In Armenien hat es zahlreiche Durchsuchungen und Festnahmen gegeben. Die Regierung sagt, sie habe einen mutmaßlichen Staatsstreich verhindert. Die Opposition hingegen nennt den vorliegenden Putschplan eine Fälschung.
Der Staatsstreich in Armenien soll am 21. September stattfinden. Der Plan für die Wochen davor: Provokationen zur Destabilisierung, Demontage der Glaubwürdigkeit von Regierungschef Paschinjan, Aufbau von 200 Gruppen je 25 Mann für die Umsetzung des Putsches.
All das soll detailliert in einem siebenseitigen Papier zum angeblichen Staatsstreich stehen, der gestern von der Regierungspartei "Zivilvertrag" veröffentlicht wurde und nicht unabhängig auf seine Echtheit überprüft werden kann. Die Opposition nennt den Plan eine Fälschung, um Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen.
Der Konflikt zwischen Regierungschef Nikol Paschinjan und der von der Landeskirche unterstützten Opposition verschärfte sich nun: Maskierte Sicherheitskräfte nahmen Erzbischof Bagrat Galstanjan fest. Umringt von Polizisten und Journalisten schimpfte der: "Du, Halunke", - gemeint ist Paschinjan, "hör aufmerksam zu: Egal, was du tust, du hast nur wenig Zeit. Wir werden bald zu dir kommen."
14 Festnahmen laut Behörden
Die Vorwürfe gegen den Erzbischof Galstanjan lauten: Vorbereitung eines Terroranschlags, Versuch der Machtergreifung, Teilnahme an Vorbereitungen zum Umsturz. Insgesamt, so das armenische Ermittlungskomitee, habe es 14 Festnahmen und 90 Durchsuchungen wegen des aufgedeckten mutmaßlichen Staatsstreiches gegeben.
Bereits seit Anfang des Monats sitzt außerdem Samwel Karapetjan in Untersuchungshaft, ein russisch-armenischer Oligarch, der angeblich ebenfalls zur Machtergreifung aufgerufen haben soll.

Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan bemüht sich seit Jahren um gute Beziehungen zu den Armenien bislang feindlich gesinnten Nachbarn Aserbaidschan und Türkei herzustellen.
Verlust von Bergkarabach, Annäherung an die Türkei
Seit 2018 regiert Nikol Paschinjan Armenien. Er versucht seit einigen Jahren und mit einiger Konsequenz, gute Beziehungen zu den bisher mit Armenien verfeindeten Nachbarn Türkei und Aserbaidschan herzustellen. Er akzeptierte, dass Aserbaidschan vor knapp zwei Jahren die jahrzehntelang umstrittene Region Bergkarabach militärisch übernahm. Die mehr als 100.000 Einwohner - ethnische Armenier - mussten fast geschlossen nach Armenien fliehen.
Für einen Friedensvertrag mit dem viel reicheren, hochgerüsteten, autokratisch regierten Nachbarn gab er auch Dörfer im Norden ab - in der Diözese des heute festgenommenen Erzbischofs Galstanjan.
Und selbst zum historischen Erzfeind Türkei reiste Paschinjan vergangene Woche, wo er Staatschef Recep Tayyip Erdoğan traf. Und er scheint sogar bereit, das internationale Bestreben Armeniens einzustellen, das Massaker osmanischer Truppen an Armeniern 1915 als Völkermord anzuerkennen.
Politikwissenschaftler: "Paschinjan gibt ständig nach"
Sind das alles nötige Opfer für Frieden und normale Beziehungen? Auf keinen Fall, sagt der armenische Politikwissenschaftler Arthur Kachikian: "Es ist eher eine andauernde Kapitulation. Paschinjan gibt ständig nach." Was auch immer die Staatschefs von Aserbaidschan und der Türkei wollten - Paschinjan räume das ein. "Er hat Bergkarabach verschenkt, weigerte sich, wenigstens Sicherheitsgarantien für die dort Lebenden zu erhalten. Er hat es einfach weggegeben und uns angelogen."
Paschinjan hat sich nach dem Bekanntwerden der mutmaßlichen Putschpläne noch nicht selbst geäußert. Romanos Petrossjan, ein enger Mitstreiter des Premiers, erklärte dagegen kompromisslos: "Wenn es solche geplanten Vorhaben gegen die Verfassungsordnung oder sogar Staatsstreichversuche gibt, müssen unsere Sicherheitsorgane entschlossen dagegen vorgehen. Mit aller Härte des Gesetzes."
Parlamentswahl im kommenden Jahr
Wie weit kann Armeniens Regierungschef gehen bei seinem Versuch, das Land durch große Opfer in Richtung Frieden mit den mächtigen Nachbarn zu bewegen? Die engagieren sich dabei übrigens weit weniger.
Im nächsten Jahr wird in Armenien ein neues Parlament gewählt. Nach einer aktuellen Meinungsumfrage vertrauen nur noch 15 Prozent der Befragten Regierungschef Paschinjan persönlich. Auch seine Partei "Zivilvertrag" hat brutal an Zustimmung verloren - nur noch 11 Prozent würden sie heute wählen. Das Problem allerdings: Bei den Oppositionsparteien sieht es noch schlimmer aus. Keine Einzige kommt derzeit auf zweistimmige Zustimmungswerte.
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