Seit dem ersten israelischen Angriff auf Iran vergangene Woche verlassen Tausende Menschen die iranische Hauptstadt Teheran. Wohin sie flüchten und wie die Lage vor Ort ist, weiss ARD-Korrespondentin Pia Masurczak in Istanbul.
SRF News: Gibt es sichere Regionen im Iran, in die die Menschen aus Teheran fliehen können?
Pia Masurczak: Abseits von den Grossstädten, insbesondere abseits von Teheran sowie von Militär- und Nuklearanlagen, ist es bislang sicher. Viele haben Verwandte auf dem Land oder fahren ans Kaspische Meer – eine Ferienregion im Iran. Von dort sind uns bislang keine Angriffe gemeldet worden.
Für die Menschen ist es schwer, aus der Stadt herauszukommen. Es gibt viele Staus und das Benzin geht teilweise aus.
Für die meisten Reisen ins Ausland brauchen Iranerinnen und Iraner ein Visum, was schwer zu bekommen ist. Die Türkei ist für viele eine Option. Eine Kollegin an der Grenze sagte uns, dass es viele Menschen gebe, die zurückwollten in den Iran, um ihre Familien zu unterstützen.

Wie reagieren die Behörden auf die Fluchtbewegungen?
Fast gar nicht. Wir sehen keine grössere koordinierte Hilfe, bei der Menschen in den umliegenden Provinzen durch staatliche Stellen in Empfang genommen werden. Das lässt man im Grunde geschehen, ohne sich da weiter einzumischen. Lediglich der Gouverneur der Provinz Mazandaran am Kaspischen Meer sagte, er könne bis zu zehn Millionen Menschen aufnehmen. Das ist ungefähr die Einwohnerzahl Teherans im engeren Stadtgebiet.
Banken und Bankomaten funktionieren nicht mehr wie gewohnt.
Doch für die Menschen ist es schwer, aus Teheran herauszukommen. Es gibt viele Staus und das Benzin geht teilweise aus. Viele wollen oder können die Stadt nicht verlassen, weil sie es sich nicht leisten können, ihr Geschäft zuzumachen.
Was weiss man über die Versorgungslage der Menschen in Teheran?
Von Stadtteil zu Stadtteil ist das unterschiedlich. Es gibt Berichte darüber, dass es mancherorts in Teheran kein Brot mehr gebe. Vermutlich ist dies nicht aufgrund von Lebensmittelknappheit so, sondern wegen der schwierigen Logistik und aufgrund von Personalengpässen. Die Teheraner Stadtverwaltung sagt, dass nun mobile Bäckereien zum Einsatz kommen sollten, um diese Engpässe zu beheben.
Es ist schlicht kein Alltag mehr und deshalb sind auch die Lieferketten teilweise unterbrochen. Bei der medizinischen Versorgung hören wir bislang keine grösseren Probleme. Was wir aber hören, ist, dass Banken und Bankomaten nicht wie gewohnt funktionieren. Am Dienstag gab es angeblich einen Cyberangriff auf iranische Banken.
Das Problem ist aber, dass es kein Frühwarnsystem wie beispielsweise Sirenen gibt.
Wie informieren sich die Menschen in der Hauptstadt über Angriffe oder über Schutzräume?
Im Iran sind das Internet und soziale Medien sehr wichtig, weil die Medien im Land scharf zensiert werden und wenig bis kein Vertrauen geniessen. In den sozialen Netzwerken gibt es Posts und Videos von aktuellen Angriffen. Das Problem ist aber, dass es kein Frühwarnsystem wie beispielsweise Sirenen gibt.
Die israelische Armee postet ab und an Warnungen in den sozialen Medien. Doch das Internet ist nicht immer zugänglich, weil es von der Regierung stark gedrosselt ist. Die VPNs, die virtuellen privaten Netzwerke, die viele Iranerinnen und Iraner nutzen, um diese Sperren zu umgehen, müssen teilweise stündlich gewechselt werden, weil sie immer wieder gesperrt werden. Die Behörden haben Schutzräume in U-Bahn-Stationen, Tiefgaragen und Moscheen eingerichtet. Jedoch gibt es dort nicht überall öffentliche Toiletten und die Bevölkerung kritisierte, dass viele U-Bahn-Stationen nachts nicht geöffnet waren. Man muss sich auch fragen, wie sehr diese Schutzräume helfen, wenn es kein Frühwarnsystem gibt.
Das Gespräch führte Romana Kayser.
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