Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Fernsehens sitzt sie in einer Talkrunde: Christine Lagarde. Der Erfolg der 69-Jährigen, die seit 2019 von Frankfurt aus die Europäischen Zentralbank leitet und aktuell auch an einem digitalen Euro arbeitet, ist unbestritten.
Zugegeben, niemand legt eine solch bemerkenswerte Karriere wie die Juristin hin, ohne überzeugende Kommunikationsstrategien zu kennen. Und natürlich ist Lagarde auch Medienprofi, sie weiß sehr genau, wie sie ihre Themen platziert, sich selbst und ihr Anliegen verkauft. Doch das merkte man ihr in der Sendung "Maischberger" nicht an: Lagarde wirkte freundlicher, offener und interessierter als alle anderen Gäste an diesem Abend.

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Sie beantwortete merkwürdige Fragen, gab einen Crashkurs in Diplomatie und machte sich stark für Diversität und Frauenrechte. Mit ihrem kurzen Auftritt zeigte die Chefin der EZB, Christine Lagarde, wie sich gewichtige Themen mit Gelassenheit verkaufen lassen und trotzdem im Kern überzeugen. Mit Charme und Leichtigkeit verwies die EZB-Chefin alle Anwesenden auf ihre Plätze.
Auch eine Christine Lagarde muss sich an eine Talkshow gewöhnen
Die Chefin der Europäischen Zentralbank antwortete zugewandt auf jede Frage der Journalistin, auch wenn diese irritierend waren. Sandra Maischberger wollte beispielsweise wissen, wie Lagarde Menschen, die sie nicht kennen, ihren Job erklären würde.
Eine Talkshow ist selbstverständlich ein guter Ort, um komplexe Themen oder Institutionen wie die EZB greifbarer zu machen. Lagarde gab inhaltlich eine eher unbefriedigende Antwort, sie verwies darauf, dass auf jedem Euro-Schein in der oberen rechten Ecke ihre Unterschrift zu finden sei, was zwar beeindruckend, aber eben keine Joberklärung ist. Und an sich so auch nicht ganz richtig ist, denn viele der im Umlauf befindliche Scheine tragen noch die Unterschriften von Lagardes Vorgängern.

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Aber gut, erstmal warm werden in der deutschen Talklandschaft, bevor die Fragen weiter mäanderten, Lagarde philosophierte, dass uns Geld zusammenbringt. "Geld ist das, was wir verdienen", immerhin eine doppeldeutige Antwort und gleichzeitig der Einstieg zur Frage, wann der digitale Euro denn kommen würde. "Wir denken an dieses Jahr", so Lagarde, es soll einen Pilot-Launch geben und dann eine zweijährige Testphase.
Ob die Währung das eher bescheidene Wirtschaftswachstums Deutschlands und auch anderer europäischer Staaten ankurbeln wird – zweifelhaft. Aber Lagarde erinnerte an "schlimmere Zeiten", die wir auch schon überstanden hätten, und daran, dass Europa stark sei, dass die Eurozone über viele Ersparnisse verfüge, die Innovationen möglich und Unabhängigkeit von den USA sichern könnten. Denn Trump würde immer nur provozieren wollen, "wir haben uns schon daran gewöhnt" und man sollte überlegen, welchen Deal man mit ihm eingehen will.
Lagarde: "Es ist keine Frage, dass Frauen das nicht können"
Christine Lagarde ist eine dieser Trailblazerinnen, eine Frau, die viele Türen geöffnet hat, die anderen vor ihr verwehrt wurden. Sie war die erste Vorsitzende der großen internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie, dann in der französischen Politik in mehreren Ministerinnenposten tätig. In einem Interview, das Sandra Maischberger kurz einspielte, sprach sie 1999 davon, dass die Zeit des Machismo in Zukunft vorbei sein würde, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen und die Welt verändern würden. Aktuell sieht das allerdings eher nicht so aus. Beispielhaft hierfür ist die aktuell sehr männlich geprägte Bundesregierung und in vielen anderen Teilen der Welt sieht es ähnlich aus.

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Konzerne, die weiterhin geschäftlich in den USA vertreten sein wollen, setzen ihre Diversity- und Frauenförderungsprogramme aus, um mögliche Partner nicht zu verschrecken. Wie viel Angst hat die Welt eigentlich vor starken Frauen? Das fragte sich auch Lagarde, es sei "unfassbar", was gerade geschehen würde. Wenn man an Diversität glaubt, dann darf man jetzt nicht einknicken. Es gehe dabei nicht um Kompetenzen, denn, so die EZB-Chefin: "Es ist keine Frage, dass Frauen das nicht können". Es sei eher eine Angst der Männer davor, loszulassen und Frauen in Machtpositionen zu besetzen.
Lagarde über Putin: "Man muss alles wissen, denn er weiß alles über Sie"
Vom Jahr 2011 bis 2019 war Christine Lagarde die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF). In dieser Funktion traf sie auch auf Wladimir Putin, den sie bei "Maischberger" als sehr schlau beschrieb. Er sei stets sehr gut vorbereitet, brauche keine Notizen. Lagarde vermutete, dass Putin sich das in seiner Zeit beim Geheimdienst antrainiert habe, stets extrem vorbereitet zu sein, weil er nie wusste, was geschehen konnte. So musste auch sie für ihre Treffen mit dem russischen Präsidenten immer besonders gut vorbereitet sein.
"Man muss alles wissen, denn er weiß alles über Sie", erklärte Lagarde. Ob das bei Trump das genaue Gegenteil sei, wollte Sandra Maischberger wissen. Lagarde lächelte, blieb aber diplomatisch stumm. Etwas, dass ihr während ihrer Karriere immer geholfen hatte.

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Ganz generell gab die 69-Jährige noch den Tipp, dass es immer wichtig sei zu wissen, "was das Ziel ist". "Man muss wissen, wo man hin will", so Lagarde. Wo hin sie will, verriet sie nicht, aber vielleicht ist es an der Zeit, dass sich (noch) mehr Frauen fragen, wo sie eigentlich hin wollen. Denn eine von Männern regierte Welt kann das eigentlich nicht sein.
In die gleiche Kerbe schlug auch die Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio Kerstin Palzer, die Bundeskanzler Merz für seinen Amtsantrittsbesuch bei Präsident Trump mit auf den Weg gab, von einer Frau zu lernen. Angela Merkel habe mal gesagt, dass sie die Zeit, die die Dolmetscher brauchen, um das Gesagte zu übersetzen, nutzte, um durchzuatmen und eine Antwort zu formulieren. Einen kühlen Kopf bewahren und mehr Feminismus wagen ist in diesen Zeiten sicherlich nicht verkehrt. Und Christine Lagarde mehr in deutschen Talkshows zu hofieren, sicherlich auch nicht.
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