Inhalt des Artikels:
- Die Slowakei im Ausnahmezustand – wegen der Bären
- Der Gegenentwurf: Müll sichern statt Tiere töten
- Populismus statt Prävention?
- "Köpfchen statt Kugeln"
Ein niedergetrampelter Gartenzaun. Zerstörte Bienenstöcke. Und mittendrin ein Team in Uniform – die Beamten des Bären-Interventionsteams auf Spurensuche auf einem Hof in der Mittelslowakei. Hier, aber vor allem im Osten der Slowakei, sind Begegnungen mit Braunbären längst keine Seltenheit mehr. An einem Frühsommertag wird das Interventionsteam um Marian Chabada gerufen, nachdem ein Bär in einem Garten gewütet hat. "Das sind Fotos von heute früh", zeigt Chabada. "Der Bär ist einfach durch den Zaun gebrochen."

Solche Zwischenfälle nehmen zu – und damit die Sorge. Im vergangenen Jahr wurden laut der slowakischen Naturschutzbehörde zwei Menschen von Bären getötet, 16 weitere verletzt. In diesem Jahr gibt es bereits ein weiteres Todesopfer. Die Behörde sieht nur einen Weg, um zu verhindern, dass mehr Menschen von Bären verletzt oder getötet und Sachschäden angerichtet werden: Regulierung durch Abschuss.
Die Slowakei im Ausnahmezustand – wegen der Bären
Geschätzt 1.200 Braunbären leben in der Slowakei in freier Wildbahn. Bislang waren sie streng geschützt. Doch im Frühjahr hat die Regierung den Abschuss von 350 Tieren beschlossen – mehr als ein Viertel der Population. Die Bärenpopulation sei durch eine Reduktion um 350 Tiere nicht gefährdet, der Bestand werde nur auf ein gesundes Maß zurückgeführt, sagt Filip Kuffa, Staatssekretär im Umweltministerium. "Wenn Sie Mäuse im Haus haben, die ihnen alles kaputt machen – was tun Sie dann? Sie fangen die Mäuse. Nicht notwendigerweise alle, aber nach einer Zeit gehen die Schäden zurück."
55 Bezirke in der Slowakei stehen im "Bären-Notstand". Für viele ist der Fall klar, so auch für die Landwirtin Marta: "Natürlich muss man schießen – was denn sonst?!" Auch Peter Žakarovský kennt die Angst. Er wurde vor zwei Jahren beim Wandern in der Tatra von einem Bären angefallen und schwer verletzt. Seitdem meidet er den Wald. Sein Urteil: "Es gibt einfach zu viele Bären."

Der Gegenentwurf: Müll sichern statt Tiere töten
Doch es gibt auch andere Stimmen. Michal Haring war selbst Teil eines Interventionsteams – kündigte aber aus Protest gegen die neue Bärenpolitik. Er fordert Prävention statt Massenabschüssen. "Warum sollen die Bären im Wald mühsam nach Futter suchen, wenn wir ihnen ein bequemes Müll-Buffett anbieten," fragt Haring. "Wir haben gesehen, dass leicht zugängliche Müllcontainer das Verhalten der Bären stark beeinflussen."

In der Tatra sei man deshalb dazu übergegangen, Müllcontainer verschließbar und so für die Bären unzugänglich zu machen. Nach Einführung der gesicherten Tonnen ging die Zahl der Zwischenfälle um über 90 Prozent zurück. Im Umweltministerium lässt man diese Argumente jedoch nicht gelten. Von dort heißt es, Päventionsprogramme seien unwirksam.
Warum sollen die Bären im Wald mühsam nach Futter suchen, wenn wir ihnen ein bequemes Müll-Buffett anbieten?
Im Zoo von Košice, der zentralen Stadt in der Ostslowakei, testet Haring mit Tierpflegerin Kristýna Turková, ob neue Müllcontainer auch bärensicher sind. Schokolade und Honig werden darin eingeschlossen und dienen als Köder. Wenn die Tiere es auch nach anderthalb Stunden nicht geschafft haben, den Container zu knacken, ist das neue Modell reif für den Versuch in freier Wildbahn. Sie werden dann in Wälder gestellt, wo Bären leben, um sie auch dort zu testen.
Populismus statt Prävention?
Kritiker werfen der Regierung vor, das Thema zu instrumentalisieren. "Populistische Politiker nutzen die Angst", so Haring. "Noch nie in den letzten 100 Jahren wurden so viele Bären abgeschossen wie im letzten Jahr. Und es hat gar nicht geholfen." Auch Pflegerin Turková findet klare Worte: "Wenn ein Bär meine Kinder bedroht, würde ich es vielleicht auch anders sehen. Aber 350 Tiere in der Paarungszeit zu töten – das ist nicht gerechtfertigt."

"Köpfchen statt Kugeln"
Manchmal, wenn Marian Chabadas Bären-Interventionsteam in die Dörfer gerufen wird, bleiben die gesichteten Bären in weiter Ferne. Dann bleibt auch das Gewehr im Kofferraum. "Mein Wunsch ist, dass die Bären leben dürfen", sagt Chabada. "Aber in den Bergen, wo sie hinghören. Nicht am Dorfrand." So enden manche Einsatztage ohne Schuss – aber auch ohne Lösung.
Die Slowakei steht vor einer Grundsatzfrage: Wie umgehen mit einem Tier, das Symbol für Wildnis und Bedrohung zugleich ist? Die Fronten sind verhärtet, die Ängste real – aber Lösungen gäbe es. "Mit Köpfchen statt Kugeln", wenn es nach dem Bärenexperten Haring geht.
Was tun, wenn ich in der Natur auf einen Bären treffe? (bitte aufklappen)
- Bleiben Sie in einigem Abstand stehen und machen Sie den Bären durch ruhiges Sprechen und langsame Armbewegungen auf sich aufmerksam.
- Rennen Sie nicht weg und nähern Sie sich dem Tier nicht.
- Stellen Sie ihm auf keinen Fall nach, sondern lassen Sie ihn in Ruhe. Das Tier könnte sich bedrängt fühlen und sich ggf. verteidigen.
- Versuchen Sie nicht, den Bären zu verscheuchen. Werfen Sie keine Äste oder Steine nach ihm.
- Wenn ein Bär sich aufrichtet, ist das keine Drohgebärde, sondern Neugier. Auch hier gilt: Bleiben Sie stehen und machen Sie durch ruhiges Sprechen auf sich aufmerksam.
- Behalten Sie den Bären im Auge und treten Sie langsam und kontrolliert den Rückzug an. Lassen Sie dem Bären in jedem Fall eine Ausweichmöglichkeit.
- Angriffe auf Menschen sind äußerst selten.
- (Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt)
Was tun, wenn ein Bär angreift? (bitte aufklappen):
- Legen Sie sich bäuchlings flach auf den Boden oder kauern Sie sich auf den Boden, die Hände im Nacken. Wenn vorhanden, schützt so Ihr Rucksack den Rücken.
- Der Bär wird in der Regel von Ihnen ablassen oder Sie nur beschnuppern. Verharren Sie in Ihrer Position und warten Sie ab, bis sich der Bär weit genug entfernt hat.
- (Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt)
MDR (usc)
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