Einst spielte er mit Bundeskanzler Helmut Schmidt Klavier, beerbte Anneliese Rothenberger als TV-Klassik-Präsentator und ließ sich von Leonard Bernstein küssen: Justus „Frantz-Dampf in allen Gassen“ war mal eine Größe der deutschen Kultur.

Doch das ist lange her. Heute sucht Justus Frantz sein Heil als Salongastgeber der Neo-Rechten und gerade hat er sich von Wladimir Putin höchstselbst in Moskau einen russischen Freundschaftsorden anheften lassen. Ja, so tief kann man fallen, ganz zu schweigen von juristisch anmutenden Problemen und abgesagten Auftritten. Zuletzt blieb ihm nur noch der Boulevard-Kummerkasten für Geständnisse über die schwindende Gesundheit und seine Bisexualität.

Wobei man sagen muss: Justus Frantz – geboren 1944 im polnischen Hohensalza und gemeinsam mit Claus Kanngiesser zweiter Preisträger beim internationalen Musikwettbewerb der ARD im Duo Violoncello und Klavier – war zeitlebens immer eher ein zweitklassiger Musiker. Daran änderten auch die Meisterkurse bei dem Pianisten Wilhelm Kempff und die zeitweise Geneigtheit des Dirigenten Herbert von Karajans Anfang der 1970er-Jahre nichts. Doch besaß Frantz noch ein viel größeres Talent zur Vernetzung, Kommunikation und Freundschaft.

So machte er sich – weltberühmt vor allem in Hamburg und gerade Professor an der dortigen Musikhochschule geworden – im Jahr 1986 auf, das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) zu gründen. Und alle kamen sie zu den mitreißenden Konzertpartien auf dem Land in Schlössern, Kirchen und Scheunen. Bis 1994 war er dessen Intendant. Dann schied er im Unfrieden, weil er sich augenscheinlich übernommen hatte, hinter den Kulissen offenbar nicht nur freundlich agierte. Das Festival aber gedeiht noch heute.

Mozart-Opern mit Anna Netrebko

Das SHMF ist Frantz’ bleibender Verdienst, besonders auch dessen Orchesterakademie im 2011 vom Land abgewickelten Rittergut Salzau, wo so unterschiedliche Taktstockcharaktere wie Leonard Bernstein und Sergiu Celibidache lehrten. Sehr früh hatte Justus Frantz auch schon Valery Gergiev und sein Sankt Petersburger Mariinski-Theater nach Schleswig-Holstein eingeladen, wohl wissend, dass die Russen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs dringend Devisen brauchten, um mit ihren personalintensiven Institutionen zu überleben.

Das hat ihm der heute mächtigste Künstler Russlands nie vergessen. Frantz wurde immer wieder von Gergiev als Dirigent (einen Beruf, den er höchstens leidlich beherrscht) eingeladen, in Russland ein Repertoire zu dirigieren, das dort keiner kannte: Mozart-Opern – mit einer jungen Sängerin namens Anna Netrebko zum Beispiel.

Und Gergiev hat auch den Kontakt zu seinem obersten Dienstherren Wladimir Putin angebahnt, in dessen Ordenssonne Justus Frantz jetzt zu strahlen glaubt: Frantz hat den Überfall samt Anschluss auf der Krim als „Wiedergutmachung historischen Unrechts“ verteidigt, predigt die Suada von der Musik als ewig verbindendem Glied selbst zweifelhaftester Völkerfreundschaft und sieht sich allen Ernsts als Friedensbotschafter. So auch 2024 bei einem Treffen in seinem Pöseldorfer Salon mit Russlandverstehern wie Alice Weidel, Sahra Wagenknecht, Alexander von Bismarck und Roger Köppel. Seinen 80. Geburtstag feierte er ebenfalls in Russland, wo er zudem während des Ukrainekriegs auch als Juror im vom Westen sanktionierten Tschaikowsky-Wettbewerb auftrat.

Der professionelle Klassikbetrieb hatte Justus Franz freilich bereits vor Jahrzehnten fallen gelassen und nicht mehr ernst genommen. Während sein früherer Weggefährte Christoph Eschenbach, mit dem er einst zusammen mit Helmut Schmidt Bach- und Mozartkonzerte für drei Klaviere gespielt hatte, immer weiter aufstieg, fiel der Frantz-Stern immer tiefer. Ihm war es zunächst egal, er begründete 1989 die Deutsch-Sowjetische Junge Philharmonie sowie 1995 die Philharmonie der Nationen. Unter dem Motto „Make Music as Friends“ musizierten hier junge Instrumentalisten aus verschiedenen, vor allem osteuropäischen Ländern.

Bejubelt wurde Justus Frantz dafür vor allem von Society-Größen, kaum von echten Musikliebhabern. Trotzdem ließ ihn das ZDF in Formaten wie „Achtung! Klassik“ zu guten Sendezeiten auf die TV-Nation los. Und auf Gran Canaria, wo er ein Ferienhaus hat, gründete er das Finca-Festival „Justus & Friends“; die Besucher kamen vor allem von der Elbchaussee.

Im Oktober 2024 kündigte Frantz nach der in diversen Interviews verbreiteten Diagnose Gehirntumor eine Abschiedstournee an; die meisten Konzerte mussten jedoch wieder abgesagt werden. Dafür lobte der selbst ernannte „Putin-Versteher“ Justus Frantz jetzt in Moskau den dortigen Machthaber für seine „Liebe zur deutschen Sprache“.

Beim Schleswig-Holstein Musik Festival ist Justus Frantz hingegen schon länger Persona non grata. Festivalleiter Christian Kuhnt erklärte, eine Vielzahl von Gründen habe eine Einladung von Frantz unmöglich gemacht. „Sein Engagement in Russland ist einer davon.“

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