Seit Tagen wurde ein israelischer Angriff auf den Iran erwartet. Nun ist er in der Nacht auf Freitag tatsächlich erfolgt. Der deutsch-iranische Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad ist Experte für den Iran und analysiert den Angriff im «Tagesgespräch».

SRF News: Der israelische Luftschlag gegen Ziele im Iran kam in dieser Härte überraschend. Auch für Sie? 

Ali Fathollah-Nejad: Ja, in der Tat. Es ist eine militärische und geheimdienstliche Operation, die in dieser Form ihresgleichen sucht. Der Angriff wurde durch Drohnen ausgeführt, die von iranischem Territorium aus gestartet wurden. Das bedeutet, Israel hat militärische Infrastruktur innerhalb des Iran aufgebaut. Israel agierte also buchstäblich aus dem Machtzentrum, aus dem Herzen des Iran heraus. 

Löschte Israel die iranische Militärelite aus? 

Es geht nicht nur um die Tötung führender Militärs der Islamischen Republik, sondern auch um politische Führungspersönlichkeiten. Ziel war es offensichtlich, die Kommandostruktur und damit die Handlungsfähigkeit der iranischen Seite zu unterbinden. Es wurden auch strategische Einrichtungen wie Raketenstellungen angegriffen, um die Fähigkeit des Iran zu einem Gegenschlag massiv zu schwächen. 

Es ist eine militärische und geheimdienstliche Operation, die in dieser Form ihresgleichen sucht

Wie stark schwächt dieser Militärschlag den Iran? 

Das ist kaum zu überschätzen. Es handelt sich nicht nur um eine schwere sicherheitspolitische Blamage, sondern um eine tiefe geheimdienstliche Niederlage mit potenziell existenziellen Folgen. Der iranische Sicherheitsapparat hat versagt, und das in einem Ausmass, das die gesamte Machtstruktur des Regimes erschüttern kann. 

Legende: Beschädigte Gebäude nach den israelischen Angriffen in der Hauptstadt Teheran. Reuters / Majid Asgaripour, West Asia News Agency

Iran wertet Israels Angriff als Kriegserklärung. Was bedeutet das? 

Das heisst, dass Teheran nun unter massivem Druck steht, zu reagieren. Es gab Berichte, dass etwa 100 Drohnen auf Israel abgefeuert wurden, die allerdings kaum Wirkung zeigten. Aus iranischer Sicht ist dies eine Phase grösster strategischer Unsicherheit. Man weiss nun, dass der Feind von innen zuschlagen kann. 

Hat der Iran überhaupt ein Interesse an einer weiteren Eskalation angesichts der wirtschaftlichen Krise und der Unzufriedenheit im Volk? 

Das Regime weiss, dass es um das Überleben der Islamischen Republik selbst gehen kann. Die Handlungsspielräume sind begrenzt. Ein offener Krieg mit Israel, eventuell sogar unter US-Beteiligung, wäre für Teheran hochriskant. 

Der Iran glaubte, dass man im Geheimen das Atomprogramm weiterführen könne. Jetzt ist es quasi aufgeflogen.

Israel hat iranische Atomanlagen angegriffen. Warum gerade jetzt? 

Das iranische Atomprogramm war in den letzten Monaten deutlich fortgeschritten. Neue Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass Iran heimlich an Komponenten arbeitete, die zu einer schnelleren Atombewaffnung führen könnten. Ich glaube, dass die iranische Seite sich verkalkuliert hat, dass man geglaubt hat, dass man im Geheimen das Atomprogramm weiterführen könne. Jetzt ist es quasi aufgeflogen.

Was hören Sie im Moment von der iranischen Bevölkerung? 

Die Distanz zwischen Staat und Gesellschaft ist enorm. Die getroffenen politischen und militärischen Führungspersönlichkeiten sind im Land stark verhasst. Es gibt keine breite Solidarität mit dem Regime – eher Schadenfreude über dessen Schwächung. 

Das Gespräch führte David Karasek.

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