- Warum der Angriff Israels auf den Iran zwar erwartet, aber dennoch überraschend kam.
- Einschätzung zur Stärke möglicher Gegenschläge und zur aktuellen Lage Irans in der Region.
- Wie der Angriff die diplomatischen Gespräche über das iranische Atomprogramm beeinflusst.
MDR AKTUELL: Wie überraschend kamen für Sie die Angriffe in der Nacht von Israel auf den Iran?
Cornelius Adebahr: Der Zeitpunkt selber war dahingehend überraschend, dass man nicht genau wusste, an welchem Tag das passieren würde. Aber es gibt ja eine Vorgeschichte. Es gab Anzeichen, die Amerikaner haben ihr Personal an den Botschaften in der Region reduziert, Israel spricht seit Wochen und Monaten davon, dass es sich zu diesem Schritt genötigt fühlen könnte, das macht das Ganze mittlerweile dann eben schon relativ erwartbar.
Wie stark würden Sie sagen, ist das Atomprogramm des Iran jetzt tatsächlich geschwächt worden durch die Angriffe?
Über die Schäden am Atomprogramm haben wir jetzt noch keine belastbaren Angaben. Wir lesen, dass Israel sagt, sie hätten die Anreicherungslage in Natanz angegriffen, es gibt andere Atomanlagen, die auch tief unter der Erde vergraben sind. Und da ist jetzt noch nichts davon zu hören. Gleichzeitig hat Israel bislang nicht beispielsweise den einzigen Atomreaktor, sprich den Energiereaktor oder den einzigen Forschungsreaktor in Teheran angegriffen, das macht natürlich jetzt nur eine gewisse Beruhigung, weil wir nicht wissen, wie Israel in den nächsten Tagen weiter vorgehen wird.
Wenn wir uns mal das Vorgehen des Iran angucken, der hat ja schon von einer Kriegserklärung gesprochen, wie stark oder eben auch nicht stark werden da die Gegenschläge jetzt ausfallen?
Auf jeden Fall steht das Regime Teheran stark unter Druck. Das ist tatsächlich ein Angriff auf Iran, den keine Regierung unbeantwortet lassen kann. Iran hat in den vergangenen Monaten und über das vergangene Jahr hinweg eine starke Schwächung erfahren durch vorangegangene israelische Angriffe. Deshalb ist davon auszugehen, dass es eine Weile dauert, bis Iran hier vielleicht zu dem Rückschlag ausholen kann, den sich das Regime auf die Fahnen geschrieben hat. Aber, dass es das tun wird, steht außer Frage.
Hat denn der Iran ja aktuell überhaupt noch nennenswerte Verbündete in der Region?
Also er hat nicht mehr so viele Verbündete oder vor allen Dingen nicht so schlagkräftige Verbündete wie eben in den vergangenen Jahren. Die Hisbollah im Libanon ist stark dezimiert, Hamas kämpft seinen eigenen Krieg gegen Israel, die Huthis im Jemen sind relativ stark, aber eben weiter weg und beispielsweise die Milizen, die sonst im Irak häufig an der Seite Irans stehen, die könnten eventuell eben auch in Schach gehalten werden durch internationale Truppen dort. Das heißt, Iran ist ein bisschen auf sich selber zurückgeworfen. Auch das wird dazu beitragen, dass die Antwort unter Umständen längerfristig ausfallen wird.
Wenn wir da mal ins Innere des Iran blicken, was macht das mit der Gesellschaft, auch mit der Stabilität dieses Regimes möglicherweise?
Tatsächlich gab es den Berichten zufolge nach diesen Angriffen ja auch zivile Opfer – also auch, was oberflächlich erst einmal ach einer präzisen militärischen Operation aussieht, hat dann doch tatsächlich weitere Auswirkungen. In direkter Art, aber auch indirekt, dass die Bevölkerung im ganzen Land sich jetzt nicht sicher fühlen kann. Sie werden tatsächlich von der Regierung auch in Schach gehalten. Die Regierung wird vermutlich den Druck auf die Menschen noch weiter erhöhen, um sich im Sattel zu halten. Also ist mittelfristig erstmal von einer Verschlechterung der Lage im Land auszugehen. Für die Menschen im Iran bedeuten diese Angriffe nichts Gutes.
Würden Sie sagen, trotzdem, aus israelischer Sicht ist das taktisch klug gewesen? Also wenn man jetzt mal rein aus der Perspektive von Israel guckt?
Also ich maße mir keine israelische Perspektive an. Aber de Bemühungen, die Gefahr, die vom iranischen Atomprogramm ausgeht, international einzuhegen laufen ja seit Jahrzehnten. Es gab einen Deal, ein Atomabkommen 2015. Das haben die Amerikaner gebrochen. Es gab jetzt neue Verhandlungen, auch diese Verhandlungen waren noch nicht abgeschlossen. Also es scheint nicht so, dass man zweifelsfrei sagen kann, dass Israel jetzt zu diesem Schritt gezwungen war. Vielmehr hätte man eben auf internationalen Druck oder internationale Diplomatie setzen können. Das hat aber Israel nicht getan.
Dann blicken wir abschließend vielleicht noch auf die anstehenden, möglicherweise jetzt noch anstehenden Gespräche über Irans Atomprogramm im Oman. Kommen die noch zustande und was ist da zu erwarten?
Also aktuell kann ich mir nicht vorstellen, dass eben die Verhandlungen so weitergehen. Die Amerikaner haben zwar sehr deutlich gemacht, dass sie mit diesen Angriffen nicht in Verbindung stehen, dass sie eben Israel hier nicht vorher ein grünes Licht oder Ähnliches gegeben haben oder das gar unterstützen, sondern dass sie da rausgehalten werden wollen. Das ändert aber nichts daran, dass Iran unter diesem aktuellen Druck, angegriffen zu sein, im Kriegszustand zu sein wird. Iran kann kaum an den bisherigen Gesprächen festhalten und gewissermaßen über die Aufgabe seines Atomprogramms verhandeln. Da hat eben dieser Angriff auch dafür gesorgt, dass die Diplomatie erst mal zum Stehen gekommen ist.
Quelle: MDR
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