Spaniens Premierminister Pedro Sánchez schlägt vor, die Zeitumstellung abzuschaffen. Er hat vom halbjährlichen Herumgefummel an der Uhr die Nase voll und will sich im EU-Rat für eine Standardzeit starkmachen. Angeblich sähen es 80 Prozent der Europäer genauso. Sánchez stützt sich auf eine Online-Umfrage aus dem Jahr 2018, bei der allerdings nicht auszuschließen ist, ob nicht massenhaft russische Troll-Bots mitgemacht haben.
Nun sind die Spanier in Zeitfragen für kreative Ansätze bekannt. 1940 witterte Diktator Franco Morgenluft und diente sich Hitler an, indem er Spaniens Uhren mit denen der geschätzten Nazis gleichschaltete. Seitdem muss man, aus London in Madrid landend, seine Uhr eine Stunde vorstellen, obwohl die Sonne kaum hinterhergekommen ist. Die Spanier sind ihrer Zeit voraus. Das Land liegt zwischen Greenwich und Absurdistan im horologischen Bermudadreieck. Deshalb isst man dort gegen 16 Uhr zu Mittag und trifft sich um kurz vor Mitternacht auf eine Paella.
Mit konkreten Zeitansagen hält Sánchez sich bislang zurück. Wahrscheinlich will er künftig bloß einmal auf Sommer- oder auf Winterzeit umstellen und dann dabei bleiben. Warum aber nicht radikal denken? Francos Idee war gar nicht so schlecht, er hat sich bloß am Falschen orientiert. Der Mann der Stunde, der aktuelle Sonnengott, nach dessen Zeitpfeife alle zu tanzen haben, ist natürlich Donald Trump.
Was wäre es für eine Geste der Anerkennung, wenn die EU Trump nicht nur wirtschaftlich, sondern auch zeitlich entgegenkäme? Im chronischen Windschatten der USA segelte das labile Europa erheblich geschmeidiger durch die Zeitläufte. Womöglich kämen wir mit einer solchen Aktion ohnehin drohenden Zeitzöllen nur zuvor. Trump dürfte geschmeichelt frohlocken: „I fixed Europe’s clock!“
Bleibt nur die Frage der Ausgestaltung. Die USA haben sechs Zeitzonen, von Eastern bis Hawaii. Hier liegt erhebliches diplomatisches Potenzial. Man könnte Brüssel auf die Eastern Time legen, um New York und Washington zu signalisieren: Wir sind ganz nah bei euch. Paris bekäme aus Prestigegründen die Central Time, schließlich will man historisch gesehen näher am Zentrum sein. Berlin könnte sich bescheiden mit der Mountain Time begnügen; der märkische Sand ginge zeitlich nahtlos in die Wüste von Arizona über. Den Skandinaviern gönnte man die Pacific Time als Trostpflaster für ihre geografische Randlage.
Superbowl endlich live sehen
Die Konsequenzen wären überschaubar. In Deutschland ginge die Sonne im Winter gegen 15 Uhr auf, da wären die Kinder schon aus der Schule zurück (der Staat spendierte die Nachtsichtgeräte) und hätten jede Menge Zeit, auf der Straße zu spielen. Frühstückscafés würden erst nachmittags öffnen, Restaurants ihren Betrieb bis vier Uhr morgens ausdehnen. Die Sonntagsruhe verschöbe sich auf Montag- bis Dienstagvormittag. Arbeitgeber würden aufatmen: Die morgendliche Unproduktivität verschwände, weil der Morgen erst am Nachmittag begänne. Am Automaten in der Kantine gäbe es statt Kaffee Aperol Spritz und statt Morgengymnastik Abenddämmerungsdehnungen. Die Mittagspause bei Sonnenuntergang wäre ein ästhetischer Gewinn. Die Sonne – in Zeiten des Klimawandels ohnehin ein unsicherer Kantonist – hätte als Taktgeber ausgedient. Man orientierte sich weise nicht mehr an astronomischen Gegebenheiten, sondern an politischer Opportunität. Oscars und Superbowl könnten endlich entspannt live verfolgt werden.
Alle Einwände gegen den brillanten Plan sind so absehbar wie altbacken. Mediziner moserten über gestörte Biorhythmen, Vitamin-D-Mangel und Depressionen. Dabei leben die Spanier seit acht Jahrzehnten zeitversetzt und erreichen trotzdem ein höheres Alter als die meisten EU-Eulen, die ein unbarmherziges Zeitregime frühmorgens aus dem Bett jagt. In diesem Sinne: Gute Nacht, Europa!
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke