Dan Trachtenberg hat das Kunststück geschafft, einem totgelaufenen Franchise wieder Leben einzuhauchen. Mit „Prey“ machte er die „Predator“-Reihe zu einer Geschichte über Angst, Stolz und Einsamkeit. Nun kehrt er mit „Badlands“ zurück – mit einem Raubtier, das Gefühle zeigt. Im Berliner Soho-Haus empfängt ein sanfter und besonnener Action-Regisseur zum Interview.

WELT: Ihre Karriere begann als Podcast-Host. Hat Ihnen das einen anderen Zugang zum Filmemachen gegeben?

Dan Trachtenberg: Vielleicht war das sogar einer der Gründe, warum ich den Podcast überhaupt gemacht habe: Ich bin ein Liebhaber – von Filmen, Serien, Videospielen, von allem, was erzählt. Schon als Kind habe ich mit meinen Eltern gestritten, wenn ihnen etwas nicht gefiel. Ich habe selten etwas völlig verachtet. Ich versuche, in allem etwas zu finden, das ich genießen kann. Diese Haltung hat mir beim Filmemachen geholfen.

WELT: War es schwierig, vom Beobachter zum Macher zu werden?

Trachtenberg: Weniger, als man denkt. Ich hatte schon meine DGA-Karte, also meine offizielle Zulassung als Regisseur, bevor ich mit dem Podcast anfing. Ich hatte Werbefilme gedreht, also die handwerkliche Seite kannte ich. Aber das Zusammenspiel mit Schauspielern, das habe ich erst richtig gelernt, als ich mit ihnen Podcasts machte. Das war eine Schule darin, wie man Gedanken präzise ausdrückt, ohne sie totzuerklären. Kommunikation ist ja die eigentliche Regiearbeit: zu verhindern, dass man missverstanden wird – und gleichzeitig ein Feuer zu entfachen.

WELT: Was ist die wichtigste Fähigkeit, die ein Regisseur haben muss?

Trachtenberg: Zu wissen, wann man recht hat – und wann nicht. Das ist ein ständiges Pendeln: Manchmal zweifelt jemand an deiner Idee, weil er sie schlicht noch nicht sehen kann. Und wenn er das fertige Werk sieht, versteht er plötzlich: Genau deshalb wolltest du es so. Aber manchmal irrt man sich. Dann hat jemand anders den klareren Blick. Die Kunst ist, zu wissen, wann man stur bleibt und wann man sich öffnet. Beides kann falsch sein. Ich lerne das immer noch. Und ich arbeite am liebsten mit Leuten, die klug und gutherzig sind.

WELT: Findet man die in Hollywood?

Trachtenberg: Es gibt sie auch dort, die guten Menschen. Das hilft, Visionen durchzusetzen. Manchmal ist schon das Wort „ja“ ein Akt des Mutes. Ein Studioleiter, der ein gefährliches Projekt absegnet, riskiert seine Karriere.

WELT: Sie haben große Marken geerbt – „Predator“ etwa. Viele Filmemacher verlieren da die Kontrolle, wenn das Studio übernimmt.

Trachtenberg: Ich habe das früh gerochen, wenn eine Produktion nicht auf meiner Wellenlänge war, und dann lieber Abstand genommen. Aber bei „Prey“ und jetzt „Badlands“ war es anders. Da hatte ich Partner, die verstanden, was ich wollte – und es respektierten. Das ist selten.

WELT: In Ihren Filmen stehen auffallend oft Frauen im Zentrum. Zufall oder Absicht?

Trachtenberg: Ich habe mich nie mit dieser traditionellen Vorstellung von Männlichkeit identifiziert. Ich war nie der Sport- oder Autotyp. Ich trinke kaum, ich schraube nicht an Motoren. Ich hatte immer enge Freundinnen und fand weibliche Figuren einfach interessanter, komplexer. Vielleicht, weil sie im Genre-Kino oft unterschätzt werden. Zu Hause ist es ähnlich: Wenn bei uns ein Insekt auftaucht, erledigt das meine Frau, nicht ich. Sie ist die Furchtlose in der Familie. Das prägt natürlich, wie man Figuren schreibt. Ich wollte nie einfach eine „weibliche Version“ des Helden machen, sondern Geschichten, in denen das Geschlecht etwas über das Thema erzählt – über Mut, Verlust, Selbstbehauptung.

WELT: Das verbindet Ihre Arbeit mit dem klassischen Achtzigerjahre-Actionkino, das gleichzeitig ultramaskulin und von starken Frauen durchzogen war – Sigourney Weaver, Linda Hamilton, Jamie Lee Curtis …

Trachtenberg: Absolut. Das war keine Pose damals. „Aliens“ funktioniert emotional, weil es von Mutterschaft handelt – Ripley verliert ihre Tochter, findet ein Kind und kämpft am Ende buchstäblich gegen eine andere Mutter. Das ist tief in der Geschichte verwurzelt. Es war nie ein Gimmick. Ich wollte, dass „Prey“ und „Badlands“ daran anschließen.

WELT: Sie haben den „Predator“-Mythos in eine ähnliche Richtung geführt – weg von der reinen Brutalität.

Trachtenberg: Ich glaube, das steckte schon im Original von 1987. Man erinnert sich an Schwarzeneggers Muskeln, aber der Film selbst erzählt von Schwäche. Von Männern, die mit ihren Waffen nichts mehr anfangen können. Am Ende überlebt nur einer – nicht wegen seiner Kraft, sondern wegen seiner Klugheit. In „Badlands“ wird der Predator fast zur tragischen Figur. Das Monster ist der Außenseiter. Das verbindet ihn mit allen meinen Helden.

WELT: Manche halten Franchise-Filme für seelenlose Industrieprodukte.

Trachtenberg: Ja, das höre ich oft. Aber ich sehe sie als moderne Mythen. Man kann sie benutzen, um Neues zu erzählen – genau wie Christopher Nolan es mit Batman gemacht hat oder einige Marvel-Filme, die plötzlich politische Thriller oder Coming-of-Age-Komödien sind. Ein Franchise ist nur dann tot, wenn es sich wiederholt. Wenn man aber etwas Gewagtes hineinschreibt, wird es lebendig. Bei „Prey“ war mir wichtig, dass die Geschichte auch ohne das Monster funktioniert: ein Überlebensdrama wie „The Revenant“ oder „Gravity“. Erst dann kam die Idee, es mit dem Predator zu verknüpfen. Da wurde es plötzlich doppelt interessant.

WELT: In „Badlands“ machen Sie den Predator selbst zur Hauptfigur.

Trachtenberg: Der Predator ist eine Ikone, schon wegen seines Designs – Kinder verkleiden sich zu Halloween als er – hoffentlich, ohne je den Film gesehen zu haben. Aber warum müssen alle dieser Spezies gleich aussehen? Ich wollte, dass meiner anders ist, verletzlicher. In frühen Entwürfen war er blind, ein ausgestoßener Samurai. Am Ende wurde er der „Kleine“, der Unterschätzte – und trotzdem edel.

WELT: Das scheint ein Leitmotiv Ihrer Arbeit: die Schwäche im Zentrum. Elle Fannings Androide in „Badlands“ hat keine Beine.

Trachtenberg: Ja. Ich mochte immer lieber „Karate Kid“ oder „Rudy“ als „Star Wars“. Diese Geschichten, in denen jemand klein ist, überfordert, und trotzdem weitermacht. Wir sind alle keine Auserwählten. Wir sind Menschen, die stolpern und daraus etwas machen. Wir haben das Gefühl, dass wir unsere Handicaps kompensieren und in Stärken verwandeln müssen. Das sind die Arten von Protagonisten, zu denen ich mich hingezogen fühle.

WELT: Vielleicht ist das die Zukunft des Actionkinos – nach Jahren übermächtiger Helden, die in CGI-Schlachten obsiegen.

Trachtenberg: Ich hoffe es. Ich bin kein Dogmatiker – ich liebe praktische Effekte, aber ohne CGI geht’s nicht. Das Entscheidende ist die Balance. Wenn man beides klug mischt, entsteht Magie. Und Emotion. Diese Höhepunkte gab es früher, und es gibt sie heute.

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