Die Horten Ho 229 gehört zu den spektakulären Entwicklungen der Nazi-Luftwaffe. Im Krieg kam sie nie zum Einsatz, aber die modernsten Stealth-Bomber folgen heute ihrem Design.

Die Horten Ho 229 V3 ist eines der spektakulärsten Flugzeuge des Zweiten Weltkriegs, obwohl sie nie zum Einsatz kam. Die Horten vereinte zwei für die damalige Zeit revolutionäre Neuerungen: Sie wurde nicht von einem Propeller angetrieben, sondern von zwei Düsentriebwerken, ähnlich wie der erste Düsenjäger der Welt, die deutsche Messerschmitt Me 262. Zusätzlich hatte die Horten eine besondere Form: Sie war ein sogenannter Nurflügler ohne separaten Rumpf. Die Konstruktion aus Holz und Leim mit Kohlebeimischungen könnte zudem unbeabsichtigt radarabsorbierende Eigenschaften gehabt haben, was sie zu einem frühen Vorläufer moderner Tarnkappentechnologie machte.

Die Idee, auf den Rumpf zu verzichten, war fast so alt wie die Luftfahrt selbst. Der deutsche Luft- und Raumfahrtingenieur Hugo Junkers hatte sie bereits 1910 patentiert. Seine Überlegung war einfach: Nur die Flügel sorgten für den notwendigen Auftrieb in der Luft; Rumpf und Seitenruder waren gewissermaßen "Ballast". Würde man ein Flugzeug bauen, das nur aus Flügeln besteht, müsste es überlegene Flugeigenschaften besitzen. In der Praxis ließ sich Junkers' Idee jedoch nicht umsetzen. Ohne Leitwerk und Rumpf war ein Flugzeug kaum zu kontrollieren. Bei einem Strömungsabriss unter den Flügeln drohte es abzustürzen.

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Die Horten-Brüder ließen sich nicht entmutigen

In den 1920er Jahren knüpften Walter und Reimar Horten an diese Pläne an. Der Friedensvertrag nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg verbot Deutschland eine eigene Luftwaffe, doch Segelflugvereine blühten auf. Dort begannen die Brüder, ihren ersten Nurflügler zu entwickeln. Als sie starteten, waren sie noch Kinder, doch die Schwierigkeiten des Projekts schreckten die Enthusiasten nicht ab. 1932 hob ihr selbstgebautes Flugzeug erstmals vom Boden ab.

Die Horten Ho 229 - das geheimnisvollste Flugzeug der Nazis

In der Gothaer Waggonfabrik fielen die Prototypen in die Hand der US-Armee. © Commons
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Der Durchbruch kam 1943. Zwei Jahre zuvor hatte die Messerschmitt Me 262 mit ihren Düsentriebwerken den ersten Flug absolviert. Sie war als Jagdflugzeug entwickelt worden, doch Adolf Hitler verlangte einen Jagdbomber, der so schnell war, dass feindliche Maschinen ihn nicht einholen konnten. Daher wurde die Me 262 zu einem improvisierten Bombenflugzeug umgebaut. Gleichzeitig forderte der Chef der Luftwaffe, Hermann Göring, einen reinrassigen Kampfbomber. Dieser sollte eine Bombenlast von einer Tonne über 1000 Kilometer transportieren und eine Geschwindigkeit von 1000 km/h erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit der Me 262 lag jedoch bei 870 km/h.

Prototypen hoben ab

Mit einem konventionellen Design waren diese Anforderungen nicht erfüllbar. Hier kamen die Horten-Brüder ins Spiel. Sie sollten den Langstreckenbomber Ho 229 entwickeln und griffen dabei auf Ideen des unkonventionellen Flugzeugkonstrukteurs Alexander Lippisch zurück, der das Raketenflugzeug Me 163 entwickelt hatte und später in den 1960er Jahren Ekranoplane – sogenannte Bodenflugzeuge – konzipierte.

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Die Horten-Brüder verwendeten lang gestreckte Flügel und verzichteten auf den konventionellen elliptischen Querschnitt. Stattdessen setzten sie auf einen "glockenförmigen" Flügel, der die Stabilitätsprobleme des Nurflüglers deutlich reduzierte. Der erste Prototyp, ein Segelflugzeug ohne Triebwerke, absolvierte am 1. März 1944 einen Testflug. Der zweite Prototyp mit einem Triebwerk startete am 18. Dezember 1944, stürzte jedoch am 2. Februar 1945 nach einem Triebwerksschaden ab. Die vorgesehenen Jumo-004-Triebwerke waren unzuverlässig und wartungsintensiv, was die Serienproduktion zusätzlich erschwerte. Der dritte Prototyp, die Ho 229 V3, wäre jedem anderen Flugzeug ihrer Zeit theoretisch überlegen gewesen – doch sie hob nie ab.

Dass eine Serienproduktion die Vorzüge des Konzepts in der Praxis hätte umsetzen können, ist unwahrscheinlich. Es fehlten etwa geeignete Triebwerke. Die eigentliche Leistung der Horten-Brüder liegt nicht in den Superlativen, mit denen ihr Flugzeug hätte glänzen können, sondern in ihrer Fähigkeit, die aerodynamischen Probleme des Nurflüglers mit den damaligen Mitteln zu meistern. Russ Lee vom Smithsonian Air and Space sagte in einer BBC-Dokumentation: "Um eines dieser Dinger zum Fliegen zu bringen, musste man den Flügel die ganze Arbeit machen lassen, und am Ende hatte man ein Flugzeug, das sich genauso gut verhielt wie ein konventionelles Flugzeug mit Leitwerk."

Das Ende des Dritten Reiches beendete die Entwicklung. Den US-Amerikanern fielen die Prototypen in Thüringen in die Hände. Die Horten-Brüder wurden zum Verhör nach London gebracht. Der V3-Prototyp gelangte nach Amerika, wo man Rußspuren fand, die darauf hindeuten, dass die Triebwerke gestartet wurden. Ein Beweis, dass die Maschine abhob, fehlt jedoch.

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Weiterleben im Reich der Fantasy

In den letzten Jahrzehnten wurde das Konzept des Nurflüglers wieder hochaktuell. Der Verzicht auf Rumpf und Seitenruder erhöht nicht nur den Auftrieb, sondern verringert auch den Radarschatten. Flugzeuge wie die US-amerikanische B-2 Spirit oder die Northrop YB-49 griffen das Konzept der Horten-Brüder auf. Auch die russische Entwicklung eines schweren Bombers soll ein Nurflügler sein. Die in China unlängst gezeigten Kampfjets der sechsten Generation sind allesamt Nurflügler, Seit Langem führt die Horten als vermeintliche "Wunderwaffe" des Dritten Reiches ein Nachleben in Computerspielen und Hollywood-Produktionen. Diese Überhöhung verdankt sich oft Mythen, obwohl die Ho 229 getestet wurde und keine bloße Fantasie war. Immerhin war sie real geflogen und kein reines Fantasiegebilde wie die sagenhaften Reichsflugscheiben.

Für die Horten Ho 229 sind auch die Bezeichnungen Horten H IX und Gotha Go 229 gebräuchlich.

 

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