Was ist ein MedBed? Das weiß jeder, der schon einmal „Raumschiff Enterprise“ gesehen hat: Bei einem MedBed handelt es sich um eine Liege aus Stahl, über die sich eine halbierte Glasröhre spannt. In früheren Versionen der Fernsehserie wird zur Bedienung des MedBed noch ein Arzt benötigt; in „Raumschiff Voyager“ übernimmt dann ein vom Schiffcomputer erzeugtes, etwas quengeliges Hologramm – dargestellt von Robert Picardo – die Aufgabe des Doktors. Das MedBed ist ein Wunderding. Es kuriert jede Krankheit: Wer es sich auf der Liege bequem macht, steht als Gesunder wieder auf, chirurgische Eingriffe sind kein Problem, und der Krebs ist im Universum von „Raumschiff Enterprise“ ohnehin besiegt.
Abermillionen von Donald Trumps Anhängern sind überzeugt, dass es solche MedBeds gibt, und zwar jetzt, in der Realität, nicht in irgendeiner utopischen Zukunft. Allerdings würden die Medbeds von den boshaften linksliberalen Eliten in den Küstenstaaten zurückgehalten, die sie nur für sich und ihresgleichen benutzen. In diesem Frühjahr hat der amerikanische Präsident auf Truth Social, seinem bevorzugten Propagandainstrument, ein vier Minuten langes, von künstlicher Intelligenz erzeugtes Video gepostet, das seine Schwiegertochter Lara als Nachrichtensprecherin bei Fox News zeigt. Lara Trump verkündet, dass bald spezielle Krankenhäuser, die über ganz Amerika verteilt sind, ihre Tore öffnen werden, denn der Präsident will sämtlichen Amerikanerinnen und Amerikanern mittels MedBeds „zu voller Gesundheit und ganzer Stärke“ verhelfen. Halleluja! Donald Trump ist der Messias, und er schenkt denen, die ihm vertrauen, das ewige Leben.
Die Episode zeigt das Dilemma, in dem wir alle miteinander stecken. Wie spricht man mit Leuten, die ernsthaft an solchen Unsinn glauben? Wie bringt man Menschen, die in einem Wahnsystem gefangen sind, dazu, wieder dazu, zwischen echten Optionen abzuwägen, statt Hirngespinsten nachzulaufen? Was tun, wenn der Wahn die Massenmedien kontrolliert?
Allerdings verbirgt sich in der Fata Morgana von den magischen Betten eine tiefere Wahrheit. Seit ungefähr zehn Jahren erlaubt die Frage nach dem Gesundheitszustand der Bevölkerung eines spezifischen Wahlbezirks in Amerika ziemlich genaue Voraussagen über das Wahlverhalten. Je mehr Herzkranke, Diabetiker, Übergewichtige, Krebsleidende es gibt, desto mehr Leute wählen die Republikaner. Woran liegt das? Was steckt dahinter?
Stadt, Land, Lebenserwartung
Hier muss ich für ein paar Absätze persönlich werden. Ich bin Amerikaner (nach hiesiger Taxonomie weiß, männlich) und vor ein paar Monaten sechzig geworden; damit liegen, statistisch gesehen, noch 15,8 Jahre vor mir. Lebte ich in Europa bliebe mir deutlich mehr Zeit: 18,7 Jahre. Die Lebenserwartung in den Vereinigten Staaten bleibt auffällig hinter der anderer Industrieländer zurück. Allerdings sagen diese Zahlen nicht ganz so viel, wie man denken könnte. Zwischen den verschiedenen Bundesstaaten tun sich gewaltige Unterschiede auf: Als New Yorker unterscheidet sich meine Lebenserwartung kaum von der europäischen, wäre ich hingegen in Mississippi zu Hause, blieben mir aus dem Blickwinkel der Statistik nur noch zehn Jahre. Die Bundesstaaten mit der geringsten Lebenserwartung befinden sich allesamt im Süden. In Bundesstaaten, in denen die Demokraten regieren, lebt man deutlich länger; die höchste Lebenserwartung von allen hat Hawaii.
Aber auch das ist nur eine Teilwahrheit. Die größte Lücke klafft im heutigen Amerika zwischen Stadt und Land, und sie macht keine Anstalten, sich zu schließen. Da ich in New York City lebe, ist meine Lebenserwartung zwei Jahre länger, als wenn ich drei Autostunden entfernt in Putnam County leben würde. Die Gründe sind vielfältig: Die Leute auf dem Land sind dicker, viele von ihnen rauchen, sie leiden häufiger an hohem Blutdruck und Beschädigungen der Herzkranzgefäße. Sie sterben häufiger an Krankheiten, die man in Amerika „die Krankheiten der Verzweiflung“ nennt: Leberzirrhose, Suizid, einer Überdosis. Und es gibt in ländlichen Gegenden kaum noch Krankenhäuser oder niedergelassene Ärzte. Sie haben zugemacht oder sind weggezogen, weil sich die Sache nicht rechnet.
Insgesamt ist es so, dass die Hälfte der Amerikaner – die ärmere Hälfte – eine Lebenserwartung hat, die sieben Jahre geringer ist als die Lebenserwartung der reicheren Hälfte.
Der Wahnsinn hat Methode
Eine Anekdote: Vor etwa zwölf Jahren fiel meiner Frau auf, dass mein linkes Augenlid herunterhing. In den Tagen vorher hatten mich heftige Kopfschmerzen schier um den Verstand gebracht. Wir gingen in eine der vielen privaten Notaufnahmen, die es in New York gibt; der Besuch kostete uns 50 Dollar und ergab, dass ich einen extrem erhöhten Blutdruck hatte. Außerdem war meine linke Pupille kleiner als die rechte, ein sehr schlechtes Zeichen. Wir verfügten uns sofort in die Notaufnahme des nächstbesten Krankenhauses. Dort warteten mehr als dreißig Leute, von denen kaum einer ein Notfall war: Das waren die Unversicherten. Menschen ohne Krankenversicherung, die ein Asthmaspray, ein fiebersenkendes Mittel, ein Antibiotikum benötigen, lassen sich in den Vereinigten Staaten meistens in der Notaufnahme behandeln; das Krankenhaus schreibt die Behandlung dann als schlechte Schulden ab und lässt sich die Kosten von den Versicherten erstatten.
Ich kannte Amerika mittlerweile gut genug, dass ich wusste: Jetzt war ein bisschen Radau fällig, sonst würde ich nie drankommen. Ich drohte den Krankenschwestern mit dem Anwalt. „Wenn ich hier tot umkippe, wird meine Witwe“ – ich deutete auf meine Frau – „Sie auf eine dermaßen fantastische Summe verklagen, dass dieses Krankenhaus schließen muss.“ Das wirkte, ich kam prompt dran. Ein sympathischer Arzt – Immigrant aus Argentinien – diagnostizierte, dass ich mir die linke Halsschlagader angeknackst hatte; zum Glück bekam ich keinen Schlaganfall, mein Blutdruck wurde ganz langsam herunterreguliert, nach ein paar Nächten auf der Intensivstation durfte ich nach Hause. Natürlich gab es nachher eine gesalzene und gepfefferte Rechnung, obwohl wir, meine Frau und ich, krankenversichert sind. Das war meine Erfahrung als Mensch des Mittelstands in der reichsten Stadt Amerikas. Im ländlichen Mississippi hätte ich von einem Besuch beim Arzt wohl nur träumen können.
Es gibt eine politische Partei in Amerika, die seit Jahren für eine allgemeine Krankenversicherung einsetzt; das sind die Demokraten. Die größte Errungenschaft von Barack Obama war der „Affordable Care Act“, der dafür sorgte, dass auch Leute mit Vorerkrankungen sich eine Krankenversicherung kaufen können. Allerdings scheuen auch die Demokraten davor zurück, staatliche Krankenkassen einzurichten, wie es sie in beinahe allen anderen Industriestaaten gibt. Die Republikanische Partei hat die Demokraten dabei stetig bekämpft. Die Idee, dass es ein Menschenrecht auf medizinische Behandlung gebe, gilt der amerikanischen Rechten als Ausgeburt des verschärften Bolschewismus; für sie ist eine Krankenversicherung kein Recht, sondern ein Privileg, das man sich mit der Scheckkarte erwirbt.
So ist ein System entstanden, das an das Zeitalter der amerikanischen Räuberbarone am Ende des 19. Jahrhunderts erinnert. Für die Superreichen gibt es Privatjets, persönliche Trainer, private Wellness-Center, teure Medikamente, mit deren Hilfe man problemlos abnehmen kann, Ski-Urlaube in Aspen. Amerikaner des Mittelstands leben in der Furcht vor verborgenen Kosten (was, wenn der Anästhesist meine Krankenversicherung nicht akzeptiert und ich nach dem Aufwachen aus der Narkose plötzlich 20.000 Dollar schulde?). Sie leben in der Furcht, dass sie, wenn sie ihren Job verlieren, auch ihre Krankenversicherung los sind. Wenn die Republikaner im Kongress ihren Willen bekommen, werden Mittelstandsamerikaner bald auch wieder mit der Furcht leben, ihr Haus zu verlieren, wenn sie an Krebs erkranken, weil die Krankenkasse sie in diesem Fall einfach wird hinauswerfen können. Die Armen liegen unterdessen in Kliniken, in denen es nicht genug Ärzte gibt, und warten auf den Tod.
Mit anderen Worten: Die Beobachtung, dass die Elite über Wunderbetten verfügt, die alles kurieren, und sie dem Rest der amerikanischen Bevölkerung vorenthalten, ist nicht wahnsinnig. Wahnsinnig ist nur die Erwartung, dass ausgerechnet Donald Trump sie den Armen und Bedürftigen zur Verfügung stellen wird.
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