Indien will ab 2026 in einer Volkszählung die Zahl seiner Einwohner ermitteln. Erstmals seit Kolonialzeiten soll auch abgefragt werden, welcher Kaste die Menschen angehören. Dies könnte gewaltige soziale Folgen nach sich ziehen.
In Neu-Delhi sitzt Balram Yadav jeden Tag am Eingang eines Bürogebäudes. Als Wachmann kontrolliert er, wer hineingeht. Es ist ein ruhiger, unscheinbarer Job in der Großstadt, wo seine Herkunft kaum eine Rolle spielt.
Doch wenn Yadav in sein Heimatdorf im Bundesstaat Uttar Pradesh zurückkehrt, zählt vor allem seine Kaste - und die steht ganz unten in der Hierarchie.
Balram gehört zu einer der vielen Kasten, die in Indien als benachteiligt gelten. Schätzungen zufolge machen sie etwa die Hälfte der indischen Bevölkerung aus, doch verlässliche Zahlen fehlen. Genau das ist das Problem. Die indische Regierung weiß nicht, für wen genau sie Sozialpolitik macht.

Wer gehört welcher Kaste an? Das soll bei der Volkszählung unter anderem abgefragt werden.
Letzte umfassende Zählung 1931
Die letzte umfassende Zählung nach Kasten gab es 1931, noch unter britischer Kolonialherrschaft. Seitdem haben sich indische Regierungen davor gedrückt, das Thema wieder anzufassen.
Nun hat die Regierung von Premierminister Narendra Modi dem Druck der Opposition nachgegeben. Das sorgt derzeit für Diskussionen, auch im indischen Fernsehen. Für manche privilegierte Gruppen könnte der Zensus bedeuten, Einfluss und Vorteile zu verlieren.
Die Regierung verteidigt den Schritt. Man wolle damit "die soziale und wirtschaftliche Struktur der Gesellschaft stärken", so Informationsminister Ashwini Vaishnaw.
Kastensystem prägt weiter den Alltag
Indien mit seinen mehr als 1,4 Milliarden Menschen zeigt sich gern modern, digital und aufstrebend. Und doch prägt das Kastensystem den Alltag vieler Menschen bis heute. Es legt von Geburt an fest, wer dazugehört und wer nicht.
Offiziell ist das System seit Jahrzehnten verboten. Die Verfassung untersagt Diskriminierung und verpflichtet den Staat, für Chancengleichheit zu sorgen.
Deshalb gibt es Quoten: im öffentlichen Dienst, an Universitäten, im Parlament. Doch wie gerecht kann so ein System sein, wenn niemand genau weiß, wie viele Menschen überhaupt betroffen sind?
Zensus als "Meilenstein" für soziale Gerechtigkeit?
Ashok Bharti gehört zu den Dalits, den sogenannten Unberührbaren. Sie stehen in der sozialen Hierarchie ganz unten. Seit Jahrzehnten kämpft er für soziale Gerechtigkeit. Für Bharti ist der Zensus weit mehr als nur Statistik.
"Nach Kastenzählung profitieren hoffentlich alle"
Doch nicht alle sehen das so. Kritiker warnen, der Zensus könnte die Kastenzugehörigkeiten zementieren und die gesellschaftlichen Gräben weiter vertiefen.
Wachmann Balram hofft, dass es nicht bei Zahlen bleibt, sondern sich im Alltag etwas verändert: "Momentan profitieren unter dieser Regierung nur bestimmte Kasten und Gemeinschaften. Aber nach der Kastenzählung werden hoffentlich auch andere davon profitieren - hoffentlich alle."
Je nach Ergebnis könnten neue oder erweiterte Quoten gefordert werden. Es ist absehbar, dass es zu neuen politischen Auseinandersetzungen kommen wird.
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