Inhalt des Artikels:
- Die "schlesische Sissi": Fürstin Daisy von Pless-Hochberg
- Umbau, Besetzung, Plünderung: Schloss Fürstenstein im Zweiten Weltkrieg
- Trotz Hype: "Gold-Zug" der Nazis bis heute verschollen
- Fürstin Daisys Glanz zurück auf Schloss Fürstenstein
"In Niederschlesien sind wir die touristische Attraktion Nummer Eins“, sagt Pressesprecher Mateusz Mykytyszyn. "Mit mehr als einer halben Million Besuchern jährlich spielen wir in Polen in derselben Liga wie das Krakauer Königsschloss Wawel und die Marienburg", fügt er hinzu. Dass die Anlage unter den Touristen so beliebt ist, wundert Mykytyszyn nicht im Geringsten: "In Fürstenstein begegnen sich Kultur, Architektur und Kunst mit der schönen Natur, die das Schloss umgibt. Das macht uns zu einem einzigartigen Ort".

Die "schlesische Sissi": Fürstin Daisy von Pless-Hochberg
Zur Faszination trägt die Figur der legendären Fürstin Daisy bei, die in Polen zu einer Ikone der Pop-Kultur wurde. Offiziell hieß die gebürtige Engländerin, die als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit galt, Mary Theresa Olivia Fürstin von Pless, Gräfin von Hochberg. "Sie ist unsere schlesische Sissi", sagt Mykytyszyn. "Eine sehr wichtige Persönlichkeit, die ihrer Epoche voraus war. Eine Wohltäterin und Pazifistin. Sie sprach von Frauen- und Behindertenrechten sowie vom Umweltschutz in einer Zeit, in der das überhaupt keine Themen waren", betont er.
Ihr zuliebe ließ ihr Ehemann Fürst Hans Heinrich XV. das Schloss zu Beginn des 20. Jahrhunderts prunkvoll umbauen. Obwohl die Hochbergs, die gerne ihre Verwandtschaft mit der polnischen Herrscherdynastie der Piasten betonten, vor dem Ersten Weltkrieg zu den reichsten Familien Preußens gehörten, waren die Umbaukosten so hoch, dass sie wesentlich zum Bankrott der Familie in der Zwischenkriegszeit beitrugen. Spannende Einblicke in das Leben der fürstlichen Familie, aber auch ihrer Bediensteten, vermitteln Aufnahmen des fürstlichen Küchenchefs, der ein begeisterter Fotoamateur war. Sie sind in einer Ausstellung am Anfang des Rundgangs ausgestellt.

Umbau, Besetzung, Plünderung: Schloss Fürstenstein im Zweiten Weltkrieg
Dramatische Zeiten brachen für das Schloss im Zweiten Weltkrieg an. Daran kann sich Dorothea Stempowska, geboren 1935 im noch deutschen Fürstenstein, erinnern: "Es sollte hier irgendwas für die Regierung entstehen. Was genau, haben wir damals nicht gewusst. Die haben angefangen, das Schloss umzubauen. Sie wollten einen neuen Stil einführen, haben deswegen Freskomalereien mit Gips überpinselt und statt Rokoko-Dekorationen glatte Wände gemacht. Und danach sind die Russen gekommen und haben mutwillig alles zerstört."
Die Fürstensteinerin ist buchstäblich im Schatten des Schlosses zur Welt gekommen und aufgewachsen. Ihr Vater war Angestellter des Fürsten und kümmerte sich um seine Sattelpferde. Daher stand der Familie eine Dienstwohnung in einem Nebengebäude zur Verfügung. "Es war für mich und für andere Kinder eine märchenhaft schöne Zeit. Die Umgebung, der Park, alles war wunderschön. Die Herrschaften lebten zwar zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr hier, sondern im oberschlesischen Pless, aber alles wurde hier in Schuss gehalten, auch der Park und die Terrassen", erzählt Dorothea Stempowska.

In der Nazizeit sollte die "Organisation Todt", eine Bautruppe des NS-Regimes, Fürstenstein zum Außensitz des Auswärtigen Amtes umbauen. Der sollte auch luxuriöse Wohnungen für Hitler, Göring und Ribbentrop beherbergen, präzisiert Schlosssprecher Mykytyszyn. "Der Staat erzwang den Verkauf des Schlosses, weil die Hochbergs mit 7,5 Millionen Mark gegenüber dem Fiskus verschuldet waren. Um diese Schuld zu tilgen, mussten sie das Schloss an den Staat übertragen", erklärt Mykytyszyn. Davor waren die Hochbergs viereinhalb Jahrhunderte die Herren auf Fürstenstein.
Trotz Hype: "Gold-Zug" der Nazis bis heute verschollen
Der ursprüngliche Plan der Behörden wurde am Ende des Krieges modifiziert, wie Mykytyszyn erläutert: "Im September 1944 begann man 50 Meter unterhalb des Schlosses mit dem Bohren unterirdischer Gänge. Welche Funktion sie haben sollten, weiß man nicht genau. Seit diesem Umbau hat das Schloss fünf oberirdische und sieben unterirdische Stockwerke. Zum Bohren der Tunnel wurden Häftlinge des KZ Groß-Rosen eingesetzt, vor allem ungarische, griechische und polnische Juden. Viele von ihnen verloren hier ihr Leben oder ihre Gesundheit. Seit 2018 gibt es bei uns eine unterirdische Besucherroute, auf der wir auch an diese Opfer des Holocausts erinnern."

Die Nazivergangenheit bescherte Schloss Fürstenstein und der Stadt Waldenburg (Wałbrzych), auf deren Gebiet es sich befindet, auch den größten, weltweiten Medienhype seiner Geschichte. Im Sommer 2015 erklärten ein Pole und ein Deutscher, bei Waldenburg die Stelle entdeckt zu haben, an der die Nazis 1945 ihren "Goldzug" versteckt hätten – beladen mit 300 Tonnen Gold, Kunstwerken und Schmuck. Obwohl die Suche erfolglos blieb, erlebten Stadt und Schloss einen enormen Touristenansturm.
Fürstin Daisys Glanz zurück auf Schloss Fürstenstein
Von direkten Kriegshandlungen blieb das Schloss übrigens verschont, da die Rote Armee diese südschlesische Gegend erst nach der Kapitulation Berlins im Mai 1945 kampflos besetzte. Allerdings wurde die Inneneinrichtung im Anschluss geplündert, teilweise bis auf die nackten Wände. Als das Schloss in den 1970er Jahren nach dem Umbau in der Nazizeit und der Verwüstung durch die Sowjets für Touristen zugänglich gemacht wurde, musste man bei der Einrichtung der Innenräume improvisieren, weil man keine historischen Ansichten hatte. Viele Räume wurden deshalb nicht originalgetreu wiederhergestellt, sondern nur historisierend eingerichtet ohne Bezug zu ihrer tatsächlichen historischen Nutzung.

Alles änderte sich mit der Aufnahme der überaus freundschaftlichen Kontakte mit den Vertretern der Familie von Hochberg in den 1990er Jahren. Nicht nur übergaben sie dem Museum als Dauerleihgabe die aus Kriegswirren geretteten Kunstwerke und Dokumente, sie stellten auch umfangreiches Bildmaterial zur Verfügung. So entstand die Idee, mehreren Sälen ihr ursprüngliches Aussehen aus der Zeit von Fürstin Daisy zu verleihen.

Daran wird seit Jahresanfang gearbeitet. Es ist größte Renovierungsvorhaben seit fünf Jahrzehnten, das aber – wie Mykytyszyn versichert – den touristischen Betrieb kaum beeinträchtigt. Die betroffenen Räumlichkeiten sollen möglichst auch während der Arbeiten für Besucher zugänglich bleiben, komplette Sperrungen sollen eine Ausnahme sein.
"Im Italienischen Salon wird die historische Decke aus florentinischem Holz restauriert, genauso die Kronleuchter aus dem Maximilian-Saal. Überdies haben wir Kopien mehrerer während des Krieges verlorengegangener Großgemälde von Felix Anton Scheffler bestellt. Nach Abschluss der Arbeiten werden insgesamt acht Säle wieder so aussehen, wie in der Blütezeit des Schlosses im frühen 20. Jahrhundert."

MDR (baz)
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