Australien verbietet Social Media für unter 16-Jährige. Unsere Kolumnistin hofft, dass dies erst der Anfang ist. Sie sorgt sich um die geistige Gesundheit der Jugend.

Kinder setzt man bekanntlich in die Welt, um sie dann als Versuchskaninchen zu missbrauchen. Die einen probieren, an ihnen die Fehler ihrer Eltern wiedergutzumachen. Andere trösten eher ihr inneres Kind als ihr leibliches durch super-antiautoritäre Erziehung, ohne die Folgen zu bedenken. Jeder experimentiert nach bestem Wissen und Gewissen an seinen Kindern herum und sorgt für den üblichen Dachschaden, den wir von Generation zu Generation weitergeben und der uns letztlich liebenswert macht. Nur eine Sache an diesen Experimenten verstehe ich nicht: Wie konnten wir unsere Kinder jahrelang diesen Smartphones und dem Silicon-Valley-Internet überlassen?

Seit Jahren sagen uns Experten, das Internet sei das größte Echtzeit-Experiment am menschlichen Gehirn, das es je gab. Nie zuvor wurde eine neue Erfindung so flächendeckend ausgerollt wie das Smartphone, ohne die Auswirkungen vorher getestet zu haben. So viele Menschen wie möglich sollten ein Handy und Internetzugang besitzen. Und so sind wir Menschen zu dopaminsüchtigen Zweibeinern mutiert. Als mutmaßliche Folge davon werden wir erstmals dümmer, als unsere Mitmenschen eine Generation zuvor waren. Gut, so ein bisschen Dummheit hat dem Kapitalismus noch nie geschadet, werden einige denken. Und wir sind alle groß genug, um Entscheidungen zu treffen.

Doch was ist mit Kindern, die es eben nicht sind?

Sie sind die Ersten, für die dieses wilde Experiment den Zugang zur Welt definierte. Sie kennen das Leben nicht, ohne über ein Display zu wischen. Studien zeigen: Sie fühlen sich weniger einsam mit ihren Smartphone als mit ihren Freunden. Das liege daran, dass die meisten Jungen, wenn sie sich zum Spielen treffen, weiterhin auf einen Bildschirm starren.

Social-Media-Verbot in Australien ist ein Versuch, aber nur der Anfang

Australien hat jetzt radikal entschieden, Teile des Netzes für junge Menschen zu schließen. Nicht perfekt, aber ein Versuch. Erst jetzt denken Staaten ernsthaft über ein Handyverbot an Schulen nach. Was zur Hölle war mit uns los, als wir unsere Kleinsten diesem Massenexperiment schutzlos überließen, obwohl Experten deutlich machten, wie wenig sich diese Sucht kontrollieren lässt? Ein Lehrer aus den USA, der jahrelang mit Kollegen verzweifelt versucht hatte, Unterricht so zu gestalten, dass er junge Menschen interessiert, sagte nach einer Woche Handyverbot an seiner Schule: "War es wirklich so einfach? Die ganze Zeit?"

Unser Handykonsum hat uns das Hirn verblasen. In Coronazeiten, als #zuhausebleiben angesagt war, surfte auch ich bis zu acht Stunden am Tag. Studien zeigten: Jugendliche toppten diese irre Stundenzahl locker. Wie konnten wir einer anderen Epidemie so freien Lauf lassen, bis das Smartphone wie ein digitaler Christoph Kolumbus die Köpfe kolonisierte? Selbst wenn wir es zur Seite legen, ist die Gehirnaktivität messbar nicht mehr so lebendig, weil ein Teil unserer Aufmerksamkeit allein von der Präsenz des Geräts beansprucht wird.

Wieso haben wir eine ganze Generation diesen digitalen Manipulationen ausgesetzt? Statt sie zu schützen, haben wir die Standards heruntergeschraubt: weniger Bildung, weniger Bücher, sie können sich ja nicht mehr konzentrieren! Dieses Defizit holen sie nur noch schwer auf. Viele Medien setzen bei den Jungen auf Tiktok-taugliche Aufmerksamkeitsspannen von drei Sekunden. Als wäre die Fantasie tot. Dafür sind sie Sklaven der Selbstvermarktung, noch bevor sie wissen, was ein Selbst ist.

Schuld an diesem Wahnsinn sind nicht zuletzt wir, es müsste wohl auch an uns sein, dem Ganzen Grenzen zu setzen. Weit mehr als "Handy aus!" 

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