietet uns solche Forderungen. Weil Israel über dem Gesetz steht. Das ist Doppelmoral.»

«Menschen unter Besatzung dürfen sich wehren»

Mohammed verweist auf den rasanten Ausbau der israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland, auf die willkürliche, zunehmend tödliche Siedlergewalt gegen die schutzlose palästinensische Bevölkerung.

Legende: Israelischer Stacheldraht in Sinjil bei Ramallah. Keystone / Leo Correa

Beides gemäss Völkerrecht illegal. Und trotzdem belange kein westlicher Staat Israel dafür. «Diese Gesetze habt ihr gemacht, nicht wir! Und gemäss Völkerrecht dürfen sich Menschen wehren, welche unter Besatzung leben», sagt der einstige palästinensische Politiker und freigelassene Häftling.

Auf die Frage, ob er auch den Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 als legitimen Widerstand bezeichnen würde, antwortet Mohammed folgendermassen: «Ich bin nicht Hamas, sondern bei der Fatah-Partei des Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas, der im Gegensatz zur Hamas für einen gewaltfreien Widerstand plädiert.»

Mehr Hoffnung und eine Zukunftsperspektive für die Palästinenserinnen und Palästinenser habe dieser damit jedoch nicht geschaffen.

Mohammed will bleiben

«Nicht nur im Gazastreifen, sondern weit weg, im Westjordanland, schlachtet Israel Menschen in den Flüchtlingslagern von Jenin, Tulkarem und Nur Shams ab. Was soll die palästinensische Bevölkerung tun? Ihr Land verlassen und auswandern?»

Genau das wollten die rechtsradikalen Politiker in Premier Netanjahus Regierung. Aber die Palästinenserinnen und Palästinenser wollten ihr Land nicht aufgeben, sagt Mohammed. Und laut internationalem Recht könne man sie auch nicht dazu zwingen, selbst, wenn es dort kaum Hoffnung auf eine friedliche Zukunft gebe.

Die internationale Gemeinschaft müsse endlich Ernst machen und ihr Völkerrecht auf alle anwenden: um wieder Hoffnung zu schaffen – auf beiden Seiten dieses blutigen Konflikts.

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