Wer braucht weiße Weihnachten, wenn er Weihnachten schwarz auf weiß bekommt? Ein Physiker hat sich endlich mal mit etwas Sinnvollem beschäftigt und ausgerechnet, dass, wollte der Weihnachtsmann am Heiligen Abend jedes brave Kind bedenken, er mit einer Geschwindigkeit von rund 711 Kilometern pro Sekunde durch die Nacht schießen müsste. Sein Schlitten, schreibt Metin Tolan im Buch „Stille Nacht, eilige Nacht“, brächte es dabei auf gut 257.400 Tonnen, was einen Zug von etwa 117.000 Rentieren erfordern würde. Er hätte rund 82 Millionen Kilometer zurückzulegen – und das mit einem Schlitten von deutlich über 200.000 Tonnen Gewicht, vorausgesetzt, jedes Kind bekäme ein Geschenk von etwa einem Kilogramm.
Das scheint sportlich. Wir wollen uns gar nicht ausmalen, was die Deutsche Bahn angesichts dieses überperformenden Wettbewerbers empfindet. Ihrem Logo jedenfalls steht die Schamesröte ins Gesicht geschrieben.
Die Zahlen beziehen sich übrigens bescheiden auf Kinder der Christenheit. Kann natürlich sein, dass der Weihnachtsmann auch die Ungläubigen bedenkt, schon allein, weil die vermeintlich Gläubigen auch nicht mehr das sind, was sie mal waren. Die spanische Popsängerin Rosalía zum Beispiel. Die hat gerade ein katholisches Konzeptalbum herausgebracht, auf dem die Songs „Reliquia“, „Mio Cristo piange Diamanti“ (Mein Christus weint Diamanten) oder „Dios es un Stalker“ (Gott ist ein Stalker) heißen. Klingt einigermaßen gotteslästerlich, wenn Sie uns fragen. In den guten alten Zeiten wäre man dafür auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Inzwischen gibt es den Segen des Vatikans. Kardinal José Tolentino de Mendonça, Chef des päpstlichen Kultusministeriums, findet, Rosalía greife „ein tiefes Bedürfnis der zeitgenössischen Kultur nach Spiritualität auf, sie betont die religiöse Erfahrung als fundamentale Erfahrung der Menschlichkeit“.
Der Bischof von Katalonien hat ihr sogar einen ergebungsvollen Brief geschrieben: „Ich schaffe es nicht, dich zu verstehen, würde es aber gern.“ Leise tadelt er die „Provokation“ der Songs, ringt sich aber zugleich das Lob ab, die Sängerin spreche „mit absoluter Freiheit und ohne Vorbehalte“ über ihren persönlichen Gottesbegriff. So kann man Ketzerei natürlich auch nennen. Immerhin, so der Bischof, lasse sich Rosalías Großmutter regelmäßig in der Kirche blicken. Auf dem Albumcover trägt die Sängerin dem Vernehmen nach ein Ordensgewand. Uns scheint das Teil eher wie eine Zwangsjacke auszusehen, denn Ordensgewänder haben normalerweise doch Ärmel, oder?
Wenn wir der Weihnachtsmann wären, würden wir eher in Moskau vorbeifliegen, zum Beispiel bei der Familie Assad, die hat Trost wohl nötiger als dahergelaufene Popgören. Die Assads sind zwar offiziell Alawiten, also Anhänger einer Geheimreligion, von der keiner so genau weiß, was damit eigentlich los ist, angeblich irgendwas zwischen Islam und Sufismus. In Wahrheit ist die Familie aber wahrscheinlich von jedem Glauben abgefallen, das passiert, wenn man lange genug Foltergefängnisse betreibt und gar nicht weiß, wohin mit den Millionen, die man dem darbenden Volk abgepresst hat. So ein Leben ist eine Art umgekehrter Gottesbeweis. Nach seiner gescheiterten Diktatorenkarriere soll Patriarch Baschar al-Assad neuerdings seine Kenntnisse in seinem gelernten Beruf, der Augenheilkunde, auffrischen, was jetzt auch nicht versöhnlicher stimmt. Oder würden Sie sich von Doktor Assad eine Gleitsichtbrille verschreiben lassen? Wie dem auch sei – in irgendeinem Oligarchen-Vorort kaltgestellt und offenbar ohne jeden Kontakt zur Außenwelt, könnte Assad auf die Frage des Weihnachtsmanns, ob er im letzten Jahr auch brav gewesen sei, zum ersten Mal seit langer Zeit mit Ja antworten.
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