Nachdem Israel in der Nacht auf Freitag iranische Atomanlagen angegriffen hatte, gab es bei den iranischen Angriffen gegen Israel Tote und grosse Zerstörung. Hat Israel die Fähigkeiten des Irans für Gegenschläge unterschätzt? Hans-Jakob Schindler, Direktor des Counter Extremism Project (CEP), schätzt ein und erläutert, auf welche Möglichkeiten der Iran nun zurückgreifen könnte.
SRF News: Ist der Iran militärisch stärker als angenommen?
Hans-Jakob Schindler: Nein, definitiv nicht. Was wir hier sehen, ist eigentlich das, was erwartbar war, wenn Israel alleine ohne US-Unterstützung den Iran angreift. Der Iran versucht natürlich jede Nacht zurückzuschlagen, mit etwas mehr als 100 Flugkörpern, Raketen, Drohnen.
Es gelingt den Iranern nicht, gezielt militärische Anlagen oder Luftabwehrstützpunkte der Israelis zu zerstören.
Die werden in der Masse durch die israelische, jordanische, aber auch mit US-Hilfe abgeschossen, sodass es im Grunde genommen mehr zu Unfällen kommt. Vereinzelt kommen Raketen durch. Das kostet natürlich auch zivile Leben in Israel, aber es gelingt den Iranern nicht, hier irgendwo gezielt militärische Anlagen oder Luftabwehrstützpunkte der Israelis anzugreifen oder zu zerstören.
Ein erklärtes Ziel des Militärschlags gegen den Iran ist, dass man das Atomprogramm zerstören will. Wo steht man da jetzt?
Grundsätzlich gilt zunächst einmal: Ein Atomprogramm zu vernichten, ist militärisch kaum möglich. Sie können natürlich physische Anlagen vernichten, aber der Iran hat Tausende von Technikern, Ingenieuren und Wissenschaftlern. Nun wurden zwar 20 der führenden Wissenschaftler getötet, aber das sind 20 und eben nicht die Tausenden, die in den letzten Jahrzehnten am Nuklearprogramm gearbeitet haben. Das Wissen aus dem Iran herauszubekommen, ist militärisch nicht möglich. Das geht eigentlich nur durch Verhandlungen oder durch einen Regimewechsel.
Aber man kann das Programm zurücksetzen. Jetzt ist die Frage: Welche Elemente kann die israelische Luftwaffe in welcher Art und Weise zurücksetzen? Denn das iranische Nuklearprogramm besteht aus vielen einzelnen Elementen: Die Konversionsanlage in Isfahan, die Anreicherung in Natans und Fordo, der Leichtwasserreaktor in Bushehr, der Schwerwasserreaktor in Arak, der Forschungsreaktor in Teheran, verschiedene Forschungsinstitute, all das gehört zum iranischen Nukleardossier.
Welche Möglichkeiten hat der Iran für Gegenangriffe, abgesehen von den Raketen?
Die normal zu erwartende Verteidigungsstrategie des Irans funktioniert nicht so gut, wie das in der Vergangenheit gedacht worden ist. Es war klar, dass der Iran seine Stellvertreter in der Region anhalten würde, Angriffe auf Israel zu starten, insbesondere die Hisbollah und die Hamas. Jetzt ist einerseits die Hamas in Gaza, was die physische Infrastruktur und die Kommandanten angeht, weitgehend zerstört. Die Hisbollah ist in einer extrem schwachen Position im Libanon. Das syrische Regime, der letzte Alliierte in der Region, ist gefallen. Diese Optionen bieten sich nicht in der gleichen Weise an, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Das war sicherlich auch ein Argument für Israel, jetzt anzugreifen.
Die Iraner könnten nun beginnen, die Strasse von Hormus für die internationale Schifffahrt gefährlicher zu machen.
Das Zweite, was die Iraner nun tun können, und das ist nicht unwahrscheinlich, ist, dass sie irgendwann beginnen werden, die Strasse von Hormus für die internationale Schifffahrt gefährlicher zu machen, um die Öl- und Gaspreise weltweit in die Höhe zu treiben. Das Dritte, was wirklich bedenklich ist, und das muss nicht einmal durch die Iraner grossartig organisiert werden, ist internationaler Terrorismus.
Das Gespräch führte Daniel Glaus.
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