Nach dem Angriff auf einen Mann in Spanien hatten Rechtsextreme zur Jagd auf Migranten aufgerufen, es folgten mehrere Krawallnächte. Wer steckt hinter dem Aufruf? Ändert sich das gesellschaftliche Klima im liberalen Spanien?
Auf seiner Auslandsreise nach Mauretanien bemühte sich Regierungschef Pedro Sánchez nach Kräften, sein Land als migrationsfreundlich zu präsentieren: Spanien sei lange ein Auswandererland gewesen, betonte er. "Und heute verdanken wir viel von unserem Wohlstand und der guten wirtschaftlichen Lage den Menschen, die zu uns kommen."
Einwanderung als Wirtschaftsfaktor: Bis vor kurzem war sich darüber nicht nur die spanische Linkskoalition einig, auch die konservative Volkspartei stimmte dem - mit Einschränkungen - zu. Doch dieser Konsens bröckelt.
Opposition fordert harte Maßnahmen
Fünf Tage nach den rassistischen Unruhen in Torre Pacheco fordert Oppositionschef Alberto Nunez Feijóo der konservativen Partido Popular eine harte Hand in Sachen Migration: "Für uns ist klar: Hierher kommt man zum Arbeiten und um sich in die spanische Gesellschaft einzufügen. Wer das nicht tut, den können wir nicht akzeptieren." Irreguläre Migranten, die straffällig werden, müssten unverzüglich abgeschoben werden, erklärte Feijóo.
Politische Beobachter sehen in dem Schwenk in Sachen Migration ein Zugeständnis an ultrarechte Partei Vox. Sie ist die drittstärkste Kraft im spanischen Parlament und hatte sich schon vor den Krawallen für die Deportation von Millionen Migranten ausgesprochen.

Rechtsextreme waren - meist maskiert - durch die Straßen der 40.000-Einwohner-Stadt gezogen, um gezielt Jagd auf Menschen zu machen, die sie für Nordafrikaner halten. Es sollen nordafrikanische Jugendliche gewesen sein, die zuvor einen Mann in Torre Pacheco angegriffen haben.
Keine rote Linie zu Rechtsextremen
So weit gehen Spaniens Konservative zwar nicht - aber die Partido Popular (PP) übernehme immer stärker Argumentationsmuster von rechts außen, sagt Miquel Ramos, Experte für Rechtsextremismus. "Im Gegensatz zu anderen konservativen oder liberalen europäischen Parteien hat die Partido Popular nie eine rote Linie zwischen sich und den Rechtsextremen gezogen."
Sie übernehme derzeit von Vox eins zu eins die Gleichsetzung von Migration und Kriminalität sowie Unsicherheit. "Das ist ein Problem, weil sie sich die PP dadurch immer mehr von der gesellschaftlichen Mitte entfernt, die sich eigentlich für sich beansprucht."
Das trägt dem Forscher zufolge dazu bei, dass sich auch gesellschaftlich die Diskurse verschieben - immer weiter nach rechts und befeuert von den sozialen Medien.
Aggressive Gruppierung rief zu Hetzjagd auf
Aufgerufen zu der Hetzjagd auf Migranten aus dem Maghreb hatte eine Gruppierung namens "Deport them now EU". Sie agitiert in sozialen Netzwerken, in einem extrem aggressiven Ton. Auf Telegram habe sie zum Beispiel dazu aufgerufen, den spanischen Regierungschef zu erhängen und muslimische Menschen zu vergasen, so Ramos.
Als mutmaßlicher Koordinator der Gruppe gilt ein 29-jähriger Mann aus dem katalanischen Mataró. Er war auch auf Demonstrationen der rechtsextremen Vox zu sehen und soll vor wenigen Wochen an einem internationalen Treffen identitärer und rechtsextremer Gruppen in Mailand teilgenommen haben. Die Polizei hat den Mann bereits am Montag verhaftet, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines möglichen Hassdeliktes.
Propaganda erreicht Menschen in ganz Europa
Wer noch zu der Gruppe gehört, weiß man nicht - aber es sei auch nicht relevant, sagt Ramos: "'Deport them now' ist eine Art europäisches Netzwerk." Es sei unklar, wie viele Mitglieder die einzelnen nationalen Zusammenschlüsse haben, es könnten auch ein bis zwei pro Gruppe sein. "Sie sind nicht gefährlich, weil sie viele sind, sondern weil sie mit ihrer Propaganda viele erreichen", betont der Forscher.
Diese Propaganda verbreitet sich rasend schnell - und oft ohne, dass eingegriffen wird. Laut dem spanischen Observatorium für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben Plattformen wie Telegram, YouTube, Instagram und Co. im vergangenen Monat nur acht Prozent der 54.000 gemeldeten Hassbotschaften gelöscht - und nur zwei Prozent in weniger als 24 Stunden.
In Torre Pacheco verging zwischen dem Hetzaufruf und den rassistischen Krawallen weniger als ein Tag. Die spanische Regierung hat die Betreiber der großen Plattformen zu einem Gespräch geben, um Hassbotschaften künftig schneller zu löschen.
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