Bei einem der schwersten Schiffsunglücke in der jüngeren Geschichte Griechenlands ist am 14. Juni 2023 vor der griechischen Küste ein alter Fischkutter mit vermutlich 750 Männern, Frauen und Kindern an Bord gesunken. Die meisten Passagiere befanden sich im Rumpf des Schiffs. 104 Personen überlebten, nur 82 Leichen wurden geborgen. Die Küstenwache ist angeklagt, die Katastrophe ausgelöst zu haben. Ein «Blick zurück» der freien Journalistin Rodothea Seralidou in Athen.

Was wird der Küstenwache vorgeworfen?

Die Küstenwache ist mittlerweile angeklagt, den Fischkutter 87 Kilometer südwestlich von der Hafenstadt Pylos auf hoher See abgeschleppt zu haben, worauf dieser gekentert sei. Vor dem Marinegericht in Piräus stehen 17 Mitarbeitende, darunter der damalige Chef der Küstenwache und weitere hohe Offiziere. Ihnen wird die Verursachung eines Schiffbuchs und die Gefährdung von Menschen mit Todesfolge vorgeworfen. Lange Haftstrafen bis zu lebenslänglich sind möglich. Es ist die erste Anklage gegen Beamte der Küstenwache in so einem Fall. Griechische Menschenrechtsorganisationen haben sich dafür eingesetzt, die Überlebenden des Schiffsunglücks und auch Hinterbliebene der Opfer mit Anwälten vor Gericht zu vertreten.

Wie nahm die Bevölkerung das Bootsdrama auf?

Es ist erstaunlich, wie wenig das Schiffsunglück in der Öffentlichkeit überhaupt ein Thema war und ist. Es verschwand relativ schnell von der griechischen Berichterstattung. Die meisten griechischen Medien übernahmen auch von Anfang an eher unkritisch die Aussagen der griechischen Küstenwache. Etwa, dass die Migrantinnen und Migranten eh nicht hätten gerettet werden können und sie weiter nach Italien hätten fahren wollen. Und dass die Küstenwache das Boot nicht mit einem Seil gezogen und dadurch das Kentern verursacht hatte, wie es Überlebende geschildert haben. Sondern, dass das überladene und marode Schiff von alleine gekentert wäre. Schon in den ersten Tagen nach dem Unglück wurden neun Überlebende festgenommen und als Schlepper angeklagt. Sie sassen fast ein Jahr in Untersuchungshaft und wurden dann im Mai 2024 freigesprochen.

Legende: Überlebende des Schiffsunglücks vor Pylos warten am 16. Juni 2023 im Hafen von Kalamata auf den Bustransport in die Flüchtlingsauffangstelle in Malakasa. KEYSTONE/EPA ANA-MPA/YANNIS KOLESIDIS

Was haben die offiziellen Untersuchungen ergeben?

Eine Untersuchung der griechischen Ombudsbehörde hat ergeben, dass der Küstenwache anscheinend sehr viele Fehler und Versäumnisse unterlaufen sind. Eine interne Untersuchung der Küstenwache hingegen, wie sie in solchen Fällen üblich sein sollte, hat es nicht gegeben. Die Küstenwache, das zuständige Ministerium und auch die griechische Regierung wiesen von Anfang an jegliche Verantwortung für das Schiffsunglück zurück.

Es müsste sich wohl eher die Regierungspolitik ändern, damit sich für die Geflüchteten etwas verbessert.

Ist der Fall eine Chance, dass sich für die Geflüchteten in Griechenland etwas verändert?

Es ist nicht absehbar, ob die Angeklagten verurteilt oder freigesprochen werden. Denn die Küstenwache setzt die griechische Grenzschutzpolitik um. Obwohl das Land seit Jahren jegliche Pushback-Vorwürfe zurückweist, sind sich Menschenrechtsorganisationen einig, dass das Ganze System hat. Es müsste sich wohl eher die Regierungspolitik ändern, damit sich für die Geflüchteten etwas verbessert. Doch ist eher mit einer weiteren Verschärfung zu rechnen. Darauf deutet auch die Wahl des neuen Migrationsministers Makis Voridis (Nea Dimokratia) hin, der ehemals einer extrem rechten und fremdenfeindlichen Partei angehörte.

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