US-Präsident Donald Trump hat Militär nach Los Angeles entsandt und die Kontrolle über die Nationalgarde Kaliforniens übernommen. Die Bilder gehen um die Welt. Ebenso der Schlagabtausch mit Gouverneur Gavin Newsom rund um eine Demonstration gegen die US-Einwanderungspolitik. Julia Simon forscht an der Universität Bremen zu Demokratie und Autokratisierung in den USA. Sie schätzt im Interview die Lage ein.
SRF News: Truppen gegen Demonstranten in Los Angeles – ist die Demokratie der USA in Gefahr?
Julia Simon: Die jüngsten Entwicklungen sind sehr besorgniserregend. In dem auf Los Angeles und Kalifornien begrenzten Konflikt um die Migrationspolitik wird die Rechtsstaatlichkeit getestet und zum Teil ausser Kraft gesetzt. Ebenso getestet wird das föderale Ordnungsprinzip der USA – in einer Konfrontation mit dem Gouverneur und damit mit dem Staat Kalifornien und dessen Judikative.
Stichwort Gewaltenteilung – wie wird sie in Los Angeles verletzt?
Es sind beispielsweise die Razzien für die geplante Massenabschiebung, die jetzt massiv ausgedehnt werden. Und zwar nicht nur auf kriminelle Personen mit Vorstrafen, sondern auf Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz und zu Hause abgeholt und von ihren Kleinkindern getrennt werden. Oft können sie kaum erkennen, ob es sich um Offizielle handelt, wenn diese in Zivilkleidung, maskiert und mit nicht markierten Fahrzeugen auftreten. Das stiftet Chaos und Angst. Inbesondere in Kalifornien. Dort gilt nämlich die Regel, dass Migrantinnen und Migranten ohne Vorstrafen und ohne Straffälligkeit auch ohne formalen Status akzeptiert und toleriert werden – als zentraler Teil der Wirtschaftsstruktur.

Der Gouverneur von Texas möchte bei Protesten die Nationalgarde einsetzen. Wird die Lage auf andere Bundesstaaten übergreifen?
Hier setzt sich tatsächlich etwas in Bewegung. Auf der einen Seite haben wir die Gouverneure, die Trump unterstützen und danach fragen wollen, ob Truppen zur Durchsetzung des Rechts eingesetzt werden könnten. Auf der anderen Seite sind fürs Wochenende landesweit neue Solidaritätskundgebungen angekündigt. Gleichzeitig findet eine Militärparade statt. Trump hat harte Massnahmen gegen alle angekündigt, die zum Zeitpunkt der Parade für Proteste auf die Strasse gehen. Obwohl ihnen das per Verfassung garantiert ist.
Bei der schweren Bewaffnung besteht immer die Gefahr, dass die Lage ungewollt oder gewollt sehr schnell eskalieren kann.
Gouverneur Newsom wirft Trump vor, einen «Bürgerkrieg auf den Strassen Amerikas» zu provozieren. Wie berechtigt ist diese Warnung?
Mit dem Einsatz von Militär sind die Grenzen der Rhetorik tatsächlich überschritten. Zu beachten ist auch, in welch schwierige Lage die Militärangehörigen gebracht werden. Sie sind nicht ausgebildet für solche Situationen und stehen jetzt bewaffnet ihren Landsleuten gegenüber. Ohne klare Anordnung und mit neuen Regeln, weil es kein Auslandseinsatz ist. Bei der schweren Bewaffnung besteht immer die Gefahr, dass die Lage ungewollt oder gewollt sehr schnell eskalieren kann.
Trump argumentiert, dass er einen Aufstand verhindern und sein Wahlversprechen für eine härtere Migrationspolitik durchsetzen will. Legitimiert das die Mittel?
Trump versucht mit Begriffen wie «Insurrection» und «Rebellion» bereits, das Thema rhetorisch in diese Richtung zu bringen, obwohl das die Lage in Los Angeles nicht beschreibt. Es sind Hinweise, dass er auf den «Insurrection Act» zurückgreifen könnte, der ihm erweiterte Macht verleihen würde.
Das Gespräch führte Reena Thelly.
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