Inhalt des Artikels:

  • Mit über 200 Sachen auf der Autobahn
  • Trumpismus und Klimawandelleugnung
  • Unterstützung von einem Ex-Präsidenten
  • Gute Kontakte zur populistischen ANO von Babiš

Sie waren die größte Überraschung der letzten Europawahlen in Tschechien vom Juni vergangenen Jahres: Die Autofahrer-Partei "Motoristé sobě" (wörtlich übersetzt: Autofahrer für sich selbst) schaffte auf Anhieb mehr als zehn Prozent der Stimmen und zog mit zwei Abgeordneten ins Europaparlament ein. Die Wahlkampagne der Partei war eine Mischung aus Anti-Establishment-Rhetorik, Europa-Skepsis sowie der Ablehnung von allem "Woken". Vor allem stellte man sich aber gegen "grüne Ideologien" und setzte sich für den Fortbestand von Verbrenner-Motoren ein.

Zur Galionsfigur der Partei wurde der ehemalige Rennfahrer Filip Turek. Der politische Quereinsteiger war zuvor einem nicht besonders breiten Publikum als Moderator auf einem YouTube-Kanal und als Influencer bekannt. Turek, der einige britische Oldtimer und hochpreisige Sportwagen sein Eigen nennt, hat auch sonst aus seinem Faible für einen aufwendigen Lebensstil nie einen Hehl gemacht. Und ebenso wenig schreckte er vor Provokationen zurück.

Mit über 200 Sachen auf der Autobahn

In dieser Hinsicht blieb er sich auch nach der Europawahl treu. So veröffentlichte Turek vor einigen Wochen ein Video, das ihn bei einer Autofahrt zeigte, wo die Geschwindigkeit auf dem Tachometer deutlich die 200-km/h-Marke überschritten hatte. Zunächst behauptete der Politiker, die Aufnahme sei während der Fahrt auf einer deutschen Autobahn entstanden, wo es ja kein Tempolimit gebe. Als dann aber die Internet-Community relativ schnell nachweisen konnte, dass der Politiker in Wahrheit auf einer tschechischen Autobahn so schnell unterwegs war, wo es die Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern gibt, gab Turek seinen Fehler zu. Gegen ihn wird nun wegen des Verdachts auf Verletzung der Straßenverkehrsordnung ermittelt. Der Politiker erklärte mittlerweile sogar öffentlich seine Bereitschaft, auf seinen Führerschein zu verzichten und von seiner Abgeordneten-Immunität keinen Gebrauch machen zu wollen.

Das Aushängeschild der Autofahrerpartei: Ex-Rennfahrer Filip Turek nach seiner Wahl zum Europaabgeordneten im vergangenen JahrBildrechte: IMAGO / CTK Photo

Gut möglich, dass eine Strategie dahinter steckte, um im Gespräch zu bleiben, denn für die tschechische Social-Media-Welt war Tureks Autofahrt eine Zeitlang das Thema schlechthin: Jeder glaubte, eine Meinung dazu haben zu müssen.

Ihren Erfolg vom vergangenen Jahr würde die Autofahrer-Partei gerne auch bei den für Oktober angesetzten tschechischen Parlamentswahlen wiederholen. Derzeit liegt sie allerdings in Umfragen lediglich bei vier Prozent, was für einen Einzug ins Abgeordnetenhaus nicht reichen würde. Turek hingegen will seine Bekanntheit nutzen, um zu helfen, den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen, und ließ sich als Spitzenkandidat im bevölkerungsmäßig größten Wahlkreis des Landes in Mittelböhmen aufstellen. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil es in der Region, die Prag umgibt, sehr viele Pendler gibt, die jeden Tag auf ihr Auto angewiesen sind.

Trumpismus und Klimawandelleugnung

Auch wenn die Autofahrer gegenwärtig noch vom Einzug ins Parlament entfernt sind, haben sie schon ihr Interesse bekundet, in einer künftigen Regierung vertreten zu sein. Und Turek selber hat sich als möglicher nächster Außenminister ins Spiel gebracht. In verschiedenen Interviews gab er zuletzt seine Überzeugung kund, dass er für dieses Amt gute Voraussetzungen mitbringen würde. Dabei rühmte er sich seiner guten Kontakte zur Umgebung von US-Präsident Donald Trump. Tatsache ist, dass er zu den wenigen tschechischen Politikern gehörte, die im Januar dieses Jahres als Gäste an Trumps Amtseinführung teilgenommen haben.

Mit dessen Weltsicht stimmen die Autofahrer weitgehend überein. Sie ziehen den von Menschen verursachten Klimawandel in Zweifel, vergleichen die Europäische Union in ihrer jetzigen Form mit der kommunistischen Sowjetunion und lehnen die Einführung des Euro, wozu sich Tschechien bei seinem EU-Beitritt verpflichtet hat, kategorisch ab. Der jetzigen liberal-konservativen Regierung von Premier Petr Fiala werfen sie vor, in Brüssel die Interessen Tschechiens nicht ausreichend zu wahren, etwa bei den neuen strengeren Abgasnormen für Autos oder wegen ihrer Zustimmung zum EU-Migrationspakt.

Unterstützung von einem Ex-Präsidenten

Unterstützung erhalten die Autofahrer vom früheren tschechischen Präsidenten Václav Klaus. Das ist insofern keine Überraschung, als der Chef der Partei, Petr Macinka, seit vielen Jahren enger Mitarbeiter des ehemaligen Staatschefs ist. Klaus wird daher inoffiziell auch als eine Art "Mastermind“ dieser Partei gesehen. Nach dem sich der frühere Präsident von seiner einstigen politischen Heimat, der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) des heutigen Premiers Fiala, losgesagt hat, sind nun die Autofahrer bereits die dritte politische Gruppierung, die er öffentlich unterstützt und in die er, wie er betont, seine Hoffnungen setzt.

Prominenter Unterstützer: Ex-Präsident Václav Klaus beim Kongress der Autofahrer-ParteiBildrechte: IMAGO / CTK Photo

Es gibt allerdings auch Experten, die der Ansicht sind, dass gerade die Person von Klaus einige potenzielle Wähler abschrecken könnte. Diese Meinung vertritt etwa der Politikwissenschaftler Jan Kubáček im Gespräch mit dem tschechischen Nachrichtenportal Idnes. Klaus gilt als Mann der 90er Jahre, der die Vergangenheit verklärt und unfähig ist, die Fehler von damals zu erkennen und daraus für die Zukunft zu lernen. So sehen etwa viele Tschechen den Ablauf der Privatisierungen nach dem Regimewechsel und Klaus Rolle darin um Längen kritischer als er selbst.

Gute Kontakte zur populistischen ANO von Babiš

Für die Partei, die laut Umfragen wohl die nächste Regierung anführen wird, die populistische ANO des Milliardärs und früheren Premiers Andrej Babiš, wären die Autofahrer ein angenehmer Koalitionspartner, der sich wohl mit ein paar Posten abspeisen ließe. Zudem kennt man sich ja schon ein bisschen. Denn die ANO und die Autofahrer sind Mitglieder derselben Fraktion im EU-Parlament, der so genannten Patrioten für Europa. Diese Gruppierung wurde erst im vergangenen Jahr ins Leben gerufen, wobei dort die Chefin der rechtsextremen französischen Partei Rassemblement National, Marine Le Pen, und Ungarns rechtskonservativer Premier Viktor Orbán politisch den Ton angeben.

Sollte die ANO, die in den Umfragen mit weitem Abstand vorne liegt, die Wahlen im Oktober also tatsächlich gewinnen, stünde einer Regierungsbeteiligung der Autofahrerpartei inhaltlich wohl nichts entgegen. Dass ein solches Zweierbündnis auch über eine Parlamentsmehrheit verfügt, ist aber längst nicht ausgemacht: Dafür müsste die populistische ANO, die laut Prognosen derzeit bei 33 Prozent liegt, noch etwas zulegen, während gleichzeitig viele kleine Parteien an der Fünf-Prozent Hürde scheitern. Nur dann wäre die ANO-Fraktion im Parlament so groß, dass es gemeinsam mit der Autofahrer-Partei für eine Regierungsmehrheit reicht. Doch dafür muss auch den Autofahrern zunächst einmal der Sprung ins Parlament gelingen.

MDR (tvm)

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