Aus einem Mann wie Olaf Scholz (Sie erinnern sich, der war mal Bundeskanzler) Emotionen herauszulesen, ist eine Aufgabe, mit der man nur versierte Forensiker oder Verhaltensforscher betrauen sollte. Am Abend seines Zapfenstreichs hingegen ließ sich schnell erkennen, dass der Mann bewegt war. An seiner Seite seine Frau Britta Ernst, die ihm fast ein wenig das Händchen halten musste. Der Beatles-Song "In My Life" war recht diskret ihr gewidmet, deren Liebe, das hat er oft betont, ihm das Wichtigste sei. Kluger Mann.
Micky Beisenherz über den Abschied von Olaf Scholz
Otis Reddings "Respect" wiederum, den forderte der Vielgescholtene musikalisch schon für sich selbst und seine Amtszeit ein, deren Bedeutung in den nächsten Jahren gewiss positiver eingeschätzt werden dürfte. Ein würdevoller, ein sympathischer Abgang. Scholz, der oft büstenhaft wirkt, kam uns nah. Tränen gab es gleichwohl keine. Die Selbstergriffenheit seines sozialdemokratischen Vorgängers Schröder fehlt ihm. Dieser ließ es sich nicht nehmen, quasi als Requiem Sinatras "My Way" spielen zu lassen. Seit jeher die Selbstvergottungshymne all jener Männer, die als kritische Bilanz eines Lebens wenig anderes über sich zu sagen haben als: Das hab ich doch wieder doll hingekriegt. Alles Idioten außer ich. Der mittelständische Unternehmer Mitte 50, mit Rolex GMT und "Siegeszigarre", der es auf seinem runden Geburtstag dem Kanzler nicht längst gleichgetan hat, der werfe den ersten Stein.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
"My Way" ist der große amerikanische Bruder des Lindenberg-Bangers "Ich mach mein Ding/Egal, was die andern labern/Was die Schwachmaten einem so raten/Das ist egal". Was Schweinebaron Clemens Tönnies gern auf der Betriebsfeier schmettert, kurz nachdem das Gesundheitsamt ratlos vom Hof gefahren ist.
Musik lässt tief blicken. Sie ist melodische Verlängerung dessen, was Politiker, aber auch Menschen nicht in Worten auszudrücken vermögen. Oder was sie zu sein glauben.
Als der mittlerweile geläuterte Rocketman KT Guttenberg sich zum verfrühten Abschied im Bendlerblock von der Kapelle "Smoke on the Water" spielen ließ, hing er erkennbar noch an dem öffentlichen Bild der missverstandenen CSU-Führungskraft, in der ein echter Rock 'n' Roller schlummert. Diesen Part hat längst Markus Söder übernommen. Und jeden anderen gleich mit.
Barack Obama war ein erstklassiger Entertainer
Angela Merkel lackierte sich mit "Du hast den Farbfilm vergessen" rückwirkend eine Ost-Biografie auf, die ihr in ihrer Amtszeit nie eingefallen war. Es gibt Akkordfolgen, mit denen schmücken sich öffentliche Personen auf eine Art, wie es kein Kleidungsstück vermag. Als Barack Obama im Apollo Theater die ersten Zeilen von Al Greens "Let's Stay Together" anstimmte, wirkte er gleich noch mal 20 Prozent cooler und nahbarer. Obama: ein erstklassiger Entertainer, aber ein mittelmäßiger Präsident.
Der Große Zapfenstreich für Olaf Scholz in Bildern

Manchmal läuft es auch umgekehrt: Seit Jahrzehnten ist "I Will Survive" die Hymne sowohl selbstermächtigter Frauen als auch der queeren Szene. Man sollte meinen, dass die Sängerin dieses durchaus politischen Stückes stolz auf diese hymnische Wucht sei. Aber nein. Der streng gottesfürchtigen Gloria Gaynor aber scheint all das Empowerment fast unangenehm zu sein. Ähnlich Bruce Springsteen, der sein "Born in the USA" nicht für Ronald Reagans Wahlkampf freigeben wollte. Der spätere Präsident hatte die regierungskritische Botschaft schlicht nicht verstanden.
Apropos Wahl. Keine Ahnung, welchen Song DJ Rambo Zambo Friedrich Merz für sich selbst als passend reklamiert. "It Takes Two" wäre doch ganz passend.
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