"Alle, die sich von Gottes Geist regieren lassen, sind Kinder Gottes", heißt es im achten Römerbrief, Vers 14. Doch was geschieht, wenn man den Worten der Bibel keinen Raum zur Interpretation lässt, wenn man sie allzu wörtlich nimmt? Wenn man überzeugt ist, dass die Liebe von Gott nur denen zuteilwird, die ihm gefallen? Und was ist dann mit jenen, die diesen Erwartungen nicht entsprechen? – Das berührende Coming of Age-Drama "Gotteskinder" rückt genau diese Fragen in den Fokus. Im Mittelpunkt stehen die Geschwister Hannah (Flora Li Thiemann) und Timotheus (Serafin Mishiev), aufgewachsen in einer streng evangelikalen Familie. Doch je älter sie werden, desto mehr beginnt die Fassade des Glaubens zu bröckeln. Regie führt Frauke Lodders, die zugleich das Drehbuch verfasste.
Zwischen Glaube und Liebe
"Halleluja, Gott ist groß", rufen Menschen zu Beginn des Films. Es ist kein Ruf mehr, sondern fast schon ein Schrei, ein Klagen, ein Weinen. Zuschauende werden mitten in einen ekstatischen Lobpreis-Gottesdienst geworfen. Das Thema: Die Erwartungen Jesu sollen erfüllt werden. Unter den Gläubigen sind auch neue Gesichter – darunter Susanne (Karoline Eichhorn), die gemeinsam mit ihrem Sohn Max (Michelangelo Fortuzzi) in die Nachbarschaft gezogen ist. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, der an einem Herzinfarkt starb, sucht sie einen Neuanfang. Eigentlich glaubt Susanne nicht an Gott, doch die Familie von Hannah und Timotheus ist fest entschlossen, sie eines Besseren zu belehren.
Zwischen Max und Hannah entwickelt sich eine zarte Freundschaft, die bald tiefer geht, als es Hannahs Glaube erlauben würde. Etwas Freches, Freies, Unbeschwertes umgibt Max. Etwas, das Hannah magisch anzieht. Es sind wohl nur die ganz normalen Gefühle einer Jugendlichen: Sie ist neugierig, suchend, rebellisch. Doch wie passt das in das Leben eines Mädchens, das in der gestrengen Freikirche aktiv ist und ein Gelübde abgelegt hat, bis zur Ehe enthaltsam zu bleiben?
Der, der Gott fürchtet
Der vielfach ausgezeichnete Film erzählt ebenso die Geschichte von Timotheus. Sein Name bedeutet "fürchte Gott", und genau das tut er. Sein Leben ist Gott und Jesus geweiht, so wie es seine Eltern verlangen. Wären da nicht seine Gedanken an seinen Freund Jonas (Lennox Halm). Timotheus weiß, dass sein Vater David (Mark Waschke) gleichgeschlechtliche Liebe als Sünde betrachtet. "Gott möchte nicht, dass zwei Frauen zusammen sind oder sogar heiraten", sagt David einmal zu seiner Tochter, als diese erzählt, sie habe im Kindergarten Sabrina geheiratet. Ein Schlag ins Gesicht beendet das Gespräch. Das Mädchen flieht weinend in ihr Zimmer.
Doch für Timotheus ist es kein Kinderspiel. Es sind echte Gefühle, die ihn verfolgen. In der Hoffnung auf Heilung besucht er ein religiöses Seminar und trifft dort ausgerechnet Jonas wieder ...
Wo liegt Selbstbestimmung?
"Gotteskinder" ist kein Film, der vom Glauben abbringen will. Er dekliniert den Widerspruch zwischen Selbstbestimmung und strenger Glaubensauslegung und macht dabei nicht den Fehler, einfachen Antworten auf kaum zu beantwortende Fragen anzubieten. Vielmehr bleibt die Story sehr geschickt bei den jungen Protagonisten und zeigt auf, welchen Einfluss streng evangelikale Familien auf ihre Kinder ausüben.
Der Kinofilm feierte 2024 beim Filmfestival Max Ophüls Preis Premiere und wurde mit dem Preis der Jugendjury ausgezeichnet. Ab Freitag, 14. November, ist "Gotteskinder" auch in der ARTE-Mediathek abrufbar.
Gotteskinder – Fr. 14.11. – ARTE: 20.15 Uhr
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