Der Rapper Flo Rida war einer der Stars der 10er Jahre und prägte die Jugend einer Generation. Nun spielte er eins seiner zwei Deutschland-Konzerte in Berlin. Ist das ein netter Trip in unbeschwerte Zeiten oder eher Trash?

Eigentlich kann man sich nur zwei Gründe vorstellen, warum jemand für ein Flo Rida-Konzert über 70 Euro ausgibt. Der erste ist Ironie, der zweite Nostalgie. Denn trotz erfolgreicher Hits in den 2010er Jahren wie "Low", "Right round" oder "Whistle" hat der US-Amerikaner seit zehn Jahren kaum neue Musik veröffentlicht. 2021 trat er dann für den Zwergstaat San Marino beim Eurovision Song Contest an und belegte Platz 22 von 26. Viel näher kann man der Bedeutungslosigkeit kaum kommen. 

Doch an diesem Freitagabend stolpern drei Frauen Mitte zwanzig kichernd durch die Sicherheitskontrolle der Max-Schmeling-Halle in Berlin. Das erste von zwei Deutschland-Konzerten seiner "Club can’t handle-Tour" findet hier statt und ist gut besucht. Etwa 5000 Menschen sind gekommen. "So geil, dass wir das machen", sagt eine der Frauen kichernd. Sie scheinen dem Team "Ironie" anzugehören, sind eher als Witz hier. Doch ein anderes Team hat an diesem Abend die Überhand: das Team "Nostalgie".

"I say Flo, you say Rida"

Denn die Songs des Rappers erinnern an erste Male: Die ersten Flaschendreh-Küsse, das erste Mal in den Club schmuggeln, das erste Mal froh sein, dass das Englisch der Eltern nicht ausreicht, um die expliziten Songtexte zu verstehen, wenn sie aus dem Autoradio tönen. Doch was passiert, wenn man die Songs, die an die unbeschwerte Zeit der Jugend erinnern, zehn Jahre später live hört? Ist das eine gute Idee, oder ist das einfach nur Trash?

Vor der Bühne schießen Dampfstrahlen in die Luft. Episch, das wird das Motto des Abends sein. Doch im Moment steht das Mikro noch verweist auf der Bühne. Es sieht aus wie ein riesiges pinkes Laserschwert, mit irgendwas Glitzrigem obendrauf. Zum ersten von unzähligen Malen wird das Publikum nun aufgefordert, die Hände hochzunehmen.

"Put your Hands up! I say Flo, you say Rida: Flo", das Publikum schreit: "Rida".

Der Star des Abends erscheint, er trägt eine schwarze Weste auf nacktem Oberkörper. Eine anständige Anzahl Ketten hängt um seinen Hals und an seiner Hose. Hinter ihm tanzen Tänzerinnen in strappy Unterwäsche. Alle können extrem gut twerken. Außerdem unterstützen ihn zwei Rapper und eine Sängerin. Oder vielleicht sind sie auch nur da, um die Bühne zu füllen, denn ob hier jemand tatsächlich rappt oder singt, ist manchmal etwas unklar. Hört man sich beim Publikum um, ist die häufigste Kritik: "Schade, dass es nur Playback ist". 

Flo Rida liefert bizarre Show in Berlin

Was genau bei der Planung dieser Show passiert ist, ist für Außenstehende schwer nachzuvollziehen. Vermutlich wurde irgendwem irgendwann bewusst, dass Flo Rida nur etwa fünf Banger hat. Die sind zwar wirklich sehr bekannt, reichen allerdings nicht, um eine zweistündige Show zu füllen, also brauchte es Füllmasse. Und so entstand wohl das skurrile Mosaik von einer Show, das mit einem Dutzend Erwachsenen auf der Bühne beginnt, die in abwechselnden Sprechchören ankündigen: "This is not a Show, this is not a Performance, this is a Parteeeey". Alles klar.

Jeder Song hat seine eigene kleine Show, äh Party.  In einem der ersten Songs geht es darum, dass "Bottles gepoppt", also Flaschen geöffnet werden. Daraufhin folgt eine Champagnerdusche ins Publikum. Im nächsten Song geht es um Shots, der ersten Reihe wird also je ein Schluck Schnaps in den Rachen gekippt. Beim Song "Where them girls at" schien bei der Planung die Assoziation zwischen Frauen und Blumen stattgefunden zu haben, weshalb Flo Rida nun einen riesigen Strauß Rosen im Arm hält, jede küsst, und sie einzeln ins Publikum wirft. Generell wird viel ins Publikum geworfen an diesem Abend. Falsche Dollarscheine zum Beispiel. Oder T-shirts. Am Ende zieht Flo Rida sogar zweimal (!) seine Schuhe aus, signiert sie und verteilt sie ans Publikum. Vom Werfen sieht er hier glücklicherweise ab.  

Von Gen-Z bis Boomer ist alles mit dabei

Das Publikum ist sehr kooperativ, die Stimmung ausgelassen. Von der Horde wilder Animateure auf der Bühne angefeuert, singen sie mit, wenn sie mitsingen sollen und reißen die Arme hoch, wenn das gefordert ist. Von Gen-Z bis Boomer ist alles mit dabei. Sie scheinen es sogar zu verzeihen, dass Flo Rida auch Lieder von Pitbull und Taio Cruz spiel. Egal, selber Vibe. 

Für den Banger des Abends "Low", werden etwa 25 Frauen aus dem Publikum auf die Bühne geholt. Es herrscht pures Chaos. Die Frauen kriegen ab und an ein Mikro vor den Mund gehalten, um mitzusingen, ansonsten tanzen sie vor sich hin. Mehrfach werden Frauen zu Flo Rida geführt, sie strecken den Hintern raus, damit der Rapper draufhauen kann. Es ist ein skurriles Schauspiel. Eine Gruppe Männer darf bei "It’s going down for real" auf die Bühne. Sie kriegen statt Spanking allerdings eigene Mikros für ganze Rap-Parts. So war das halt 2010, oder?

Im Raucherbereich vor der Halle stehen Casi (54) und Susi (41). Sie gehören zu den älteren Besucherinnen und haben sich beim Konzert kennengelernt. Beide verfolgen Flo Rida schon seit Jahren. Auch für sie lösen die Songs Nostalgie aus. "Mein Sohn hört das auch, der ist gerade drinnen und tanzt", sagt Casi. Susi ist aus Bayern angereist: "Ich hoffe auf eine weitere Tour nächstes Jahr", sagt sie und klingt dabei so unironisch, wie man nur klingen kann. Manche Gefühle sind halt so stark, die kann auch kein Trash besiegen.

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