Inhalt des Artikels:
- Bevölkerungsschwund bedroht Infrastruktur von Regionen
- Prämien für Zuzügler in der Schweiz
- Vielfältige Ideen für neue Einwohner auch in Deutschland
Bevölkerungsschwund bedroht Infrastruktur von Regionen
An einem anderen Ort nochmal neu anfangen – vielleicht sogar im Ausland: Davon träumen viele Menschen. Gleichzeitig gibt es Gegenden, in denen dringend nach neuen Einwohnern gesucht wird. "Man lebt ja nicht nur an einem Ort, um zu schlafen, sondern man hat da auch seine Freunde, man hat seine Familie, man verbringt seine Freizeit. Arbeitsplätze sind natürlich auch wichtig. Und dieses ganze Gesamtpaket: Das fehlt halt zunehmend in ländlichen Schrumpfungsregionen", erklärt Tim Leibert, stellvertretender Koordinator der Forschungsgruppe Mobilitäten und Migration am Leibniz-Insitut für Länderkunde (IfL), im Verbrauchermagazin Umschau.
Je stärker der Bevölkerungsschwund ist, desto unattraktiver werden die Regionen. Für immer weniger Einwohner lässt sich die Infrastruktur – wie Nahverkehr, Schulen und Läden – irgendwann nicht mehr aufrechterhalten. Um dem entgegen zu wirken, setzen manche Dörfer oder Städte auf kreative Ideen.
Prämien für Zuzügler in der Schweiz
Das Problem von zu wenig Einwohnern auf dem Land kennt man auch in der Schweiz. Die Einwohnerzahl des Alpenlandes nimmt zwar zu – in ländlichen Regionen aber sinkt sie stark. Vor allem die Hochalpen haben in den letzten 50 Jahren bis zu 50 Prozent ihrer Bevölkerung verloren. "Es geht dann darum, dass man Infrastrukturen aufrecht erhält. Bei den Schweizer Gemeinden ist auch so ein bisschen der Hauptgrund gewesen, dass man die lokale Schule erhalten wollte, die für das Überleben von kleinen Gemeinden einfach ganz essenziell ist", sagt Tim Leibert vom IfL.
Albinen fördert neue Einwohner mit fünfstelligem Betrag
Die Gemeinde Albinen in der Schweiz zahlt seit einigen Jahren eine Prämie für Zuzügler. Allerdings gibt es das Geld nicht einfach so. An die Förderung sind einige Bedingungen geknüpft, wie auf der Webseite der Gemeinde nachzulesen ist. Dazu gehören unter anderem:
- Es muss ein Haus beziehungsweise eine Wohnung gekauft, umgebaut oder neu gebaut werden.
- Mindestens 200.000 Schweizer Franken müssen investiert werden.
- Erwachsene müssen unter 45 Jahren, Kinder unter 18 Jahren alt sein.
- Man muss mindestens zehn Jahre im Ort wohnen bleiben.
Wer alle Bedingungen erfüllt, kann gefördert werden. Ein Erwachsener erhält dabei 25.000 Schweizer Franken, ein Kind 10.000 Schweizer Franken. Für eine vierköpfige Familie entspricht das einer Summe von 70.000 Schweizer Franken.
Das Ergebnis nach fünf Jahren: 17 Anträge wurden bewilligt. 31 Erwachsene und 16 Kinder sind in den Ort gezogen. Umgerechnet 750.000 Euro hat der Ort dafür bezahlt. Einige Anwohner sehen das heute mit gemischten Gefühlen. "Es haben zum Teil auch Einheimische profitiert. Ich gönne das jedem, aber fremde Leute anzuziehen von unseren Steuergeldern, das so einzusetzen. Das finde ich nicht ganz in Ordnung. Einige Familien sind wieder weggezogen. Das ist einfach der falsche Ansatz", sagt Yvo Mathieu, Gastwirt aus Albinen in der Umschau. Ein anderer Anwohner antwortet: "Wenn fremde Leute herkommen, sollen sie von Herzen kommen und nicht wegen des Geldes."

Geld für Kinder in Zeneggen
Auch im Ort Zeneggen versuchte man mit einer Prämie von 3.934 Schweizer Franken pro Kind neue Einwohner zu gewinnen. Inzwischen wird das Geld nicht mehr gezahlt. Als die Prämie in Zeneggen vor vier Jahren beschlossen wurde, ging es vor allem darum, die Schule im Ort zu retten. Seitdem sind vier Familien nach Zeneggen gezogen. Heute gehen wieder 26 Schüler in die Schule. Das Ziel der Prämie wurde damit erreicht. "Ich denke, als Anreizmaßnahme kann man das sicherlich empfehlen. Ich würde aber auch sagen: Das ist ein Teil eines Puzzels. Man muss attraktiv bleiben für die Familien. Man muss etwas bieten können: ein aktives Gemeindeleben, wo die Leute, die dazukommen, sich auch integrieren können", meint Patrick Zehner, Gemeindepräsident Zeneggen.
Auch in Zeneggen haben die Einheimischen lange über die Prämie diskutiert. Es gab aber kaum Einwände — auch deshalb, weil die Prämie gering war. "Also ich kenne niemanden, der dagegen war. Wir haben die Schule gerettet. Das ist das Wichtige", sagt eine Anwohnerin im Beitrag der Umschau.
Vielfältige Ideen für neue Einwohner auch in Deutschland
In viele Regionen Deutschlands wird die Bevölkerungszahl immer kleiner – vor allem im Osten. Deshalb versuchen auch manche Orte in der Bundesrepublik, Einwohner dazuzugewinnen. Der Deutsche Städtetag antwortet auf MDR-Anfrage, dass zum Beispiel manche Städte Begrüßungsgeld für Studenten zahlen. "Üblich ist außerdem vielerorts, Neubürgerinnen und Neubürgern bei der Anmeldung ein Willkommenspakt mit Informationen über die Stadt und zu kommunalen Einrichtungen zu überreichen. Manchmal sind auch Gutscheine von örtlichen Händlerinitiativen dabei oder Schnupperangebote für das Schwimmbad- oder den ersten Tierparkbesuch", so eine Sprecherin.
Sachsen: Wohnen auf Probe in Görlitz
Wie die Umschau bereits 2019 berichtete, versucht auch Görlitz neue Einwohner für sich zu begeistern. Dabei gab es zwar kein Geld für Interessierte, aber sie konnten umsonst für einen Monat auf Probe in der Stadt wohnen. Ähnliche Projekte folgten.
Das Probewohnen in Görlitz hat bisher 26 neue Bewohner angelockt. Für die Stadt ein Erfolg, der zudem nicht viel Geld gekostet hat. "Hier in Deutschland haben wir das Problem, dass viele kleine Gemeinden nicht gerade im Geld schwimmen, in der Haushaltskonsolidierung sind und sich gerade mal das leisten können, was sie vom Gesetz her leisten müssen, aber für zusätzliche Ausgaben im Prinzip kein Geld haben", erläutert Tim Leibert, Wissenschaftler am IfL, in der Umschau.
Niedersachsen: Gemeinde Ottenstein verschenkte Grundstücke
Die Gemeinde Ottenstein hat 1.000 Einwohner und liegt abgelegen im Weserbergland in Niedersachsen. Vor zehn Jahren hat die Gemeinde zehn Grundstücke im Wert von je 10.000 Euro an Zuzügler verschenkt. "Ich habe dem Gemeinderat und auch den Bewohnern vorgerechnet, dass wir mit diesem einem Hektar verschenkten Bauland nicht Geld verschenken, sondern Geld generiert haben", erzählt der Gemeindedirektor von Ottenstein Manfred Weiner (CDU) im April 2025 im NDR-Fernsehen.
Die Gemeinde hat den Einwohnerschwund damit gestoppt. Sie nimmt mehr Steuern ein. Läden, Schule und Kindergarten sind gerettet. Der Altersdurchschnitt im Ort wurde deutlich gesenkt. "Das ist im Prinzip das große Problem, was wir heute haben und was auch die die Schrumpfung der ländlichen Räume in Mitteldeutschland aktuell sozusagen als Haupttreiber verursacht, nämlich dass wir diese ungünstigen Altersstrukturen haben, dass zu wenig Kinder geboren werden, weil zu wenig potenzielle Eltern da sind", so der Wissenschaftler Tim Leibert.
MDR (jvo)
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