• Tote nach Gegenangriffen in Israel, zahlreiche Luftalarme in der Nacht.
  • Bedrohung Israels seit langer Zeit klar, "da ist man natürlich in allen möglichen Einsatzbereichen aktiv".
  • "Die arabische Welt [...] ist mehr als glücklich über diese Situation".

MDR AKTUELL: Herr Shalicar, in der Nacht und am Morgen gab es Wellen von Raketen aus dem Iran auf Israel. Wie ist die aktuelle Lage?

Arye Sharuz Shalicar, Sprecher der israelischen Reservisten.Bildrechte: picture alliance / dpa | Jörg Carstensen

Arye Sharuz Shalicar: Jetzt gerade ist es relativ entspannt – so kommt es einem zumindest vor – aber die Lage ist äußerst angespannt. Gestern Nacht bin ich persönlich auch viermal, wenn nicht fünfmal in der Nacht geweckt worden, durch aufheulende Sirenen, das sind Sirenen, die kann man nicht überhören, egal in welchem tiefen Schlaf man sich befindet, ich habe zwei kleine Kinder. Und dann muss man natürlich mitten in der Nacht mit den Kindern schnell ins Bunkerzimmer. Das kann um 1 Uhr morgens, um 3 Uhr morgens, um 5 Uhr morgens passieren, das ist schon ziemlich, muss man sagen, ätzend. Aber das ist jetzt gerade die Situation, in der wir uns befinden. Die wird wahrscheinlich die nächsten Tage, eventuell sogar Wochen anhalten. 

Es gibt auch Berichte über Opfer in Israel. 

Das stimmt leider. Das sind knapp 100 Verletzte, alles größtenteils natürlich Zivilisten, weil zivile Ballungszentren mit Absicht angegriffen wurden. Also der Raum Tel Aviv. Ich weiß von mehreren Toten leider schon [...] durch diese direkten Angriffe von ballistischen Raketen aus dem Iran. Und das ist bedauerlich, weil während Israel im Iran Nuklear-Anlagen angreift und Chefs der Terror-Revolutionsgarde, greift der Iran im Gegenzug zivile Ballungszentren an, und das bringt alles auf den Punkt. 

Ein massiver Gegenangriff aus dem Iran ist ja erwartet worden. Der Iran, wie es hieß, wollte Tausende Raketen auf einmal auf Israel abfeuern, dazu ist es nicht gekommen. Es heißt, im Vorfeld war der israelische Geheimdienst Mossad im Iran aktiv. Hat er Schlimmeres verhindert? 

Also zum einen ist der Einsatz dort [...] ein Einsatz seit vielen, vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Seit die Mullahs an die Macht gekommen sind, 1979 und insbesondere seit sie die Terror-Achse in der Region anführen, also Hamas und Hisbollah und die Huthis im Jemen, schiitische Milizen im Irak, Afghanistan, in Syrien – und seit sie auch offen und auf jeder internationalen Bühne ganz klar zum Ausdruck gebracht haben, dass sie Israel vernichten wollen, also von der Landkarte löschen wollen – ist uns natürlich hier in Israel klar, dass wir dagegenhalten müssen. Dann ist man natürlich in allen möglichen Einsatzbereichen aktiv, weil natürlich der Iran, das Mullah-Regime, als Kopf der Schlange in der Region wahrgenommen wird, nicht nur von Israel, sondern auch von unseren Freunden und Verbündeten in der Region: nicht nur den Amerikanern, auch arabischen pragmatischen Staaten, mit denen Israel auch Frieden hat.

Die Luftabwehr hat hier einen erheblichen Beitrag geleistet, dass sehr viele der ballistischen Raketen abgeschossen wurden. Es gibt leider immer Schlupflöcher, also es gibt hier in Israel kein 100-prozentiges hermetisches System, sondern sagen wir mal um die 90 Prozent. Immer kommen Raketen durch, immer kommen Drohnen durch. Das sind vereinzelte, aber diese vereinzelten töten Menschen und versetzen hier natürlich ein kleines Land auch in Angst und Schrecken. 

Sie sagen, dieser Angriff auf den Iran sei über Jahre geplant worden. Warum kann man gerade jetzt?

Es gibt da mehrere Gründe. [...] Die Amerikaner und die Iraner waren jetzt seit mehreren Monaten in direkten Gesprächen, ein Atomabkommen zu unterzeichnen, ein Neues, ein Besseres. Das haben die Iraner versäumt, mit Absicht natürlich, weil sie absolut kein Interesse daran haben, mit dem Westen zu kooperieren. 

Zum zweiten kommt, [...] dass die Iraner den Abkommen nicht nachgekommen sind, also dem ehemaligen Abkommen, sondern alles getan haben, um den Anforderungen [nicht nachzugehen], die in den verschiedenen Abkommen getroffen wurden, [...] sondern da eigentlich sehr oft gegen hält. Und das ist das Problem, dass man jetzt mittlerweile auch gesehen hat, dass sie kurz davor stehen, 15 Atomwaffen zu entwickeln. Also man stand kurz davor und deshalb musste man jetzt natürlich zuschlagen, dafür haben drei, vier Punkte zusammen gespielt und deswegen der Zeitpunkt.

Sie sagen, Israel will den Iran daran hindern, Atombomben zu bauen. Sieht man das Ziel mit den Angriffen auf den Iran und den Zerstörungen dort schon erfüllt?

Der Iran ist ein riesiges Land, es ist 68-mal größer als Israel, und das Mullah-Regime das hat in den letzten Jahrzehnten die Atomanlagen und alles auch besonders an Langstrecken-, ballistischen Raketenentwicklungen und Zentren über das ganze Land verteilt. Das ist natürlich ein Abstand hier zwischen Israel und bestimmten Teilen des Irans von ungefähr 3.000 Kilometern. Das ist nicht gerade um die Ecke, und das ist natürlich eine andere Herausforderung für den Staat Israel, als ich sag' jetzt mal Hamas oder Hisbollah.

Das heißt, Sie erwarten weitere Angriffe auf den Iran? 

Wir erwarten weitere Angriffe sowohl aus dem Iran hier in Israel. Ich erwarte auch weitere Angriffe von Israel, präzise Angriffe auf Nuklearanlagen und ballistische Raketenentwicklungszentren und eventuell auch Führungspersonen des Mullah-Regimes. 

Muss Israel nicht befürchten, dass sich jetzt die arabische Welt mit dem Iran solidarisiert? Ist das nicht ein Rückschritt? 

Nein, ganz im Gegenteil, die arabische Welt, mal offen, mal verdeckt, ist mehr als glücklich über diese Situation. Weil natürlich ein Großteil der pragmatischen arabischen Welt, besonders am Golf, auch Teilen Nordafrikas und um uns herum von diesem iranischen Mullah-Regime natürlich misshandelt und gefoltert [wurde]. In den letzten Jahrzehnten allein in Syrien, wenn man sich da mal anhört, was da los war in den letzten 10, 15 Jahren oder im Iran selbst. Man muss gar nicht groß ausholen – im Iran, wenn sie wissen, wie dort die Frauen behandelt wurden, ermordet wurden, eingesperrt wurden, vergewaltigt wurden. Also das ist ein Regime, was schon seit langem sein Existenzrecht verloren hat, sowohl international als auch im Iran national. Jetzt sind wir an einem Punkt des "no return" [keine Umkehr, Anm. d. Red.], also einem "point of no return"  angekommen und ich hoffe, dass die Tage dieses schrecklichen Mullah-Regimes gezählt sind. 

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