Den wichtigsten Rat ihres Lebens, erklärte Uschi Glas einmal, habe sie von ihrem Vater bekommen. "'Du musst am Abend in den Spiegel schauen können‘, sagte mein Vater immer und immer wieder. Dieser Satz, er war sein Credo. Weil er genau das selbst nicht konnte?"
In einem Punkt machte er nämlich eine Ausnahme: Christian Glas sprach niemals über sein Leben in Hitler-Deutschland. "Auf meine vielen Fragen zu seiner Rolle im NS-Staat und im Zweiten Weltkrieg sagte er nur: 'Das verstehst du nicht.' Und ja, damit hatte er allerdings recht. Ich verstehe tatsächlich nicht, was ich nun, mehr als 80 Jahre nach Kriegsende, erfahre."
"Das war die Wahrheit, die weh tut"
Uschi Glas hatte sein Schweigen lange hingenommen, bis sie selbst nicht mehr in den Spiegel schauen konnte – und einen Ahnenforscher beauftragte, ihre Familiengeschichte zu recherchieren. Das Ergebnis ist für die 81-Jährige ein Schock: Ihr Vater trat bereits im Dezember 1931 als 18-Jähriger der NSDAP bei. Und er war bei der Waffen-SS. "Das war die Wahrheit, die weh tut. Aber ich wollte sie wissen. Ich wollte nicht länger verdrängen", erklärte sie gegenüber der "Bild".
Und dies sind die Fakten: 1944 wurde Christian Glas SS-Mann, als Funker bei der Division "Skanderbeg". Beweise für eine Schuld an Kriegsverbrechen liegen jedoch nicht vor. Die Division Skanderbeg war zwar beteiligt an Kriegsverbrechen und der Deportation von Juden, doch dies geschah vor Glas' Zeit als Funker.
Uschi Glas verarbeitet das Familiengeheimnis in einem Buch
Weshalb Uschi Glas die Nachricht besonders trifft: Sie engagiert seit Jahrzehnten für die Existenzberechtigung Israels. Als sie den Ahnenforscher beauftragte, hatte Glas sogar gehofft, er würde auf jüdische Vorfahren stoßen. Stattdessen teilt Glas das Erlebnis vieler Deutscher, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden – wenn Mütter, Vater, Omas und Opas sich nach jahrelangem Schweigen als Mitläufer oder sogar Handlanger der NS-Verbrecher entpuppten.
Von "Winnetou" bis "Fack ju Göhte": Das bewegte Leben von Uschi Glas in Bildern
Uschi Glas – Jahrgang 1944 – hat ihre Spurensuche nun in einem Buch verarbeitet, das am 12. November erscheint: "Du bist unwiderstehlich, Wahrheit" (Mosaik). Darin spricht sie mit Charlotte Knobloch, 93 und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, über Verdrängung, Mut und Toleranz.
Insofern wurde Christian Glas doch noch von seinem eigenen Credo eingeholt: Er selber hat vielleicht nicht in den Spiegel geschaut, aber jetzt tut es seine Tochter an seiner Stelle.
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