- Israels Angriffe könnten laut UN-Charta nur dann als Selbstverteidigung gelten, wenn ein unmittelbar bevorstehender Angriff nachweisbar wäre.
- Während Völkerrechtler am Gewaltverzicht der UN-Charta festhalten, fordern Politiker wie Röttgen angesichts der Bedrohung durch den Iran eine Neubewertung des Völkerrechts.
- Das humanitäre Völkerrecht regelt unabhängig von der Rechtmäßigkeit eines Krieges, dass nur Kombattanten und militärische Ziele angegriffen werden dürfen – Zivilisten nicht.
Bei der Frage "Mit welchem Recht bringt Israel Personen im Ausland um?" geht es um das Völkerrecht. Man muss sie gleich zweimal beantworten. Zum einen geht es um die seit einer Woche viel diskutierte Frage: Sind Israels Militärschläge ein Akt der Selbstverteidigung?
Dieses Recht hat jeder Mitgliedsstaat laut UN-Charta im Fall eines bewaffneten Angriffs. Und zwar auch schon, bevor dieser Angriff beginnt, sagt Dominik Steiger, Wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Internationale Studien der TU Dresden. Doch trotz allem, was über das iranische Atomprogramm nun bekannt geworden ist: Für einen völkerrechtlich zulässigen Präventivschlag reiche das nicht aus. "Es müsste entsprechende Hinweise geben, dass das Militär aktiviert wird, dass die Raketen in Alarmbereitschaft versetzt werden. Selbst das Besitzen von Atomwaffen als solches ist kein unmittelbar bevorstehender Angriff", erklärt Steiger.
Röttgen: "Wenn man wartet, ist es zu spät"
In der deutschen Fachwelt ist man sich da weitestgehend einig. Ganz anders ist es in der Politik. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen spricht von einer "Grauzone" – und wirft die Frage auf, ob die UN-Charta zeitgemäß ist, wenn ein Staat wie der Iran regelmäßig damit droht, einen anderen zu vernichten. "Wie lange soll man jetzt warten? Bis die Atomwaffe in Teheran da ist? Das ist ein Dilemma: Wenn man wartet, ist es zu spät", so Röttgen. Völkerrechtler wie Dominik Steiger halten dagegen: Der zentrale Grundsatz der UN-Charta sei der Gewaltverzicht.
Darüber hinaus gibt es aber auch internationale Regeln für das Recht im Krieg – und damit beginnt die zweite Antwort auf die Hörer-Frage. Dieses Humanitäre Völkerrecht gilt unabhängig davon, ob der Krieg selbst rechtmäßig ist oder nicht. Wichtigster Grundsatz ist hier Dominik Steiger zufolge: "Es darf getötet werden, aber nur Kombattanten. Militärische Ziele dürfen erfasst werden. Zivilisten dürfen nicht direkt angegriffen werden."
Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten
Für die gezielten Tötungen Israels im Iran heißt das: Der Generalstabschef oder der Chef der Revolutionsgarden sind Kombattanten. Bei Atomwissenschaftlern kommt es dagegen darauf an, ob sie Mitglied der Streitkräfte sind. Sind sie es nicht, dann sind gezielte Angriffe auf ihre Wohnungen ein Verstoß gegen das Völkerrecht. "Was allerdings grundsätzlich möglich ist nach dem Humanitären Völkerrecht, ist, dass militärische Ziele, also die Entwicklungsanlagen oder militärische Basen angegriffen werden und dass dann auch Zivilisten mit getötet werden", erklärt Steiger. "Das ist das, was wir als Kollateralschaden kennen."
Seit vergangener Woche Freitag hat sich der Konflikt deutlich ausgeweitet. Längst geht es nicht mehr nur um militärische Ziele. Laut Menschenrechtsorganisation "Human Rights Activists in Iran" wurden bisher mehr als 600 Menschen bei israelischen Angriffen im Iran getötet, mindestens 263 von ihnen Zivilisten. In Israel kamen bisher 24 Zivilisten ums Leben. Hier ist die Lage eindeutig: Angriffe auf Wohngebiete sind völkerrechtswidrig – egal ob in Teheran oder Tel Aviv.
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