Unerforschte Welt: Der Boden

Wer ein ganzes Universum in seiner Nachbarschaft beobachten will, muss nicht in die Sterne schauen. Unter unseren Füßen wartet es auf Erkundung: Da herrscht ein sternhaufengleiches Gewusel von Einzellern, Käfern, Mikroben, Spinnen und Würmern. Milliarden von Kleinstlebewesen unterschiedlicher Arten und Gattungen können in einem Esslöffel gesundem Boden vorkommen.

In diesem Esslöffel können Lebewesen koexistieren, die in ihrer evolutionären Entwicklung weiter voneinander entfernt sind als wir Menschen von Regenwürmern. Kurzum: Da ist ganz schön was los; aber vieles von dem, was da los ist, haben wir noch nicht verstanden.

Forschungsprojekt: Zensus des Bodenlebens

Da die Böden neben einer gewissen Stabilität für unsere Fortbewegung noch die ein oder andere weitere nützliche Leistung erbringen (Essen, Klimaschutz, Wasserfilter), versucht das Umweltbundesamt in Dessau diese unbekannte Welt besser zu verstehen. Denn der Boden steht durch Klimawandel und Wetterextreme, durch intensive Landnutzung und Schadstoffe unter Druck.

Gemeinsam mit zehn anderen Forschungseinrichtungen startet das UBA im Projekt "BioDive4Soil" einen großen Tauchgang in die Welt des Bodens. Ziel ist es, innerhalb der nächsten sechs Jahre die typische Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften in den Böden Deutschlands zu erforschen, also eine Art Zensus der Bodenbewohner anzulegen.

Dazu werden Bodenforscher die unterschiedlichen Bodentypen und Nutzungsformen (Ackerbau, Wald, Weideflächen) unter die Lupe nehmen. So soll im Zuge des Projekts der gute biologische Bodenzustand definiert werden, um Abweichungen besser erkennen und gegensteuern zu können. Gefördert wird das Projekt aus dem "Aktionsplan Natürlicher Klimaschutz", bei dem naturbasierte Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel finanziert werden.

Studie: Pflanzen wurzeln tiefer als gedacht

Zu den vielen Fragezeichen in Sachen Bodenleben gesellt sich nun ein neues Antwort-Puzzleteil: Forscher der New York University haben entdeckt, das einige Pflanzen ein zweites Wurzelsystem entwickeln, um an die Nährstoffe in tieferen Erdschichten zu gelangen. Das zweite Wurzelwerk reiche mehr als einen Meter in die Tiefe und damit deutlich tiefer als das bisher bekannte Wurzelsystem.

Die Forschenden haben neue Bodenproben aus Erdschichten bis in zwei Meter Tiefe aus den gesamten USA analysiert. Üblicherweise spiele sich Bodenforschung nur in den ersten 30 Zentimter ab Bodenkrume ab. Das erweiterte Wurzelwerk der Pflanzen haben die Biologinnen und Biologen in unterschiedlichen klimatischen Zonen und Ökosystemen gefunden – von der Tundra in Alaska bis zu den Regenwäldern Puerto Ricos. In jedem fünften untersuchten Ökosystem konnten sie die tieferen Wurzelschichten entdecken.

Dabei kommen laut den Forschern die tieferen Wurzelschichten eher in Strauchgebieten als im Grasland vor, also dort, wo sich offene Wiesenflächen eher in verbuschte Ökosysteme gewandelt haben. Die Forschenden haben in den tieferen Erdschichten auch mehr Stickstoff entdeckt – Nährstoffquellen, die schwerer zugänglich sind für die Pflanzen. Die tieferen Wurzeln könnten eine Anpassungsleistung der Pflanzen sein, um ihre Nährstoffversorgung gegen Wetterextreme wie Dürre, Hitze und Starkregen abzusichern, vermuten die Forschenden.

Klimaschutz: Sorgen tiefere Wurzeln für einen stärkeren Abbau von CO2?

Außerdem könnte Kohlenstoff über das tiefere Wurzelwerk weiter in die Erde transportiert werden. Pflanzen bauen im Prozess der Photosynthese Kohlendioxid aus der Atmosphäre ab und Kohlenstoff im Boden auf: Weltweit speichern Böden mehr CO2 als Wälder. Je tiefer ihre Wurzeln reichen, desto besser könnten die Pflanzen Treibhausgase abbauen. Auf der anderen Seite könnten die Wurzeln auch tiefer liegende Bodenmikroben stärker anregen, Nährstoffe zu zersetzen und CO2 zu erzeugen.

"Wissenschaftler und Politiker müssen tiefer unter die Erdoberfläche blicken, da diese übersehenen tiefen Bodenschichten entscheidende Schlüssel für das Verständnis und die Bewirtschaftung von Ökosystemen in einem sich rasch verändernden Klima enthalten können", sagt die Ökologin Mingzhen Lu, Hauptautorin der Studie: "Die gute Nachricht ist, dass Pflanzen den Klimawandel möglicherweise bereits auf natürliche Weise aktiver abmildern, als uns bewusst ist – wir müssen nur noch tiefer graben, um ihr Potenzial vollständig zu verstehen."

Um wirklich zu verstehen, was in der kosmischen Weite unter unseren Füßen passiert, braucht es wahrscheinlich noch das ein oder andere Raumfahrtprogramm für die Tiefe.

Links/Studien

Die Studie der New York University mit dem Titel: A continental scale analysis reveals widespread root bimodality wurde am 17. Juni 2025 im Journal Nature Communications veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden.

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