Das Gift des Antisemitismus wirkt langsam, aber nachhaltig. Vor allem in der Kultur. Ein Vorfall wie der in der Pariser Philharmonie, wo am Abend des 6. November 2025 vier Personen gezielt das Konzert des Israel Philharmonic Orchestra mit Nebelgranaten mehrfach unterbrachen und für Chaos sorgten, wird langfristige Folgen haben. Konzerthäuser und Musikveranstalter werden sich in Zukunft fragen, ob sie das Risiko eingehen wollen. Denn Aufrufe zum Boykott israelischer Künstler mögen inzwischen zur traurigen Tagesordnung gehören. Jetzt soll bestraft werden, wer sich ihnen und der antisemitischen Kopfwäsche widersetzt.

Auf Aufnahmen des Konzerts, die im Netz kursieren, sieht man den Pariser Hector-Berlioz-Saal von einer roten Rauchbombe erleuchtet. Zu erkennen ist auch, wie ein aufgebrachter Zuschauer auf einen der Aktivisten einschlägt und ihn durch die Sitzreihen verfolgt. Die Störer wurden anschließend von Polizisten aus dem Saal geführt. Auch vor der Philharmonie sollen Aktivisten demonstriert haben. Die Pariser Staatsanwaltschaft teilte am Freitag mit, dass drei Frauen und ein Mann festgenommen wurden.

In einer Pressemitteilung der Cité de la Musique-Philharmonie de Paris hieß es, dass man die „schweren Vorfälle auf das Schärfste“ verurteile und Anzeige erstattet habe. Das Konzert sei mehrfach unterbrochen worden, darunter zweimal durch den Einsatz von Rauchbomben, worauf Zuschauer eingegriffen hätten. „Es kam zu Auseinandersetzungen“, heißt es trocken in der Erklärung. Frankreichs Innenminister Laurent Nuñez sagte, dass dieses Vorgehen „durch nichts zu rechtfertigen“ sei. Sowohl vor dem Konzerthaus als auch im Saal seien Polizisten gewesen, teilweise in Zivil, bestätigte Nuñez. Jonathan Arfi, der Präsident des Verbandes der jüdischen Institutionen (CRIF), verlangte „beispielhafte Sanktionen“ gegen „diese hasserfüllten Aufrührer“.

Schon im Vorfeld hatten propalästinensische Aktivisten die Absage des Konzerts gefordert. Die Gewerkschaft CGT verlangte von der Philharmonie, dass sie ihrem Publikum „die hoch gravierenden Vorwürfe in Erinnerung ruft, die auf den verantwortlichen Politikern“ Israels lasten. Die Abteilung „Musik und Schauspiel“ der CGT bewertete das Konzert als einen „Versuch der Normalisierung vonseiten des israelischen Staates“. Worauf sich Kulturministerin Rachida Dati in die Debatte einmischte und daran erinnerte, dass es nicht die Rolle einer Gewerkschaft sei, Zensur auszuüben und Künstler zu verbieten. Sie hieß das israelische Orchester in einem Interview auf „Sud Radio“ herzlich willkommen.

Auf dem Programm an diesem Donnerstagabend stand unter anderem Beethovens 5. Klavierkonzert mit dem Solisten András Schiff unter Leitung von Lahav Shani. Der israelische Dirigent, der ab Herbst nächsten Jahres die Leitung der Münchner Philharmoniker übernehmen soll, war bereits im September von einem Musikfestival im belgischen Gent ausgeladen worden. In einer Stellungnahme zu dieser Ausladung erinnerte er daran, dass der „unmenschliche Angriff“ der Hamas am 7. Oktober 2023 den Gaza-Krieg ausgelöst habe.

„Dennoch habe ich, wie viele Israelis, meine menschlichen Werte nicht aufgeben. Die Bilder und Berichte aus Gaza sind zutiefst erschütternd, und es ist unmöglich, angesichts der Katastrophe, die dieser Krieg über die Zivilbevölkerung in Gaza gebracht hat, gleichgültig zu bleiben“, schrieb Shani. Außerdem verwies er auf die völkerverbindende Rolle der Musik. In seinem Orchester gehe „die Förderung der klassischen Musik stets Hand in Hand mit dem Bemühen, die Menschen innerhalb Israels sowie zwischen Israel und der Welt zu verbinden“, schrieb Shani.

Verrückt ist nicht nur, dass sich israelische Künstler einer Gewissensprüfung unterziehen müssen. Noch verrückter ist, dass derartige Stellungnahmen keinen Wert mehr haben. Ein israelischer Pass allein reicht heute, um sich in den Augen der propalästinensischen Aktivisten schuldig zu machen. Dass dies Antisemitismus pur ist, wollen sie nicht wahrhaben.

Auch wenn die gezielte Störung von den meisten Politikern in Frankreich verurteilt wird, gibt es die Riege der üblichen Verdächtigen der linksextremen Partei „Unbeugsames Frankreich“ (LFI), die ihre Wahlklientel bedienen. Auf die Frage, ob sie die Vorfälle verurteile, antworte die französische Europaabgeordnete Manon Aubry mit einem klaren Nein: „Das sind nicht irgendwelche Künstler. Das sind Künstler, die den Staat Israel repräsentieren. Wenn die israelische Regierung aufhören würde, ein ganzes Volk zu massakrieren, wäre dies das beste Mittel, solche Zwischenfälle zu verhindern“, so die LFI-Politikerin am Freitagmorgen auf dem privaten TV-Sender „CNews“.

Es sind in ihren Augen nicht irgendwelche Künstler, nicht weil es israelische Künstler sind, sondern weil es jüdische Künstler sind. Oder wie es Philippe Val formuliert, der ehemalige Chefredakteur der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“: Frankreichs extreme Linke ist nicht antisemitisch geworden, weil sie propalästinensisch ist. Sie ist propalästinensisch geworden, weil sie antisemitisch ist.

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