Frankreich und Großbritannien wollen die Flucht über den Ärmelkanal eindämmen - durch eine Art Tauschsystem. Details sind offen, doch Experten bezweifeln schon jetzt die Erfolgsaussichten.

Eine politische Einigung als Krönung dieses prunkvollen Staatsbesuchs: So wollten es der französische Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Keir Starmer den Medien verkaufen. Ja, es ist ein Fortschritt zu dem, was beide Länder bislang vereinbart hatten, um die Migration über den Ärmelkanal einzuschränken. Aber weil bisherige Maßnahmen weit hinter den Erwartungen zurückblieben, ist die Messlatte für einen Erfolg auch nicht sonderlich hoch.

Zum ersten Mal überhaupt würden Migrantinnen und Migranten, die in Schlauchbooten in England ankommen, festgenommen und zurück nach Frankreich gebracht werden, kündigte der britische Premier bei der Pressekonferenz mit Macron an. Im Austausch wird für jede nach Frankreich gebrachte Person eine andere nach Großbritannien kommen können. Die Idee dahinter: So sollen Flüchtlinge abgeschreckt werden. Das Modell der Schlepperbanden werde so untergraben, sagte Macron.

Etwa 20.000 Flüchtlinge seit Jahresbeginn

Dieser Mechanismus soll im Rahmen eines Pilotprojekts aufgesetzt werden, eine Testphase also. Wie viele Migranten genau Großbritannien wieder zurückschicken darf, ließen Starmer und Macron jedoch offen. In Medienberichten hieß es, es sollten um die 50 pro Woche sein. Was nicht viel wäre. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres kamen etwa 20.000 Flüchtlinge in Booten über den Ärmelkanal.

Experten sind zurückhaltend, ob die vereinbarten Maßnahmen wirklich Menschen davon abhalten, die Überfahrt anzutreten. Madeleine Sumption ist Direktorin des Instituts Migration Observatory an der Universität Oxford. In der BBC sagte sie, wenn nur ein kleiner Anteil der Geflüchteten zurückgeschickt werde, bestehe die Möglichkeit, dass
Flüchtende die Möglichkeit, zurückgeschickt zu werden, schlicht als eine weitere Gefahr einer ohnehin gefährlichen Reise betrachteten.

"Flucht auf Adrenalin"

Darauf deutet auch hin, was Flüchtlinge sagen. In den Räumlichkeiten der Hilfsorganisation KRAN (Kent Refugee Action Network) bei Canterbury haben wir Rishan getroffen. Sie ist vor zehn Jahren aus Eritrea nach Großbritannien geflohen. Damals war sie 17 Jahre alt. Sie hat hier bei KRAN Englisch gelernt und unterstützt die Organisation heute. Rishan spricht offen über ihre Flucht und die Motivation, nach England zu kommen:

Rishan fuhr mit dem Schiff von Libyen nach Italien. Die Schleuser versprachen, dass die Überfahrt in einem "großen sicheren Schiff" erfolgen würde - was nicht stimmte. In Frankreich sei sie von Polizisten gejagt worden, hätte Angst gehabt. Es sei eine Flucht auf Adrenalin gewesen. Sie habe keine Auswahl getroffen, wo sie hinwolle, sondern sie sei einfach anderen gefolgt - so lange, bis sie sich eben sicher gefühlt habe. Das war dann in England. Dort wurde die Minderjährige in einer Pflegefamilie untergebracht. Freunde von ihr seien in Deutschland gelandet und in den Niederlanden.

Vorteile für Geflüchtete in Großbritannien?

Migrationsforscher weisen darauf hin, dass es durchaus Gründe gibt, in ein bestimmtes Land zu fliehen. Beispielsweise die Sprache oder wenn Familienmitglieder bereits dort sind. Die französische Seite wirft der britischen Regierung vor, dass Flüchtlinge in England gut untertauchen könnten. Es gibt keine Meldepflicht in Großbritannien. Angeführt wird auch immer wieder, dass es einfach sei, in Großbritannien illegal zu arbeiten. Doch belastbare Zahlen dazu gibt es nicht.

Im Visier der Fahnder in London sind derzeit Fahrer von Lieferdiensten. Es gibt Kontrollen. Die Regierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass Strafen für Unternehmen vorsieht, die nicht ausreichend gegen Schwarzarbeit vorgehen. Der Fall von Rishan zeigt jedoch, dass Flüchtlinge eben auch durchaus ungeplant in ein bestimmtes Land gelangen können.

Rishan ärgert sich darüber, dass es keine sicheren Fluchtrouten gibt. Diese würden die gefährliche Überfahrt überflüssig machen. 2024 starben 82 Menschen beim Versuch, über den Ärmelkanal zu fliehen. Außerdem hat sie den Eindruck, dass bei allen Problemen im Land die Flüchtlinge als Schuldige ausgemacht werden. Wenn die Wartelisten beim britischen Gesundheitsdienst NHS zu lang seien, würden die Flüchtlinge als Ursache genannt. Dabei ist sie bald fertig mit ihrer Ausbildung zur Krankenschwester. Sie arbeitet für den NHS.

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